"Messen Sie uns an den Taten" Die AfD will es allen zeigen
26.05.2014, 14:26 Uhr
Die sieben aus dem Europaparlament: Marcus Pretzell, Bernd Kölmel, Beatrix von Storch, Bernd Lucke, Ulrike Trebesius, Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty (v.l.).
(Foto: dpa)
Nach ihrem Erfolg bei der Europawahl peilt die AfD Regierungsverantwortung an: In Sachsen etwa kann sich Parteichef Lucke eine Koalition mit der CDU vorstellen. Schließlich sei eine Wiederbelebung der FDP nicht zu erwarten.
"Euroskeptiker schon, aber keine Rechtspopulisten." Am Tag nach der Europawahl steht Bernd Lucke in den Räumen der Bundespressekonferenz in Berlin und spricht in ein Telefon - freundlich, aber bestimmt. Keine Rechtspopulisten: Tausendfach hat Lucke diese Botschaft im Wahlkampf wiederholt. Mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien werde man keine Fraktion bilden.
Die Wahl der Fraktion wird der erste Test für Lucke und die sechs anderen AfD-Neulinge im Europaparlament sein. Die Frage dabei ist nicht, ob die AfD rechtspopulistisch ist. Die Frage wird sein, wie gut Lucke seinen Laden im Griff hat.
Denn unter den künftigen Europaabgeordneten der AfD gibt es Sympathien für die britische Unabhängigkeitspartei Ukip des exzentrischen Nigel Farage. Lucke hat ein Zusammengehen mit Ukip allerdings stets ausgeschlossen. Beim Parteitag im Januar sagte er, in Bezug auf Zuwanderung schlage Ukip einen Ton an, "der mir nicht behagt". Außerdem störe ihn an Ukip, dass die Partei den britischen Austritt aus der EU fordert.
Luckes Abneigung gegen Ukip mag zumindest teilweise strategische Gründe haben, sie zeigt jedoch, wie harmlos die AfD im europäischen Vergleich ist. Farage grenzt sich nämlich ebenfalls nach rechts ab: Mit dem Front National der französischen Wahlsiegerin Marine Le Pen will er nichts zu tun haben.
"EU-Parlament, um präzise zu sein"
Nach seinem Telefonat unterhält Lucke sich mit seinen Parteifreunden. Die Stimmung ist gelöst, man fühlt sich als Sieger, als "kleine Volkspartei", wie Lucke sagt. Er spricht jetzt freundlicher über Ukip als auf dem AfD-Parteitag in Aschaffenburg, er nennt sie eine demokratische Partei. Trotzdem ist sein Ziel klar: Er will die AfD in die Fraktion der "Europäischen Konservativen und Reformisten" führen, der etwa die britischen Tories angehören, allerdings auch die nationalkonservative PiS des Polen Jaroslaw Kaczynski, der für seine tiefe Abneigung gegen Deutschland bekannt ist.
Die Pressekonferenz beginnt mit Verspätung - erst stellen sich "die MdEPs" für ein Gruppenfoto auf, wie ein Parteisprecher ankündigt. MdEP, das Kürzel steht für Mitglied des Europäischen Parlaments. Wird Beatrix von Storch diese Abkürzung hinter ihrem Namen tragen? Sie lehnt die Bezeichnung "Europaparlament" ab, sie spricht bei ihrer Vorstellung, wie sie es immer tut, vom "EU-Parlament, um präzise zu sein". Distanz schwingt da mit, auch Verachtung. Man wird sehen, ob die Arbeit im Europäischen Parlament daran etwas ändert.
"Frau Merkel muss sich das überlegen"
Lucke jedenfalls gibt sich betont konstruktiv. Die Bezeichnung "Protestpartei" weist er empört zurück. Die AfD habe "Gestaltungswillen" und wolle keine Fundamentalopposition betreiben. Nach den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sei eine Regierungsbeteiligung durchaus vorstellbar - und zwar sowohl mit CDU als auch mit SPD. "Aber das ist ein bisschen Zukunftsmusik." In Sachsen etwa sei durchaus vorstellbar, dass die FDP aus dem Parlament fliegt und die CDU einen neuen Koalitionspartner brauche.
Da mit einer Wiederbelebung der FDP nicht zu rechnen sei, müsse CDU-Chefin Angela Merkel überlegen, ob sie nicht auf Länderebene eine neue Zusammensetzung ausprobieren wolle. Dem sehe er "mit einer gewissen Spannung" entgegen, merkt Lucke an. In der zweiten Reihe der CDU habe es ja schon entsprechende "Lockerungsübungen" gegeben.
Die Ausschüsse haben die sieben MdEPs bereits aufgeteilt. Lucke will in den Ausschuss für Wirtschaft und Währung, von Storch soll Inneres und Bürgerrechte übernehmen. Die Berufsaktivistin dürfte sich hier auf ihren Kampf gegen Gender Mainstreaming konzentrieren - dieser weithin unbekannte Begriff beschreibt nach allgemeinem Verständnis das Ziel einer Gleichstellung von Mann und Frau. Von Storch sieht dahinter jedoch die Leugnung der biologischen Geschlechter. Nur Marcus Pretzell, Listenplatz sieben, scheint noch keine Aufgabe zu haben. "Ich glaube, dass der Ausschuss für Verfassungsangelegenheiten für Sie der richtige wäre", sagt Lucke.
Hans-Olaf Henkel, hinter Lucke das zweite Aushängeschild der AfD, übernimmt den Ausschuss für Industrie und Forschung sowie in den Unterausschuss für Menschenrechte. Auch er betont, dass die AfD nicht rechtsextrem sei. Dieser Vorwurf habe "uns alle verletzt". Henkel appelliert an die Journalisten: "Messen Sie uns bitte an unseren Taten." Die erste Tat werde sein: "Wir werden uns mit den richtigen Gruppen im Europäischen Parlament verbünden. Und nicht mit denen, mit denen man uns immer in Verbindung gebracht hat."
"Wir werden das Unsere tun, um konstruktiv dort mitzuarbeiten", verspricht Lucke am Ende der Pressekonferenz. So viel ist klar: Die AfD will es ihren Kritikern zeigen.
Quelle: ntv.de