Ungarn will pro Gigabyte kassieren EU nennt Internetsteuer "inakzeptabel"
28.10.2014, 19:07 Uhr
Eine riesige Abschlusskundgebung gab es auf dem Budapester Heldenplatz.
(Foto: imago/EST&OST)
Ungarn will am Datenverkehr seiner Bürger mitverdienen, was Zehntausende Menschen auf die Straße treibt. EU-Digitalkommissarin Kroes nennt das Vorhaben "inakzeptabel". Die Digitalwirtschaft sei für Europa die wichtigste Versicherung gegen eine Rezession.
Die EU-Kommission hat die von Ungarns Regierung geplante Internetsteuer als inakzeptabel bezeichnet. "Es ist nicht hinnehmbar, Menschen mit Hilfe von Steuern vom Internet auszuschließen", sagte ein Sprecher von EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes. Die Einführung sei der nächste Schritt in einer Serie von beunruhigenden Entscheidungen der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban. In einem globalen Medium wie dem Internet könne eine solche nationale Abgabe zudem nicht funktionieren.
Das ungarische Parlament debattierte die Pläne zur umstrittenen Internetsteuer. Die Abgabe, die im Steuergesetzespaket für 2015 enthalten ist, hatte in Ungarn massive Proteste ausgelöst. Die neue Abgabe sieht die Belastung des Datenverkehrs im Internet mit 150 Forint (0,49 Euro) pro angefangenem Gigabyte vor. Zugleich wurde eine - vom Datenverkehr unabhängige - monatliche Obergrenze von 700 Forint für Privatpersonen und 5000 Forint für Firmenkunden festgelegt. Die Steuer muss von den Internetdienstleistern festgestellt, deklariert und abgeführt werden. Die Zahlungen sowie die Kosten des Verwaltungsmehraufwands könnten die Provider auf die Kunden abwälzen, befürchten Experten.
"Jeder muss sich beteiligen"
Die Debatte im Budapester Parlament eröffnete der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Andras Tallai. In seiner Rede zu den Steuergesetzen erwähnte er die umstrittene Internet-Abgabe nur am Rande. "Jeder wirtschaftliche Akteur muss sich an der Lastenverteilung beteiligen", sagte er. Redner der Opposition kritisierten die geplante Steuer. Erzsebet Schmuck von der Öko-Partei LMP bezeichnete sie als "unannehmbar", zumal der "digitale Analphabetismus in Ungarn immer noch weit verbreitet ist".
Ähnlich argumentierte auch der Sprecher von EU-Kommissarin Kroes in Brüssel. Ungarn schneide bei digitalen Indikatoren wie dem Zugang zum Internet und dem Breitbandausbau ohnehin schlecht ab. "Die digitale Sparte der Wirtschaft ist momentan aber wahrscheinlich der Hauptantriebsfaktor, der Europa vor einer Rezession bewahrt." Auch deshalb sei die Einführung der Steuer eine "schlechte Idee". Kroes werde die Proteste dagegen weiterhin unterstützen. Am Sonntag hatten in Budapest mehr als Zehntausende Menschen gegen die Internetsteuer demonstriert. Sie hatten die Zurücknahme der entsprechenden Gesetzesvorlage verlangt.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/AFP