Liz Truss tritt zurück Der schnellste Abgang aller Premiers - eine Chronologie
20.10.2022, 15:56 Uhr
Am 45. Tag ihrer Amtszeit kündigt Liz Truss ihren Rückzug an. Damit wird sie zur britischen Politikerin mit den wenigsten Tagen im bedeutendsten Amt ihrer Nation. Nichtsdestotrotz haben es die etwas mehr als sechs Wochen mit dem Tod der Queen und wirtschaftlichem Chaos in sich.
Die britische Premierministerin Liz Truss hat nach rund sechswöchiger Amtszeit ihren Rücktritt angekündigt. Truss trifft diese Entscheidung am 45. Tag ihrer Amtszeit, will aber noch im Amt bleiben, bis eine Nachfolge gefunden ist. Sollte die Nachfolge einigermaßen rasch geregelt sein, wird sie nicht nur als kurzlebigste Premierministerin der vergangenen 50 Jahre (zur Infografik), sondern aller Zeiten in die Geschichte eingehen.
Der derzeitige Inhaber des Titels ist George Canning. Dessen Amtszeit war ebenfalls kurzlebig - im wahrsten Sinne des Wortes. Nach nur 119 Tagen im Amt starb er im Jahr 1827 an Tuberkulose. Dann gab es noch Arthur Wellesley, den 1. Duke of Wellington. Dessen Amtszeit als Premier betrug zwar einmal nur rund drei Wochen, doch war diese als Interims-Amtszeit angelegt, und einige Jahre zuvor hatte er bereits über 1000 Tage als Premier gedient.
"Haltbarkeit eines Salats"
Die Zeitschrift "Economist" beispielsweise hatte Truss' Regierung bereits vor ihrem Rücktritt "die Haltbarkeit eines Salats" zugesprochen. Grund genug, die turbulenten 45 Tage der Regierungszeit noch einmal Revue passieren zu lassen:
5. September: Truss gewinnt die parteiinterne Abstimmung um das Amt des Parteichefs mit 81.326 Stimmen gegen den ehemaligen Finanzminister Rishi Sunak, für den 60.399 Tory-Mitglieder votieren. Als Chefin der regierenden Konservativen wird sie automatisch Premierministerin.
6. September: Königin Elizabeth II. beauftragt Truss mit der Regierungsbildung. Truss akzeptiert und wird damit zur Premierministerin. Sie entlässt alle Sunak-Anhänger aus dem Kabinett und setzt ihren Vertrauten Kwasi Kwarteng als Finanzminister ein.
Der Tod der Queen überschattet alles andere
8. September: Angesichts der steigenden Energiekosten kündigt Truss im Parlament an, die Energiepreise für Privatpersonen und Unternehmen zu deckeln. Der Tod der Queen am selben Tag bringt die politische Debatte während der zehntägigen Staatstrauer zum Stillstand.
23. September: Finanzminister Kwarteng stellt seine Pläne zur Ankurbelung der Wirtschaft vor. Die Neuverschuldung soll massiv steigen, die Steuern - auch für Spitzenverdiener - sollen deutlich sinken. Die Finanzmärkte reagieren panisch, und das Pfund fällt in den folgenden Tagen auf ein historisches Tief. Medien berichten von wachsenden Spannungen im Kabinett und unter den Tory-Abgeordneten.
28. September: Die Bank of England sieht ein "erhebliches Risiko für die finanzielle Stabilität des Vereinigten Königreichs" und kündigt ein zweiwöchiges Programm zum Ankauf langfristiger britischer Anleihen an.
29. September: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov liegt die oppositionelle Labour-Partei 33 Prozentpunkte vor den Konservativen. So viel Zustimmung hatte Labour seit Ende der 1990er Jahre nicht mehr.
Truss und ihr Minister machen Kehrtwende
3. Oktober: Auf dem von Streit und Spannungen geprägten Parteitag der Konservativen sehen sich Truss und Kwarteng zu einer ersten Kehrtwende gezwungen und verzichten auf die geplante Abschaffung der höchsten Steuerklasse, welche die Reichen im Land entlastet hätte.
5. Oktober: "Ich habe verstanden, ich habe zugehört", sagt Truss in ihrer Parteitagsrede. Sie wiederholt ihre Parole "Wachstum, Wachstum, Wachstum", kann damit jedoch weder die parteiinternen Kritiker noch die Finanzmärkte beruhigen.
2. Oktober: Truss schließt eine Kürzung der Staatsausgaben aus. Sie beteuert aber, an den geplanten Steuersenkungen festzuhalten und verstärkt damit die Zweifel an ihrer Politik weiter.
14. Oktober: Truss entlässt Kwarteng nach nur 38 Tagen im Amt und ernennt den ehemaligen Außenminister Jeremy Hunt zum neuen Finanzminister. Dieser räumt sogleich Versäumnisse der Regierung in Steuerfragen ein. Wenig später kündigt er an, dass so gut wie alle von Truss und seinem Vorgänger Kwasi Kwarteng angekündigten Steuererleichterungen zurückgenommen werden, um dem Finanzchaos im Land zu begegnen. Dies stellt eine große Demütigung für Truss als Politikerin dar.
Die Innenministerin tritt zurück
19. Oktober: Truss wird in der wöchentlichen Fragestunde im Parlament ausgebuht, lehnt einen Rücktritt jedoch ab. Nach einem Streit mit Truss und Hunt über die Einwanderungspolitik tritt Innenministerin Suella Braverman zurück und erklärt, sie habe "ernste Bedenken" gegenüber der Regierung. Eine Parlamentsabstimmung über das Verbot von Fracking versinkt im Chaos, als den Tory-Abgeordneten mitgeteilt wird, dass sie trotz breiter Ablehnung gemäß der Regierungslinie stimmen müssen. Truss gewinnt die Abstimmung zwar, viele Parlamentarier sehen ihr Vorgehen jedoch als endgültigen Sargnagel für die Regierung an.
20. Oktober: Truss bezeichnet den Vortag über einen Sprecher zunächst als einen "schwierigen Tag" - lässt aber zugleich auch verkünden, dass sie weitermachen will. Nur wenige Stunden später folgt ihr Rücktritt.
Quelle: ntv.de, mpe/AFP