Politik

Chaostage bei der Union Die SPD kann sich noch nicht freuen

Andrea Nahles ruft die Union auf, sich wieder auf die Sachebene zu begeben.

Andrea Nahles ruft die Union auf, sich wieder auf die Sachebene zu begeben.

(Foto: picture alliance / Ina Fassbende)

Eigentlich könnte es ja eine Stunde der Genugtuung für die SPD sein: Die Union zerlegt sich gerade selbst. Doch zu Häme sind die Sozialdemokraten nicht aufgelegt. Dazu ist die Lage zu ernst, für Europa und für die SPD.

Die SPD reagiert auf das Chaos in der Union auf ganz eigene Weise. Am Tag, der möglicherweise zum großen Beben in Berlin führt, hissen die Sozialdemokraten die Europa-Fahne über dem Willy-Brandt-Haus. Es ist ein klares Signal: In Zeiten, in denen in der CSU der Unilateralismus gepriesen wird, ist die SPD eine verantwortungsbewusste Europa-Partei.

Tatsächlich befindet sich die SPD angesichts des Streits in einer ungewohnten Situation. Ist doch in diesen Tagen nicht mehr von ihren Versäumnissen die Rede, vom internen Streit und dem fehlenden Profil. Auch die Wahlkampfanalyse der vergangenen Woche, die der SPD verheerende Fehler bescheinigte, ist längst vergessen. Der eskalierte Streit innerhalb der Unionsfraktion über Zurückweisungen von Migranten an den Grenzen überlagert derzeit alles andere und lässt die SPD wie einen Hort der Stabilität im wackeligen Regierungsbündnis erscheinen.

Eigentlich könnte der Streit innerhalb der Union die SPD ja freuen nach dem Prinzip vom lachenden Dritten. Doch zu Häme ist sie derzeit nicht aufgelegt. "Wir befinden uns in einer außergewöhnlich schwierigen Situation", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer n-tv.de. Ralf Stegner, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, betont im Gespräch mit n-tv.de: "Natürlich können wir uns nicht freuen. Dazu ist die Lage in Europa zu ernst. Wir brauchen jetzt eine starke handlungsfähige Bundesregierung und keinen Streit in den Unionsparteien." Schon vor dem Wochenende hatten führende SPD-Politiker gefordert, dass die Union ihren Streit beendet. SPD-Chefin Andrea Nahles ermahnte die Union, "sich wieder auf eine sachliche und kooperative Ebene zu begeben".

SPD verliert in Umfrage

Der Asylstreit betrifft längst nicht mehr nur die Union, er droht auch die SPD mit in den Abgrund zu reißen. In der jüngsten Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und n-tv brechen nicht nur die Unionsparteien ein, sondern auch die SPD sackt um weitere zwei Prozentpunkte ab. Mit 16 Prozent liegt sie jetzt nur noch einen Punkt vor der AfD. Die sogenannte Große Koalition wäre so geschrumpft, dass sie nicht einmal mehr auf eine Regierungsmehrheit kommt.

Und was passiert, wenn nun Seehofer tatsächlich die Fraktionsgemeinschaft aufkündigt, die Große Koalition scheitert und Neuwahlen angesetzt werden? Öffentlich will sich Stegner dazu nicht äußern. Aber klar ist: Für die SPD wären das düstere Aussichten, wie keine andere Partei muss sie Neuwahlen fürchten. Nicht nur, dass die Parteikassen leer sind. Schwerer wiegt, dass die SPD immer noch mit ihrer Neuerfindung beschäftigt ist und nicht weiß, wen sie als Spitzenkandidaten ins Feuer schicken könnte.

Es gibt natürlich auch noch eine andere Option, die die Partei optimistischer stimmen könnte: dass die CSU ausscheidet, die CDU die Grünen mit ins Boot holen würde und die SPD in einer solchen Koalition ohne das Störfeuer aus Bayern mehr durchsetzen könnte. Doch das liegt alles in weiter Ferne, jetzt muss die Partei erstmal abwarten, wie der Unionsstreit endet.

Bislang geht man in der Partei davon aus, dass es noch irgendwie zu einer Lösung kommt. "Unser Sorgenpendel ist noch nicht bei 50 Prozent angekommen", sagt Schäfer. Als Rezept für die SPD glaubt er, dass diese weiter auf europäische Lösungen drängen muss. "Wir müssen aufpassen, dass wir in Europa nicht nur Werte teilen, sondern uns auch ans Recht halten."

Außerdem setzt Schäfer auf die Kraft der Aufklärung. "Wir müssen der Bevölkerung erklären, dass sie sicher ist und dürfen nicht so tun, als gebe es ein alltägliches Gewaltproblem durch Flüchtlinge." Auch Stegner plädiert für Rationalität: "Es geht jetzt nicht um Landtagswahlen und taktische Überlegungen. Im Moment ist Seriosität und Besonnenheit das Richtige, und es ist klug, sich auf die Sacharbeit zu konzentrieren."

Quelle: ntv.de

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