Union und SPD streiten sich ins neue Jahr Die bellen nur, die beißen nicht
06.01.2014, 15:23 Uhr
Vor drei Wochen feierten sie noch ihre Vereidigung. Jetzt sorgt manch ein Kabinettsmitglied für Ärger.
(Foto: picture alliance / dpa)
Vorratsdatenspeicherung, Mindestlohn – nur drei Wochen nach ihrer Vereidigung bricht in der Bundesregierung Streit los. Langfristig dürften aber selbst Drohungen, den Koalitionsvertrag zu brechen, den schwarz-roten Frieden kaum trüben.
CDU, CSU und SPD erwecken den Eindruck, als hätten sie nie Koalitionsverhandlungen geführt. Kaum drei Wochen im Amt, setzen die Parteien in Alleingängen auf eine Politik, die im Widerspruch zum gemeinsamen Regierungsvertrag steht. Oder sie stellen Forderungen auf, die auf keiner der 185 Seiten des Papiers zu finden sind. Das sorgt für Streit, den Bestand des Bündnisses wird das Gebaren der Regierungsparteien aber kaum gefährden.
Im Koalitionsvertrag steht: "Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen." In der SPD ist davon nun keine Rede mehr. Vergangene Woche gab Justizminister Heiko Maas bekannt, dass er sich weigert, einen Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung vorzulegen. Der SPD-Politiker will eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Richtlinie abwarten und verärgert damit vor allem die Unions-Kollegen im Innenministerium.
Im Regierungsvertrag heißt es auch: "Um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden, streben wir für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatsekretäre und politische Beamtinnen und Beamte eine angemessene Regelung an." Trotzdem drang kurz nach dem Jahreswechsel an die Öffentlichkeit, dass der frühere Kanzleramtschef Roland Pofalla von der CDU einen Wechsel in den Vorstand der Deutschen Bahn plant. Selbst aus den eigenen Reihen ertönt da Kritik.
Für Ärger sorgt auch das Thema Mindestlohn. Nach langem Ringen einigten sich Union und Sozialdemokraten im Koalitionsvertrag auf die Formulierung: "Zum 1. Januar 2015 wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde für das ganze Bundesgebiet gesetzlich eingeführt." Bis 2017 gelte eine Übergangsregelung. Nun sagte Gerda Hasselfeldt, die bayrische Landesgruppenchefin der CSU: "Weitere Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn sind unausweichlich." Dabei hat die SPD den Mindestlohn stets zur Mindestvoraussetzung für eine gemeinsame Regierung erklärt.
Alles eine Frage der Gewöhnung
Was in derart geballter Form dramatisch klingt, dürfte den Koalitionsfrieden aber nur kurzfristig trüben. Die Union musste sich schon zu schwarz-gelben Zeiten damit abfinden, dass das Justizministerium die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung blockiert. Die damalige Herrin des FDP-geführten Hauses, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, pochte vier Jahre lang erfolgreich auf Datenschutz. Die Koalition hielt trotzdem.
Die Debatte über Karenzzeiten für Politiker, die in die Wirtschaft wechseln, ist so etwas wie das "Dinner for one" zur Bundestagswahl. Mit Vorwürfen, Interessenkonflikte zu provozieren, mussten sich in den vergangenen Jahrzehnten Mitglieder aller Parteien auseinandersetzen - auch die SPD. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder wechselte im Jahr 2005 nach seiner Amtszeit zum russischen Gasriesen Gazprom. Die Empörung bei Sozialdemokraten hält sich daher in Grenzen und dürfte - wie schon bei vergangenen Fällen - ohne größere Konsequenzen schnell verebben.
Das gilt auch für den Aufstand der CSU gegen den Mindestlohn. Der fällt mit großer Wahrscheinlichkeit in die Kategorie der politischen Folklore. Die Christsozialen haben am Dienstag ihre alljährliche Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Davor heischt die Partei traditionell mit allen Mitteln um Aufmerksamkeit. Dieses Mal sagte CSU-Chef Horst Seehofer schon "Wer betrügt, fliegt" und schürte Vorurteile gegen Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner forderte, die Ökostromförderung auf Pump zu finanzieren - ungeachtet der Tatsache, dass dies wegen der Schuldenbremse in Bund und Ländern überhaupt nicht möglich ist. Und nun setzt CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt mit ihrem Angriff auf den Mindestlohn eben noch einen drauf. Selbst in der SPD, die bei dem Thema ausgesprochen empfindlich ist, dürfte die Empörung schnell der Gewissheit weichen, dass auch die CSU dieser Tage laut bellt, aber nicht beißt.
Quelle: ntv.de