Politik

"Die Abschottung muss aufhören" EU sucht Masterplan gegen den Tod

Die Finger eines Flüchtlings im Übergangslager auf der italienischen Insel Lampedusa.

Die Finger eines Flüchtlings im Übergangslager auf der italienischen Insel Lampedusa.

(Foto: dpa)

Vor dem Sondergipfel zu den Mittelmeerflüchtlingen sammeln Politiker in Europa Ideen gegen die Misere: Sofortmaßnahmen sind das eine, mittelfristige Ansätze das andere - Außenstellen in Nordafrika etwa, oder wirtschaftliche Unterstützung für die Herkunftsländer.

Im Mittelmeer ertrinken Menschen, die sich nach einem besseren Leben in Europa sehnen, und die Europäische Union macht nichts oder zu wenig dagegen - dies ist der Tenor vor dem Sondergipfel der EU. Am Donnerstag wollen Vertreter der Mitgliedsländer weitere Details besprechen, wie der tödlichen Flüchtlingsmisere an den Außengrenzen begegnet werden kann.

imago_st_0420_19550034_54991810.jpg3371980664810710862.jpg

(Foto: imago stock&people)

Vizekanzler Sigmar Gabriel mahnt im Vorgriff auf das Treffen die Europäische Union zu einem gemeinsamen Kraftakt, um die Flüchtlingstragödie zu stoppen. "Die Staats- und Regierungschefs müssen am Donnerstag die gleiche Entschlossenheit zeigen, die sie bei der Bewältigung der Finanzkrise demonstriert haben", sagte der SPD-Vorsitzende. "Die menschliche Katastrophe auf dem Mittelmeer ist eine Angelegenheit von ganz Europa, nicht nur moralisch, sondern auch politisch."

Nach dem jüngsten Drama vor der libyschen Küste, bei dem nach UN-Angaben etwa 800 Menschen ertranken, haben die EU-Außen- und Innenminister als Konsequenz zunächst einen Zehn-Punkte-Plan beschlossen, der unter anderem eine Ausweitung der Seenotrettung und die Zerstörung von Schlepperbooten vorsieht. Die Mittel für die EU-Programme Triton und Poseidon sollen verdoppelt, der Einsatz von mehr Schiffen ermöglicht werden.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen beklagt jedoch eine fehlende Solidarität in Europa. Die EU-Staaten seien ihrer Verantwortung bisher nicht gerecht geworden, kritisierte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag im Deutschlandfunk. "Die Europäer insgesamt haben nur einen Bruchteil von dem getan, was eine europäische Nation, die Italiener, über ein Jahr getan hat", fügte er mit Blick auf die eingestellte Seenotrettungsmission Mare Nostrum hinzu. In Europa gebe es eine "Krise der Solidarität". Das müsse sich ändern.

Röttgens Kritik deutet darauf hin, welche Diskussion teilweise schon im Gange ist und die spätestens nach den Sofortmaßnahmen in den Vordergrund rücken wird: Die der allgemeine Flüchtlingspolitik der EU und ihrer Neugestaltung.

"Abschottung muss aufhören"

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sieht das ähnlich, er verlangt ein EU-Gesamtkonzept zur Rettung, Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge. "Wenn es eine Gemeinschaftsaufgabe der Europäischen Union gibt, dann doch jetzt diese." Akut sieht er einen Finanzierungsbedarf von zehn Milliarden Euro gefordert. "Mit dem Geld müssen wir in den Fluchtländern konkret handeln. Und zwar mit einem Wirtschafts- und Stabilisierungsprogramm", sagte Müller der "Saarbrücker Zeitung".

Eine besondere Aufmerksamkeit müsse sich dabei auf Libyen richten. "Die EU muss einen Sondergesandten entsenden zur Unterstützung der UN-Initiative vor Ort", sagte Müller. Notwendig seien eine diplomatische Offensive zur Befriedung des Landes, aber auch der Aufbau von staatlichen Strukturen und die Bekämpfung der Schleuserbanden.

Einen weiter gefassten konkreten Ansatz schlägt bereits der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, vor. Der SPD-Politiker fordert die Schaffung legaler Fluchtwege aus den Krisenregionen in die EU. "Die europäische Politik der Abschottung muss aufhören", sagte Strässer in der ARD. Er forderte eine Diskussion darüber, "dass wir in den Auslandsvertretungen der EU Möglichkeiten schaffen, Papiere auszustellen, damit die Leute nach Europa kommen und dort ihre Verfahren betreiben".

Darauf hätten die Flüchtlinge einen Anspruch, sagte der SPD-Politiker, "und da müssen wir die Wege für schaffen". Das sei die kurzfristige "Kernaufgabe" angesichts der Flüchtlingstragödien im Mittelmeer.

Solange es keine legalen Möglichkeiten für die Flüchtlinge aus den Krisenregionen gebe, nach Europa zu kommen, würden sie gezwungen, sich mit Schlepperbanden zu organisieren, um über das Mittelmeer zu kommen.

Quelle: ntv.de, rpe/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen