Lucke beklagt unfairen Wahlkampf "Unsere Plakate hängen nur einen Tag"
21.05.2014, 12:41 Uhr
(Foto: imago/Future Image)
Die AfD steht vor dem Sprung ins EU-Parlament. Dennoch ist Bernd Lucke unzufrieden. Im Interview mit n-tv.de sagt der Parteichef: "Wir stünden wesentlich besser da, wenn wir nicht diesen Anfeindungen ausgesetzt wären."
n-tv.de: Stimmt es, dass Sie abends die AfD-Wahlplakate in Winsen abhängen und nach Hause bringen, um sie am nächsten Tagen wieder aufzuhängen?
Bernd Lucke: Das stimmt. Wir haben in Winsen zweimal einen 100-prozentigen Plakatverlust erlitten. Zweimal hintereinander waren alle Plakate zerstört, die wir am Vortag aufgehängt hatten. Deshalb hängen wir sie jetzt morgens auf und nehmen sie abends wieder ab. Dass das in einer demokratischen Gesellschaft nötig ist, ist eigentlich sehr traurig.
Haben Sie eine Vermutung, wer es auf die AfD-Plakate abgesehen hat?
Vermutlich linksextremistische Gewalttäter. Das Problem haben wir übrigens bundesweit. Wir haben inzwischen einen Verlust von ungefähr 370.000 Euro an Sachwerten erlitten - ein Drittel unseres zentralen Wahlkampfbudgets. Es gibt Städte, in denen hängt kein einziges AfD-Plakat mehr, weil alles runtergerissen wird. Wenn wir wieder neu plakatieren, hängen die Plakate oft nicht länger als einen Tag. Dazu gibt es Angriffe auf unsere Veranstaltungen, auch körperliche Angriffe auf unsere Wahlkämpfer.
In Umfragen liegt die AfD mit sechs bis sieben Prozent gut im Rennen. Profitiert Ihre Partei vielleicht sogar von der Polarisierung, die sie auslöst?
Wir stünden wesentlich besser da, wenn wir nicht diesen Anfeindungen ausgesetzt wären. Das schadet uns extrem. Man versucht uns daran zu hindern, Wahlkampf zu führen. Deutschland ist ein freies Land, aber die AfD kann zurzeit nicht frei für sich werben. Keine andere Partei ist solchen Beeinträchtigungen ausgesetzt.
Warum wollen Sie unbedingt in das Parlament der Europäischen Union, gegen die Sie im Wahlkampf heftig wettern?
Wir sind für die EU, aber wir glauben, dass sie auf ein falsches Gleis geraten ist. Früher hat die EU durch den Binnenmarkt Wachstum befördert und die friedliche Einigung der Völker vorangetrieben. Aber inzwischen hat sie sich in eine Umverteilungsgemeinschaft umgewandelt. Ein Teil Europas stagniert oder schrumpft wirtschaftlich, deswegen wurde eine Transferunion errichtet. Das führt auch zu politischen Konflikten. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich war noch nie so schlecht wie jetzt. Die Ziele, die die EU lange Zeit erfolgreich verfolgt hat, werden durch die Eurorettungspolitik massiv gefährdet. Ich möchte ins EU-Parlament, um zu verbessern, was noch zu verbessern ist.
Es gibt eine große EU-Verdrossenheit. Ist die Ukraine-Krise nicht eine Chance für die EU, sich politisch zu profilieren?
Nein, das glaube ich nicht. Die Ukraine hat schwere interne Konflikte, zum Teil zwischen unterschiedlichen Volksgruppen, zum Teil wegen unterschiedlicher politischer Vorstellungen. Ich glaube, dass die EU gut beraten ist, sich dort nicht einzumischen. Auch Russland sollte seine Finger da raushalten. Die Ukraine sollte nicht zum Spielball ausländischer Interessen werden.
Was für eine Figur hat die EU in der Ukraine-Krise bisher abgegeben?
Ich glaube nicht, dass die EU große Fehler gemacht hat. Aber etwas mehr Fingerspitzengefühl für die vielschichtigen Konfliktlinien in der Ukraine wäre gut gewesen. Von manchen ist die Politik der EU als Einmischung empfunden worden und das hätte man durch ein sensibleres Vorgehen vielleicht vermeiden können. Der Hauptgrund für die Krise liegt aber darin, dass ein Teil der russischen Bevölkerung kein Vertrauen in die ukrainische Führung hat. Das ist zunächst mal ein internes Problem. Wenn aber Russland und andere Mächte sich einmischen, wird eine Lösung erschwert und die ganze Situation birgt dann ein gefährliches internationales Konfliktpotenzial.
In welcher Fraktion wird sich die AfD denn engagieren?
Wir wollen im EU-Parlament mit politisch gemäßigten Kräften zusammenarbeiten, die wie wir den Euro und die Entwicklung der Union kritisch sehen. Mit Ukip oder radikalen Parteien wie Le Pen, Wilders oder irgendwelchen Linksextremisten werden wir nicht zusammengehen. Wir werden Parteien als Verbündete haben wie zum Beispiel die tschechische ODS, die niederländische Christenunion oder die portugiesische Nova Democracia. Fast jeder Staat hat eine eurokritische Partei, mit der wir nach der Wahl sprechen werden.
Die PVV von Geert Wilders und die britischen Ukip würden gern mit Ihnen eine Allianz bilden. Inhaltlich gibt es Gemeinsamkeiten, zum Beispiel die Einwanderungspolitik und die Europaskepsis. Wieso lehnen Sie eine Zusammenarbeit ab?

Mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders will Lucke nicht zusammenarbeiten.
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Zu einer Ehe gehören immer zwei, es nützt nichts, wenn nur einer heiraten will - wir wollen ganz definitiv nicht. Da kann sich Herr Wilders auf den Kopf stellen. Er will wahrscheinlich einen seriösen Partner haben, um sein Ansehen aufzupolieren, aber dafür stehen wir nicht zur Verfügung. Seine Partei macht Stimmung gegen Ausländer und insbesondere gegen Moslems. Das ist überhaupt nicht unser Stil. Wir kritisieren, wenn nötig, Gesetze und Institutionen, wir fordern ein Einwanderungsrecht nach kanadischem Vorbild, aber wir agitieren nicht gegen Menschen.
Der sächsische CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat vor einigen Tagen in einem Interview gesagt: "Die AfD-Rhetorik unterscheidet sich kaum von der NPD."
"Unterscheidet sich kaum von der NPD und den Linken", hat er gesagt. Das ist eine Frechheit. Das ist die Wahlkampfstrategie der CDU, die ständig auf Diffamierung setzt. Offenbar ist man nicht imstande, argumentativ mit uns umzugehen. Der CDU scheint die Angst im Nacken zu sitzen, dass Wähler sich von ihr abwenden und uns wählen.
Zuletzt trat ein Dresdner AfD-Vorstand zurück, nachdem bekannt wurde, dass er an NPD-Veranstaltungen teilgenommen hatte. Es gibt einige Mitglieder mit Verbindungen zu rechten Burschenschaften. Die AfD ist offenbar attraktiv für rechtslastige Wähler und Mitglieder.
Am 25. Mai wählen die Deutschen ihre Abgeordneten für das Europaparlament. In einigen der 28 Mitgliedstaaten ist der Termin schon etwas früher. Zum ersten Mal gelten bei dieser Wahl die Regeln des Vertrags von Lissabon.
Damit ändert sich vor allem die Besetzung des wichtigsten EU-Postens, nämlich des Kommissionspräsidenten: Bislang wählten ihn die Staats- und Regierungschefs und das Parlament durfte nur zustimmen. Nun wählt das Parlament und die Staats- und Regierungschefs dürfen nur den Vorschlag dafür machen.
Ist das ein unbedeutender Unterschied in der Formulierung oder eine Änderung des politischen Systems? Die Abgeordneten des Parlaments bestehen darauf, dass nun sie das Sagen haben. Einige Regierungschefs wie Angela Merkel wollen sich die Entscheidung nicht aus der Hand nehmen lassen.
Gegen den Mann aus Dresden ist ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet worden. Burschenschaftler gibt es auch in CDU und SPD. Burschenschaften sind legale studentische Vereinigungen, die eigentlich eine liberale Tradition haben und sich früher sehr um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland verdient gemacht haben. Es ist völlig abwegig, alle Burschenschaftler als "rechts" abzuqualifizieren. Und übrigens: Eine Partei lebt von ihren Beschlüssen und ihren führenden Repräsentanten. Einzelne Mitglieder ohne Funktion herauszugreifen, ist wenig aussagekräftig. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat ermittelt, dass sowohl in der SPD als auch in der CDU rund 25 Prozent der Mitglieder ausländerfeindlich sind. Darüber wird kaum berichtet, aber stets wird versucht, die AfD in ein schlechtes Licht zu rücken.
Ein Beispiel ist Ulrich Wlecke, AfD-Kandidat für die Bundestagswahl 2013 in NRW. Er ist Mitglied der rechten Münsteraner Burschenschaft Franconia, früher war er Schatzmeister der Republikaner und arbeitete mit der rechtspopulistischen österreichischen FPÖ zusammen. Nährt Ihre Partei den Vorwurf der Rechtslastigkeit durch solche Fälle nicht selbst?
Herr Wlecke war in den 80ern bei den Republikanern, zu einer Zeit, als sie nicht als verfassungsfeindlich galten. Danach war er Mitglied bei der CDU und dann bei den Freien Wählern. Herr Wlecke hat doch das Recht, seine Meinung zu ändern und politisch reifer zu werden. Selbst schwere Straftaten verjähren irgendwann. Kann man nicht auch einen politischen Irrtum irgendwann auf sich beruhen lassen?
Sie argumentieren so, als spiele die Biografie eines Politikers überhaupt keine Rolle, als sei es egal, welche Stationen er durchlaufen hat. Eine kurze Recherche im Internet belegt ein Dutzend solcher Fälle. Der "Spiegel" schreibt in diesem Zusammenhang sogar, Sie würden die Kontrolle verlieren über das, was Sie ins Leben gerufen haben.
Das halte ich für völlig abwegig. Und was sind ein Dutzend Fälle bei 18.000 Mitgliedern? Natürlich kann man in Biografien stöbern und dann können Sie die Leute, die es betrifft, ja auch fragen, wie sie heute denken. Auch Wehner, Kiesinger, Fischer und Trittin hatten ja ihre Vergangenheit. Aber für eine Partei ist es wesentlich, welches Programm sie hat und welche Beschlüsse sie fasst. Nichts ist da bei uns irgendwie rechtslastig und nichts widerspricht unseren großen politischen Zielen, uns in Deutschland für finanzielle Solidität, soziale Verantwortung, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Generationengerechtigkeit einzusetzen.
Die eine Frage ist, wo Sie inhaltlich hinwollen, die andere, was für Leute Sie anziehen. Das können Sie nicht kontrollieren.
Ich kann nicht für jedes unserer Mitglieder die Hand ins Feuer legen. Aber wenn wir merken, dass jemand gegen unsere Grundwerte verstößt, handeln wir sehr konsequent. Ich erinnere an den Fall in Sachsen vor einigen Wochen, wo ein NPD-Mann bei uns Mitglied werden wollte. Wir haben das abgelehnt. Dann ist er zur CDU gegangen und dort anstandslos Mitglied geworden.
Mit Bernd Lucke sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de