Politik

Machtvakuum erzeugt Krise Die Kanzlerpartei ist nackt

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Erst ging die Parteivorsitzende, dann geht die Kanzlerin - und die CDU tut sich schwer.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa/Pool)

Nach dem Wettbewerb um den CDU-Vorsitz erlebt die Union in der Kanzlerfrage in kurzer Zeit schon zum zweiten Mal einen offenen Machtkampf an ihrer Spitze. Der CDU ist ihr natürliches Machtzentrum abhandengekommen.

Das Präsidium und der Bundesvorstand der CDU unterstützen beide ihren Parteivorsitzenden Armin Laschet in dessen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur der Union. Und die kleine Schwesterpartei CSU? Zuckt mit den Schultern und erklärt das Rennen zwischen dem eigenen Vorsitzenden Markus Söder und Laschet für weiterhin offen. Soll sich halt erst mal die gemeinsame Bundestagsfraktion äußern, und überhaupt: Mal abwarten, ob da wer in den kommenden Tagen noch aus der Deckung kommt. Wenn nicht, bleibt Söder halt in der starken Position, in der er jetzt schon ist: Bayerns Ministerpräsident.

Was in großer Runde im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin entschieden wurde, juckt die selbst- und machtbewussten Bayern wenig. So lautet zumindest die Botschaft, wenn die CSU-Granden um Söder beharrlich auf die Beliebtheitswerte ihres Ministerpräsidenten verweisen und die K-Frage als weiterhin ungeklärt bezeichnen.

Damit legen die Christsozialen zielsicher den essiggetränkten Finger in die Wunde: In der CDU herrscht ein Machtvakuum und das seit - rückblickend unfassbar langen - drei Jahren und zwei Monaten. Seit die langjährige CDU-Vorsitzende Angela Merkel kurz nach Bildung der Großen Koalition die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer nach Berlin holte, um sie über das Amt der CDU-Generalsekretärin zur Nachfolgerin aufzubauen.

Selbstgespräche statt Führung

Dieser Versuch eines geordneten Übergangs war nicht nur Merkels langer Amtszeit, sondern auch dem schlechten Wahlergebnis 2017 geschuldet: Fast neun Prozentpunkte hatte die Union bei der ersten Bundestagswahl nach der Flüchtlingskrise verloren. Merkels angekündigter und im Dezember 2018 vollzogener Rückzug von der Parteispitze hinterließ eine bis heute unausgefüllte Leerstelle. Bei allen Unterschieden, sowohl Kohl als auch Merkel haben die Partei geführt. Seit Merkels Abgang aber führt die Partei Selbstgespräche.

Weder dem in Sehnsucht nach einem Ende der Merkel-Jahre von der Bundestagsfraktion durchgesetzten Fraktionschef Ralph Brinkhaus, noch dem einflussreichen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble oder dem alten hessischen Fahrensmann Volker Bouffier ist es am Montag gelungen, mit ihren Stellungnahmen den Sack für Laschet zuzumachen. Das mag auch daran liegen, dass sich keiner der drei im Vorfeld der CDU-Vorsitzendenwahl für Laschet engagiert hatte. Schäuble unterstützte Friedrich Merz, Bouffier und Brinkhaus gaben sich nach außen neutral. Ihr neuer, öffentlich vorgetragener Enthusiasmus für den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen wirkt deshalb wenig überzeugend.

Ob ein Machtwort der sich bislang weitgehend raushaltenden Merkel Laschet eher schaden oder nutzen würde, weiß vielleicht nicht einmal sie selbst. Der CDU geht es am Ende wie der Gesamtbevölkerung: Ihr Laschet-Enthusiasmus hält sich erkennbar in Grenzen. Das gilt nach zwei verlorenen Landtagswahlen und einem Absturz in den Umfragen mehr noch als im Januar, als sich Laschet mit einer starken Bewerbungsrede gegen Merz und Norbert Röttgen einigermaßen deutlich durchgesetzt hatte.

Man muss Chefs auch mal machen lassen

Die Autorität der Macht ist auch immer eine Frage der Praxis, das war bei der jungen Merkel nicht anders: Je länger und öfter ein Spitzenpolitiker, unangefochten von den eigenen Leuten, Entscheidungen und Positionen seiner Partei öffentlich verkündet, desto natürlicher füllt er oder sie in den Augen von Medien und Öffentlichkeit die Rolle des Anführers aus. Gut möglich also, dass auch Laschet im öffentlichen Ansehen noch deutlich an Format gewinnt, wenn er einmal über Monate hinweg CDU-Vorsitzender und Unionskanzlerkandidat sein darf, ohne dass er dabei aus den eigenen Reihen infrage gestellt wird. So lautete auch gewiss der Plan des Mannes, der schon seine Schlachten um die Düsseldorfer Staatskanzlei und die CDU-Spitze immer weiter focht, ganz gleich wie sehr Umfragen und Stimmungslagen gegen ihn sprachen.

Dass diese Strategie auch auf dem Weg ins Kanzleramt aufgeht, ist aber unwahrscheinlicher geworden, seit die CSU sich am Montag entschieden hat, dem Aachener ihre Anerkennung zu verweigern. Eine kleine Schwesterpartei, die beharrlicher noch als der politische Gegner Laschets Unbeliebtheit betont und ihm abspricht, ein Kandidat der Basis zu sein, schädigt dessen Ansehen dauerhaft. Es ist daher wahrscheinlich, dass es der Partei von Adenauer, Kohl und Merkel auch nach Laschets Kür zum Kanzlerkandidaten weiter an Führungsautorität fehlen wird - mit allen Risiken für die kommende Bundestagswahl.

Quelle: ntv.de

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