Gastgeber mit Genickschussanlage Der Sieger von Minsk heißt Lukaschenko
12.02.2015, 19:39 Uhr
(Foto: REUTERS)
Für die EU lief der Gipfel in Minsk akzeptabel. Schweres Kriegsgerät soll raus aus der Ostukraine. Eine Waffenruhe zeichnet sich ab. Der Gipfel hat aber einen Schönheitsfehler. Der "letzte Diktator" Europas konnte sich als Friedensvermittler präsentieren.
Der Zauber dieser Nacht wird Alexander Lukaschenko noch lange in Erinnerung bleiben. Die Sonne war gerade untergegangen, als der Präsident Weißrusslands die deutsche Bundeskanzlerin in seinem "Palast der Unabhängigkeit" in Empfang nehmen konnte. Als er ihr einen Blumenstrauß hinstreckte, lächelte sie und griff zu. Die schweren Spiegelreflexkameras der Journalisten ratterten. Die Fernsehteams hielten drauf. Unglaublich.
Es ist nur ein paar Jahre her, als Lukaschenko sich mit deutschen Politikern noch verbal prügelte. Der damalige Außenminister Guido Westerwelle nannte Lukaschenko den "letzten Diktator Europas". Lukaschenko antwortete: "Besser Diktator als schwul".
Alles vergessen. Zumindest für den Moment. Die EU braucht den Herrscher in Minsk, um ihre Friedensdiplomatie voranzutreiben. Weißrussland ist schließlich der einzige Flecken Erde in erträglicher Nähe, der für die wichtigsten Akteure im Ukraine-Konflikt - Russland und die Separatisten sowie die Regierung in Kiew - zumindest ansatzweise neutralen Boden darstellt. So gesehen mussten die Vertreter der EU es ertragen, dass der Despot die Gelegenheit nutzte, um sich als großen Friedensvermittler in Szene zu setzen. Auch wenn alles andere dagegen spricht.
Auf Augenhöhe mit den Mächtigen Europas
Lukaschenko regiert Weißrussland seit mehr als 20 Jahren. Er hat dafür gesorgt, dass das Land als einziger Staat Europas auch heute noch die Todesstrafe vollstreckt. Die bevorzugte Methode: Genickschuss. Eine freie Presse gibt es in Weißrussland nicht. Genauso wenig eine gesunde Privatwirtschaft. Weißrussland ist unter EU-Staaten wegen etlicher Menschenrechtsverletzungen weitgehend geächtet. Alles egal für diesen Augenblick.
Merkel, der Blumenstrauß, das Lächeln - Lukaschenko auf Augenhöhe mit den Mächtigen Europas. Es sind genau diese Bilder, die der Präsident braucht. Noch in diesem Jahr will er sich schließlich wiederwählen lassen. Eine freie, demokratische Wahl ist zwar nicht zu erwarten, es geht aber durchaus darum, das Aufkeimen einer bedrohlichen Opposition, eines Volksaufstandes zu verhindern.
Weißrusslands Wirtschaft geht es schlecht. Zwar verbessern die Russland-Sanktionen der EU die Lage ein bisschen. Das Land kann selbst mehr absetzen nach Russland. Zum Teil etikettiert es Produkte aus der EU auch um und verkauft sie gewinnträchtig an Russen weiter. Nach Jahren der Misswirtschaft reicht das aber nicht, um die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nachhaltig zu dämpfen. Und in einer solchen Situation kann es nicht schaden, wenn Lukaschenko den Eindruck erweckt, Minsk und Berlin näherten sich wieder an. Ein besseres Verhältnis zur EU verspricht schließlich auch bessere Wirtschaftsbeziehungen. Womöglich gar eine bessere Menschenrechtssituation.
Tuscheln mit Putin, kuscheln mit Poroschenko
Gelegen kommt Lukaschenko das Treffen aber auch, weil er Russlands Präsident Wladimir Putin einen Gefallen tun kann - eine Geste unter slawischen Brüdern gewissermaßen. Die Beziehungen zu Russland sind schließlich nicht nur wirtschaftlich bedeutsam. Unter den neun Millionen Einwohnern Weißrusslands sind eine Millionen ethnische Russen.
Gleichzeitig war das Treffen eine Gelegenheit, zumindest eine gewisse Unabhängigkeit von Moskau zu signalisieren. Schon bei der Annexion der Krim distanzierte sich Lukaschenko von Russlands Politik. Er pflegt seither gute Kontakte zum ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko.
In Lukaschenkos zauberhafter Nacht tuschelte er wiederholt mit Putin. Poroschenko umarmte er. Lukaschenko - der große Vermittler, der mit allen gut kann. Das dürfte ankommen, wenn das Staatsfernsehen diese Bilder liebevoll in Szene setzt und die richtige Gewichtung findet. Dazu der Auftritt Merkels. Auch für die Boulevard-Blätter hatte Lukaschenko dann noch etwas parat: das Menü der Gipfelteilnehmer. "Sie aßen Eier, Käse und Milchprodukte - und tranken ein paar Eimer Kaffee", sagte er. Zauberhaft - für Lukaschenko.
Quelle: ntv.de