Politik

Solidaritätszuschlag muss weg Die kleinste Steuerreform aller Zeiten

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Die Ministerpräsidenten zu Gast im Kanzleramt: Große Reformen werden sie nicht beschließen.

(Foto: dpa)

Wenn es jetzt nicht klappt, den Länderfinanzausgleich zu reformieren, wird das undurchschaubare Konstrukt auf Jahrzehnte bleiben. Doch die Regierungen wollen ihre Chance nicht nutzen.

Die größte Koalition seit Jahrzehnten plant die kleinste Steuerreform aller Zeiten. Und das auch nur gezwungenermaßen. Denn ab 2019 muss sich etwas ändern: Dann läuft die Förderung für den Aufbau Ost aus, der Bund spart also Geld. Ab diesem Moment kann der Staat kaum noch argumentieren, wozu er den "Soli" braucht – den Solidaritätszuschlag, der bei seiner Einführung mit den besonderen Bedürfnissen der neuen Bundesländer begründet wurde.

Dass Soli und Aufbau Ost schon immer weniger miteinander zu tun, als allgemein angenommen wird, spielt in der öffentlichen Debatte keine Rolle. Die meisten Bürger glauben, dass der Soli zeitlich befristet ist. Und darum muss er weg, alles andere wirkt wie eine versteckte Steuererhöhung – und die haben CDU und CSU seit dem Wahlkampf vehement ausgeschlossen.

An diesem Donnerstag trafen sich darum zuerst die Ministerpräsidenten untereinander, dann mit der Kanzlerin. Das Ergebnis: Bis Juni 2015 soll es einen Beschluss geben, wie es mit dem Soli weitergeht.

Bloß keine Steuererhöhung

Auf das Geld aus dem Soli wollen allerdings weder die Bundesregierung, noch die Landesregierungen verzichten. Womit sollten sie die Löcher in den Haushalten flicken, die dadurch gerissen würden? Aus SPD-regierten Ländern kommt der Vorschlag, den gleichen Betrag über die Einkommensteuer einzutreiben. Doch auch das würde einigen CDU-Wählern wie eine Steuererhöhung und damit wie ein Bruch eines Wahlversprechens vorkommen.

Die Union hat also ein Problem und die Gelegenheit wäre günstig, aus der Not eine Tugend zu machen: Das gesamte System von Landes- und Bundessteuern, Soli, Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen ist reformbedürftig. Mit der übergroßen Koalition im Bundestag und fünf schwarz-rot-regierten Ländern wäre es möglich, sich auf ein neues System zu einigen.

Ein Beispiel für die merkwürdig verflochtenen Finanzbeziehungen sind die Körperschaftsteuern, die Unternehmen bezahlen. Sie gehen zur Hälfte an den Bund, zur anderen Hälfte an das Land, in dem die Gewinne anfallen. Letzteres ist allerdings recht willkürlich: Ein Unternehmen mit Tochterfirmen in unterschiedlichen Bundesländern kann es sich praktisch aussuchen, wo es seine Gewinne versteuert. Als die Volkswagen AG den Konkurrenten Porsche aufkaufte, gingen Baden-Württemberg zig Millionen Euro verloren, die künftig in Niedersachsen abgeführt werden – obwohl die Autos noch immer in Stuttgart und Leipzig hergestellt werden.

Es ginge besser

Man könnte das Geld auch gleichmäßig an die Länder verteilen, wie es der Politologe Wolfgang Renzsch fordert. Doch das würde einige Regierungen vor ein Problem stellen: Reiche Länder wie Bayern müssten auf einmal mit wesentlich weniger Einnahmen auskommen. Arme Länder wie Bremen könnten sich dagegen von ihren Haushaltsdefiziten befreien. Den ungeliebten Länderfinanzausgleich könnte man dann vielleicht sogar ganz abschaffen, ebenso die Sonderzahlungen, die der Bund an die Länder überweist.

Die politischen Verhältnisse sind günstig, eine Reform muss ohnehin her und die Wähler werden die Parteien wohl kaum dafür abstrafen, wenn sie Geld von der einen in die andere Tasche schieben. Wenn in dieser Situation keine Reform zustande kommt, dann wohl auch in den nächsten Jahrzehnten nicht. Doch anstatt ein kompliziertes, bürokratisches System zu überarbeiten, diskutieren Ministerpräsidenten und Kanzlerin darüber, wie sie die aufgezwungene Soli-Abschaffung so unauffällig und geräuschlos wie möglich hinter sich bringen können.

Quelle: ntv.de

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