Politik

Drei Milliarden Euro fast sicher EU schüttet Geld und Nachsicht nach Ankara

Jean-Claude Juncker vor dem Europaparlament in Straßburg.

Jean-Claude Juncker vor dem Europaparlament in Straßburg.

(Foto: REUTERS)

Ermächtigungen für die Polizei, Verbote von Versammlungen, ein harter Kurs gegen Kurden, Druck auf Journalisten: Die Türkei entwickelt sich in eine bedenkliche Richtung. Doch die EU will von diesem Gedöns derzeit nichts wissen.

Es ist normalerweise nicht die Art Jean-Claude Junckers, Menschenrechte und Pressefreiheit als Nebensächlichkeiten abzutun. Doch im Zuge der Flüchtlingskrise macht er genau das. Es gebe "ungelöste Fragen" im Verhältnis zur Türkei, sagt er vor dem Europaparlament. Doch anstatt aufzuzählen, welche Zeitungen von der Regierung dort zensiert werden, wie politische Gegner eingesperrt werden und wie friedliche Versammlungen gewaltsam aufgelöst werden, sagt Juncker, derzeit bringe es nichts, über "Menschenrechte, Pressefreiheit und so weiter und so fort" zu sprechen. Denn die Türkei sei bereit, dafür zu sorgen, dass die Flüchtlinge im Land bleiben.

Jahrelang hat sich das Verhältnis zwischen EU und Türkei in die entgegengesetzte Richtung entwickelt: Die autokratische Weise, in der Recep Tayyip Erdoğan das Land elf Jahre als Ministerpräsident regierte, hatte die Perspektive, dass die Türkei einmal EU-Mitglied werden könnte, praktisch zunichte gemacht. Jahr für Jahr stellten die Fortschrittsberichte der EU fest, dass die Türkei immer schlechter zur EU passt. Nun wird die Kritik innerhalb weniger Wochen zurückgenommen.

Dabei stand der nächste, wieder kritische, Fortschrittsbericht gerade an. Die EU-Kommission stellt im Entwurf für diesen Bericht "eine deutliche Verlangsamung des Reformprozesses in der Türkei" fest. Im Bereich Rechtsstaatlichkeit hat die Türkei demnach neue Gesetze verabschiedet, die gegen europäische Standards verstoßen.

Zugeständnisse wo es nur geht

Aufgeführt wird laut "Süddeutscher Zeitung" ein neues Sicherheitsgesetz, das die Befugnisse der Polizei bei Festnahmen, Durchsuchungen und Schusswaffengebrauch erweitere und im Kampf gegen die PKK zur Anwendung komme. Außerdem hat die Türkei den Friedensprozess mit der PKK abgebrochen. Auch auf anderen Feldern gibt die Türkei ein schlechtes Bild ab: Der Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität ist eingeschlafen, die Versammlungsfreiheit wird weiter eingeschränkt.

All das soll nun aber nicht veröffentlich werden, zumindest nicht vor der Wahl in der Türkei, die am 1. November stattfindet. Das wirkt so, als ob die EU ihre Prinzipen beiseitelegt, weil sie sich von der Türkei Unterstützung erhofft. Und mehr noch: Dass sie den Wahltermin berücksichtigt, wirkt wie eine Wahlkampfhilfe für Erdoğan und seine AKP.

Juncker versucht nicht, diesen Eindruck zu korrigieren. "Ob es uns passt oder nicht passt, ob es uns gefällt oder nicht gefällt: Wir müssen mit der Türkei zusammenarbeiten", so Juncker.

Die drei Milliarden Euro, die der türkische Ministerpräsident Ahmed Davutoğlu gefordert hat, sind offenbar schon akzeptiert: "Die Türkei braucht drei Milliarden Euro", sagt Juncker. Und zwar zusätzlich zu den 2,3 Milliarden, die ihr im September versprochen worden waren. Auch die weiteren Forderungen will Juncker erfüllen, vor allem eine Liberalisierung in Visa-Fragen und eine Dynamisierung der EU-Beitrittsgespräche. Von den großen Fraktionen bekam er dafür keinen Widerspruch. Das Europaparlament wird also wohl gar nicht erst versuchen, den Kurs von Junckers EU-Kommission zu blockieren.

Quelle: ntv.de

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