Israel verweigert Hilfe Drusen bangen um syrische Glaubensbrüder
25.06.2015, 14:03 Uhr
Die Drusen verlangen von Israel militärische Hilfe für ihre Glaubensbrüder in Syrien. Die Minderheitsreligion wird dort von islamistischen Terroristen als Irrglaube verachtet.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Den Drusen in Syrien droht vermutlich ein Massaker. Sie werden von islamistischen Rebellen bedroht. Ihre Glaubensbrüder auf dem Golan sind in tiefer Sorge und lassen ihrer Wut freien Lauf. Wird die Gewalt über die Grenze schwappen?
Fachr Edeen steht am Grenzzaun auf den von Israel kontrollierten Golanhöhen und blickt sorgenvoll auf die syrische Seite hinüber. "Ich bin sehr beunruhigt", sagt der 62-jährige Druse aus dem Grenzort Madschdal Schams. In der Ferne sind immer wieder dumpfe Explosionen zu hören. Edeens Sorge gilt seinen Glaubensgenossen auf der anderen Seite. Unweit der Grenze auf syrischem Gebiet liefern sich Rebellen und Regierungstruppen von Baschar al-Assad heftige Kämpfe.

Auf den Golanhöhen leben rund 23.000 Drusen. Viele ihrer Glaubensgrundsätze sind geheim.
(Foto: imago/ZUMA Press)
Die Regimegegner erobern immer weitere Teile der Golanhöhen. In der vergangenen Woche haben islamistische Rebellen, darunter Kämpfer der Al-Nusra-Front, einen Belagerungsring um eine drusische Ortschaft in Grenznähe gelegt. Ein Massaker wird befürchtet. Die Mitglieder der Minderheitsreligion sehen ihr Leben zunehmend bedroht, vor allem nachdem vor zwei Wochen im Norden Syriens 20 Drusen von Al-Nusra-Kämpfern getötet wurden.
Lynchmord an verletztem Syrer
Bei den Drusen auf den Golanhöhen löst diese Situation ihrer Verwandten ein Gefühl der Hilflosigkeit, aber auch der Wut aus. Sie haben von Israel militärische Hilfe für ihre Brüder in Syrien und eine Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge gefordert - bisher vergeblich. In der Nacht zum vergangenen Dienstag ließen Dutzende von Drusen auf der israelischen Seite des strategischen Plateaus ihrem Zorn freien Lauf. Sie zerrten einen verletzten Syrer aus einem israelischen Militärkrankenwagen und prügelten ihn zu Tode. Ein weiterer Verletzter schwebt in Lebensgefahr. Nach Angaben eines Polizeisprechers wurden mehrere drusische Tatverdächtige festgenommen.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beschrieb den ersten Vorfall dieser Art als "sehr schwerwiegend". Israel sei nicht Teil der Anarchie, die sich in seinen Nachbarländern ausbreite. Als Rechtsstaat werde man es "niemandem erlauben, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen".
Die Religion der Drusen ist zu Beginn des elften Jahrhunderts aus dem ismailitischen Islam hervorgegangen. Viele ihrer Glaubensgrundsätze, zu denen auch die Seelenwanderung gehört, sind geheim. Die Mitglieder dieser Gemeinschaft leben verstreut im Libanon und in Jordanien, in Syrien leben rund 700.000 von ihnen, in Israel 140.000 und auf den 1967 besetzten Golanhöhen etwa 23.000. Radikale Islamisten betrachten die Religion der Drusen als Irrglauben.
"Das ist nicht das Wesen der Drusen"
Die israelischen Drusen stehen dem Staat loyal gegenüber und dienen sogar in der Armee, viele ihrer Glaubensgenossen auf den von Syrien eroberten Golanhöhen erkennen Israel jedoch nicht an. Israel behandelt seit mehr als vier Jahren Verletzte des syrischen Bürgerkriegs in Krankenhäusern. Diese Praxis hat bei den Drusen Empörung ausgelöst, weil sie unter den syrischen Patienten auch islamistische Rebellen vermuten.
Der Lynchmord an dem syrischen Patienten hat jedoch auch unter Drusen für Kritik gesorgt. "Ich verdamme diese Tat aus ganzem Herzen", sagt der 37-jährige Bürgermeister von Madschdal Schams, Dolan Abu Salah. "Das ist nicht das Wesen der Drusen." Außerdem schade der Mord den Interessen der Drusen auf der israelischen und der syrischen Seite der Golanhöhen. "Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Gemüter zu beruhigen."
Der Lynchmord sei ein "weiterer Hinweis darauf, dass Israel an der nördlichen Grenze zunehmend die Kontrolle verliert", schrieb ein Kommentator der Zeitung "Haaretz". Israels bisherige Politik, sich in den syrischen Bürgerkrieg nicht hineinziehen zu lassen, werde nun auf eine harte Probe gestellt.
Quelle: ntv.de, Ofira Koopmans, dpa