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"Eine Zäsur" EU-Kommission will Gentechnik bei Lebensmitteln erleichtern

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Ob der Vorschlag der EU-Kommission auch umgesetzt wird, bleibt erstmal offen.

Ob der Vorschlag der EU-Kommission auch umgesetzt wird, bleibt erstmal offen.

(Foto: picture alliance)

Es ist ein durchaus umstrittenes Vorhaben: Die EU-Kommission schlägt in einem Gesetzentwurf vor, dass bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen nicht mehr gekennzeichnet werden müssen. Das sorgt für jede Menge Kritik von den Grünen.

Nach großen Diskussionen bereits im Vorfeld hat die Europäische Kommission ihren Gesetzentwurf zur Gentechnik in der Landwirtschaft vorgestellt. Die Behörde empfiehlt darin weitreichende Lockerungen für bestimmte mit Gentechnik gezüchtete Pflanzenarten und verweist dabei unter anderem auf mögliche Vorteile für den Klima- und Umweltschutz.

Der Gesetzestext sieht vor, dass Lebensmittel auf Basis gentechnisch veränderter Pflanzen in Zukunft nicht mehr gekennzeichnet werden müssen, wenn die Veränderungen auch natürlich oder durch konventionelle Züchtungen entstehen könnten. Konkret geht es um sogenannte Neue Genomische Verfahren (NGT), mit denen präzise Eingriffe an der DNA einer Pflanze möglich sind.

Die Kommission erhofft sich durch NGT-Verfahren neue Pflanzensorten, die sich besser an klimatische Veränderungen anpassen können, weniger Wasser benötigen oder resistenter gegenüber Krankheiten sind. Zudem sollen schneller neue Sorten auf den Markt kommen. Strengere Regeln sind hingegen weiterhin für Pflanzen vorgesehen, die komplexer genetisch bearbeitet worden sind und nicht mehr gleichzusetzen sind mit konventionellen Züchtungen. Sie müssen gekennzeichnet und einer Risikobewertung unterzogen werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke kritisierte den Vorschlag umgehend. Sie halte es für "falsch", wenn "große Mengen an gentechnisch veränderten Pflanzen ohne vorherige Risikoprüfung und ohne Kennzeichnung für die Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Äcker und damit letztlich in die Supermärkte gebracht werden". Lemkes Kabinettskollegin, Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, erklärte, dass sie ihrem Ressort nicht auf Gentechnik setze. "Die Gentechnik hat in ihrer Geschichte noch keinen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherung geleistet", erklärte sie auf Twitter.

Auch dem Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Martin Häusling, gehen die Lockerungen zu weit: "Die sogenannte neue Gentechnik ist und bleibt eine Risikotechnologie mit ungewissem Ausgang", erklärte er. Sie müsse sich einem strengen Zulassungsprozedere unterziehen. "Das ist für die EU eine Zäsur und der gefährliche Abschied vom lange gelebten Vorsorgeprinzip", kritisierte der Präsident des Biobauernverbandes Bioland, Jan Plagge. Verbraucherinnen und Verbrauchern würden so die Augen verbunden, während Saatgut-Konzerne von den Lockerungen profitierten.

Bundesforschungsministerin begrüßt den Vorschlag

Lob für den "pragmatischen Vorschlag der Kommission" gab es hingegen vom Deutschen Bauernverband, der die konventionelle Landwirtschaft vertritt. "Mit den neuen Techniken können züchterische Innovationen schneller in der Praxis ankommen." Durch eine effektivere Züchtung könne auch der Einsatz klassischer Pflanzenschutzmittel reduziert werden. Auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger begrüßt den Vorschlag. Der gehe ihrer Meinung nach in die richtige Richtung. So könne man es sich nicht leisten, auf die Errungenschaften der neuen Techniken zu verzichten. Größere Ernteerträge oder hitzetolerantere Pflanzen seien dadurch schnell und mit kleinerem Aufwand als bisher möglich. Diese Chance müsse man jetzt ergreifen, sagte Stark-Watzinger.

Kritik von mehreren Seiten gab es an bisher fehlenden Lösungen für Patentfragen. So gut wie alle NGT-Pflanzen seien patentiert, erklärte die österreichische Umweltorganisation Global 2000: "Die EU-Kommission ignoriert die enge Verstrickung von Patenten und neuer Gentechnik und spielt damit globalen Saatgutkonzernen in die Hände". Der Kommission sei bewusst, dass ein ausgewogener Rahmen geschaffen werden müsse, der Landwirten und Züchtern den Zugang zu patentierten Verfahren erleichtere, hieß es aus Brüssel. Die Behörde werde daher im Rahmen einer "breiteren Marktanalyse" die Auswirkungen der Patentierung auf die Pflanzenzüchtung prüfen.

Ausgenommen sind laut EU-Gesetzentwurf die Biolandwirtschaft. Dort soll der Einsatz von NGT-Pflanzen auch in Zukunft verboten bleiben. Genmodifiziertes Saatgut soll gekennzeichnet werden, zudem soll ein Register mit allen NGT-Produkten entstehen. Das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen den Vorschlag jetzt diskutieren und Kompromisse finden.

Die EU-Kommission legte darüber hinaus einen Gesetzentwurf zur Bodengesundheit vor, der die Rechtsbasis für eine stärkere Überwachung durch die Mitgliedstaaten schaffen soll. Rund 60 Prozent aller Böden in der EU seien verunreinigt, erklärte die Kommission. Bis 2050 sollen sie wiederhergestellt sein. Zudem will die Brüsseler Behörde Textil- und Lebensmittelabfälle reduzieren. Damit Textilien nicht mehr im Hausmüll landen, sollen Hersteller bei den Kosten stärker in die Pflicht genommen werden. Außerdem empfahl die Kommission den Mitgliedstaaten, Lebensmittelabfälle pro Kopf um 30 Prozent bis 2030 zu reduzieren.

Quelle: ntv.de, tkr/AFP

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