Flüchtlingspolitik entzweit Union "Die größte Prüfung ihrer Kanzlerschaft"
15.10.2015, 12:10 Uhr
(Foto: REUTERS)
In der eigenen Partei wächst der Druck auf die Kanzlerin. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt spricht im Interview über die Kritik an Angela Merkel. Ist sie angeschlagen?
n-tv.de: Wie hat Ihnen der Auftritt der Kanzlerin in Schkeuditz gefallen?
Marian Wendt: Frau Merkel war souverän und ehrlich, das hat mir sehr gut gefallen. Sie hat die Realität nicht verschleiert, sondern aufgezeigt, wie sie ist und was politisch möglich ist. Ich hätte mir gewünscht, dass sie den Bereich Abschiebungen stärker herausstellt. Es ist wichtig zu sagen, dass wir das jetzt auch durchsetzen werden und schnellere Abschiebungen hinbekommen. Nach der Veranstaltung bin ich mit einigen Mitgliedern zurückgefahren. Die haben gesagt: "Es ist doch alles nicht so einfach, wie man manchmal denkt."
Bei der Veranstaltung wurde Merkel von vielen Mitgliedern sehr scharf kritisiert. Hätten Sie das so erwartet?
Ja, ich habe damit gerechnet, denn ich kenne die Mitglieder gut. Die ostdeutschen Landesverbände sind sehr kritisch. Man muss aber unterscheiden zwischen billiger Polemik und sachlich begründeten Ängsten, die viele vorgetragen haben. Mir ist es lieber, wenn wir ehrliche Diskussionen führen, es soll ja keine Kuschelkonferenz sein.
Ist Frau Merkel angeschlagen?
Es ist die größte Prüfung ihrer Kanzlerschaft, aber sie kann gestärkt daraus hervorgehen. Das schaffen wir aber nur gemeinsam, von den Kommunen bis zum Bund. Jeder Bürger möchte, dass die Situation sofort gelöst wird, aber das geht in diesem Fall nicht. Es ist kein Rohrbruch, den man einfach schließen kann. An vielen Stellen im System müssen wir jetzt viele Rädchen drehen. Der Schlüssel ist die türkisch-syrische Grenze. Die Kanzlerin wird diesen Weg weitergehen, wir unterstützen sie.
Die Unionsfraktion teilt sich zurzeit in ein Pro- und ein Contra-Merkel-Lager. Zu welchem gehören Sie?
Ich glaube, wir sind alle Pro-Merkel. Wir haben auch dasselbe Ziel: Diejenigen, die Anspruch auf Asyl haben, bekommen Hilfe. Die übrigen müssen zügig abgeschoben werden. Über das "Wie" gibt es verschiedene Meinungen. Viele sind unsicher, was für Signale aus dem Kanzleramt gesendet worden sind. Ein weiteres Thema sind Grenzkontrollen. Am Ende können wir 3700 Kilometer Landgrenze nicht schützen, indem wir alle 50 Meter einen Bundespolizisten oder Soldaten hinstellen. Die Kanzlerin kann nicht versprechen, die Grenze zu schließen, wenn wir das faktisch gar nicht können oder in der EU wollen.
Teilen Sie die Kritik an Merkels Satz "Wir schaffen das"?
Wir schaffen das, ja. Aber wir schaffen es nur für die, die Anspruch auf Schutz haben. Das muss von uns noch stärker herausgestellt werden. Wir verabschieden heute die umfassendste Änderung des Asylgesetzes seit den 90er-Jahren. Damit entlasten wir die Kommunen und beschleunigen die Asylverfahren - das müssen wir den Leuten da draußen aber auch richtig laut sagen. Die syrische Kriegsflüchtlingsfamilie ist hier herzlich willkommen, aber nicht der allein reisende Wirtschaftsflüchtling aus Afrika oder dem Westbalkan.
Der sächsische CDU-Landesverband, dem Sie angehören, gilt als besonders konservativ. Wie ist die Stimmung an der Basis?
Wir führen das Land Sachsen seit 1990. Der Freistaat hat zwei Grenzen zu Tschechien und Polen, deswegen haben wir unsere Interessen in Berlin immer deutlich kommuniziert. Die jetzige Stimmung ist sehr angespannt. Die Leute sind unsicher. In meiner Bürgersprechstunde lassen viele Menschen zurzeit Dampf ab. In Rackwitz, in meinem Wahlkreis, gibt es aber gute Beispiele, wie es gelingen kann, die Bevölkerung und die Asylbewerber zusammen zu führen. Das schafft Verständnis. Wenn die Leute aber merken, dass jemand nur das System ausnutzt oder hier nur überwintern will, dann schließen sich Türen und Herzen sehr schnell.
In diesen Tagen gibt es einen großen Spalt zwischen CDU und CSU. Wie groß sind die Differenzen?
Inhaltlich bin ich als sächsischer CDU-Mann nah bei der CSU. Ich sehe aber immer noch eine große Geschlossenheit in der Fraktion. Der Feind ist nicht in der eigenen Partei. Wenn wir allein regieren würden, wären wir schon sehr viel weiter. In der Asylpolitik steht der Feind ganz klar links: SPD und Grüne.
Können Sie das erklären?
Wenn ich sehe, in welcher Art und Weise beim Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten nachverhandelt wurde. Die SPD hat versucht, das Sachleistungsprinzip aufzuweichen. Das sage ich auch den Leuten auf der Straße. Wenn ihr wollt, dass die Menschen zügiger abgeschoben werden, dann sprecht mal mit der SPD.
Mit Marian Wendt sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de