"Wer lässt so etwas zu?" Erdogan-Wahlplakate in Nürnberg sorgen für Kritik
01.05.2023, 05:07 Uhr Artikel anhören
Erdogan bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Türkei.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Bevor in der Türkei die Wahllokale öffnen, können bereits Türken in Deutschland ihre Stimme abgeben. Im Rahmen des Wahlkampfs genehmigt Nürnberg die Anbringung mehrere Erdogan-Plakate in der Stadt. Die Kritik folgt prompt.
Vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei am 14. Mai sind türkische Staatsbürger im Ausland zur Wahl aufgerufen - auch in Deutschland. In Nürnberg sorgen nun aufgehängte Erdogan-Plakate für Unverständnis. Auf dem Poster sieht man den türkischen Präsidenten mit einem Lächeln und der rechten Hand auf dem Herz. Dazu der Slogan: "Doğru Zaman, Doğru Adam" - "Die richtige Zeit, der richtige Mann".
Nach übereinstimmenden Medienberichten hingen die Plakate in mehreren Stadtteilen Nürnbergs. Die Stadt selbst teilte mit, dass aufgrund des Wahlkampfes 25 Plakate außerhalb der Altstadt im Rahmen einer Sondernutzung vom 22. April bis zum 5. Mai genehmigt worden seien.
"Wer lässt so etwas zu?", echauffierte sich der Grünen-Politiker Volker Beck auf Twitter. Gegenüber der "Bild"-Zeitung erklärte er: "2017 versprach der deutsche Innenminister, dass es so etwas nicht gibt. Jetzt findet es doch statt. Türkischer Wahlkampf hat auf unseren Straßen nichts verloren. Türkische Parteien genießen in Deutschland nicht das Parteienprivileg." Beck weiter: "Die deutsche Politik muss endlich aufwachen: Erdogan und AKP sind Antidemokraten. Wer sie unterstützt, vergiftet auch das politische Klima in Deutschland."
"Zynisch und höchst ignorant"
Kritik übte auch der Essener Politikwissenschaftler Burak Copur. Es sei "moralisch höchst verwerflich und eine Verhöhnung aller Opfer des Erdogan-Regimes, nun ständig sein Konterfei auf den Straßen von Nürnberg zu sehen", sagte Copur gegenüber der "Frankfurter Rundschau". Die Entscheidung der Behörden sei "zynisch und höchst ignorant".
In einem offenen Brief an den Nürnberger Oberbürgermeister forderte Copur das Abhängen der Plakate - "im Sinne des guten Rufs der Stadt". Nach Angaben des Grünen-Abgeordneten im bayerischen Landtag, Cemal Bozoglu, wurden die Wahlplakate noch am Sonntag entfernt. Warum, ist unklar.
Um an den Wahlen in der Türkei teilnehmen zu können, mussten sich in Deutschland lebende Türken zuvor in ein Wählerverzeichnis eintragen. Die Stimmabgabe ist in Bayern in Wahllokalen etwa in München, Nürnberg und Regensburg möglich. Bis zum 9. Mai können Wahlberechtigte abstimmen. Die Stimmzettel werden dann per Flugzeug in die Türkei gebracht.
In Bayern leben nach Angaben des Statistischen Landesamts rund 174.000 Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft. Bundesweit dürfen vor den Wahlen am 14. Mai rund 1,5 Millionen Menschen ihre Stimmen abgeben. Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu hat Umfragen zufolge gute Chancen, Erdogan nach 20 Jahren an der Macht zu schlagen. Wer die Mehrheit im Parlament mit seinen 600 Abgeordneten gewinnen wird, ist noch nicht absehbar.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa