Politik

"Hart aber fair" zum Coronavirus Einfach mal ordentlich aufklären

Plasbergs Gäste: Alexander Kekulé, Karl-Josef Laumann, Susanne Johna und Borwin Bandelow (v.l.).

Plasbergs Gäste: Alexander Kekulé, Karl-Josef Laumann, Susanne Johna und Borwin Bandelow (v.l.).

Kann ich mich in Bus und Bahn noch ohne schlechtes Gewissen festhalten, wie lange hält sich das Coronavirus im Freien - und werden wir alle sterben? Je mehr über das Coronavirus gesagt und geschrieben wird, desto wilder sprießen die Gerüchte. Zeit, mal aufzuräumen.

169 Menschen in Deutschland sind zurzeit am Coronavirus erkrankt oder besser: waren es. Denn die Zahlen sind aus der Nacht zum Dienstag und damit wahrscheinlich schon längst wieder überholt, weil momentan fast stündlich neue Zahlen eintrudeln und einen neuen Höchststand verkünden. Und während prestigeträchtige Großveranstaltungen wie die Handwerkermesse IHM oder die Tourismusmesse ITB aus Corona-Angst abgesagt wurden und Medien je nach Seriositätsanspruch entweder vor Panik und Hamsterkäufen warnen oder genau das Gegenteil mit aufmerksamkeitsheischenden Schlagzeilen erzielen, fragen sich die Menschen zu Recht: Wie gefährlich ist das Coronavirus?

Bei "Hart aber fair" will man am Montagabend diese Frage klären, das zweistündige Spezialformat ist diesmal als Orientierungssendung zum Thema gedacht. Das heißt, dass sich Moderator Frank Plasberg eher als Stichwortgeber und Erklärbär für seine Gäste denn als Streitschlichter versteht - was dem Format tatsächlich ziemlich gut bekommt. Mit dem Virologen Alexander Kekulé, der Krankenhaushygienikerin Susanne Johna und Professor Borwin Bandelow, einem Experten für Angststörungen, stehen fast ausschließlich gut informierte Experten Rede und Antwort. Der einzige Politiker in der Runde ist der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann von der CDU.

"Kein Grund zur Panik"

Und der muss sich in dieser Runde natürlich stellvertretend für seine Kollegen Fragen zu den Unzulänglichkeiten anhören, die der Ausbruch der Corona-Epidemie in Deutschland zutage gefördert hat: Wie es denn sein könne, dass jetzt bereits Schutzmasken und -kleidung zur Mangelware würden? "Das finde ich einfach nur blamabel", sagt Laumann frei heraus, bittet aber um eine Vertagung der Diskussion. Man dürfe in einer Krise nie eine große Systemdebatte anfangen, "sonst wird es noch schlimmer". Aber man sollte "einen Zettel parat haben und die Dinge aufschreiben, damit so etwas einfach nicht mehr passiert".

In die gleiche Kerbe schlägt Susanne Johna, die neben ihrer medizinischen Tätigkeit auch noch der Ärztegewerkschaft Marburger Bund vorsteht: "Wir sehen hier die Auswirkungen eines Gesundheitssystems, das seit Jahren nur auf Effizienz getrimmt ist." Einen Grund zur Panik gebe es trotzdem nicht, dafür sei das Coronavirus einfach nicht gefährlich genug, jedenfalls was den jetzigen Stand betrifft: Deshalb sei es "wichtig, die Situation täglich neu zu bewerten, weil sie sich jeden Tag neu darstellt".

Zur Bewertung einer Situation gehört aber zunächst mal, dass man sie einordnen kann - und hier hapert es trotz großer Bemühungen noch an Allgemeinwissen. Anscheinend gibt es zwischen Expertenwissen und gefährlichem Halbwissen momentan nicht allzu viel. "Da lachen wir Virologen zunächst mal", sagt etwa Professor Kekulé auf die Frage, wie lange sich Viren eigentlich im Freien halten könnten. Für Mediziner ist das Wissen darüber also etwas ähnlich Selbstverständliches wie für uns das Schuhebinden, aber "klar sind das Fragen, die die Bevölkerung interessieren: Ein paar Stunden, in geschlossenen Räumen maximal ein bis zwei Tage."

"So gut wie unmöglich"

Die Haltestange in der U-Bahn oder andere exponierte Ekelorte sind also ein kleinerer Risikofaktor, als man vermuten würde, und überhaupt: "Nach den schlimmsten Schätzungen würden in Deutschland momentan 5000 Personen mit Corona rumrennen", sagt Kekulé und legt die Latte damit ganz bewusst besonders hoch an. Und: "Einem von denen zu begegnen wäre auch nicht so schlimm, weil nur jeder zehnte Infizierte die Krankheit weitergibt." Die genaue Wahrscheinlichkeit einer Begegnung mitsamt Ansteckung muss am Ende des Tages ein Mathematiker ausrechnen, laut Kekulé ist es aber "so gut wie unmöglich, einem solchen zu begegnen".

Aufgeschrieben wirken die Sätze des Hallenser Virologen ganz schön nassforsch, in der Sendung tut die ruhige und abgeklärte Art des Arztes aber ihre Wirkung: Man möchte Kekulé glauben, auch wenn seine vielen Zahlen das Gefühl auf den ersten Blick nicht besser machen. Und das ist laut Angstforscher Borwin Bandelow auch kein Wunder, denn "Angst ist keine gute Ratgeberin, weil Angst keine gute Statistikerin ist". Und weil "man die Angst nicht einfach wegatmen oder grünen Tee dagegen trinken kann, muss man den Experten vertrauen", sagt Bandelow. Nach dieser informativen und gut gemachten Ausgabe sollte das den meisten Zuschauern gar nicht mal so schwerfallen.

Quelle: ntv.de

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