"Erdrutschartiger Absturz" droht Finanzminister muss Probleme erklären
06.03.2015, 12:04 Uhr
Finanzminister Lou Jiwei - "Erdrutschartigen Abschwung vermeiden"
(Foto: REUTERS)
3000 Delegierte stimmen in Peking derzeit die künftigen Linien der Politik ab. Überraschend offen benennt die Regierung - in kleiner Runde - die Probleme. Maues Wachstum, Haushaltsloch und steigende Schulden.
Mit ungewohnt drastischen Worten äußert sich die chinesische Führung zu den Wirtschaftsproblemen im Land. "Wir müssen einen erdrutschartigen Abschwung vermeiden", sagte Finanzminister Lou Jiwei. Dazu will Peking die Staatsausgaben deutlich hochfahren. Auch die Schuldenlasst der Kommunen nimmt Peking stärker in de Fokus. Für Stellen deutete die Regierung finanzielle Engpässe an. Erst in dieser Woche hatte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ihre Wachstumsprognose gesenkt - und zwar auf den tiefsten Stand seit einem Vierteljahrhundert. Das alles kommt genau genommen zur Unzeit.
Denn nach zwei Jahren im Amt setzt sich Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ein ideologisches Denkmal. Er will seinen "chinesischen Traum" mit den "vier umfassenden Grundsätzen" verwirklichen. Seit zwei Wochen überschlägt sich Chinas kommunistische Propaganda in Vorbereitung des derzeit tagenden Volkskongresses: Seine Theorie sei "beispiellos" und "ein strategischer Sprung nach vorne" - nichts weniger als ein "großer Durchbruch".
Defizit steigt
Bei Finanzminister Lou Jiwei klingt dies derweil etwas: So werde das Defizit stärker zulegen als im Haushaltsentwurf vorgesehen. Der Ressortchef sprach von einer gemäßigt expansiven Haushaltspolitik. Erst am Vortag war aus dem Haushaltsentwurf hervorgegangen, dass die Regierung mit einem Defizit von 2,3 Prozent der Wirtschaftsleistung rechnet. Das wären bereits 0,2 Punkte mehr als zuletzt. Nun aber rechnet der Finanzminister mit 2,7 Prozent. Immerhin - in der Eurozone würde das Land damit locker die Maatsricht-Kriterien erfüllen, die ein Defizit von drei Prozent erlauben.
Der Grund seien neue Kalkulationsmethoden nach dem Haushaltsgesetz, das im Januar in Kraft getreten sei. Danach könnten auch Mittel der Zentralregierung, die Kommunen 2014 nicht gebraucht hätten, zurückgenommen und in diesem Jahr ausgegeben werden. Zusätzlich werde die Regierung neue Schulden aufnehmen, um alte Verpflichtungen zu erfüllen.
86 Milliarden Euro neue Kredite - 2,6 Billionen Euro Schulden
Die hohe Schuldenlast der Kommunen sei aber im Griff, beteuerte der Finanzminister. "Generell kann die lokale Verschuldung kontrolliert werden, aber an einigen Orten ist sie vergleichsweise hoch." Er bezifferte die neue Schuldenaufnahme lokaler Stellen in diesem Jahr auf 600 Milliarden Yuan (heute umgerechnet 86 Milliarden Euro).
"Wir arbeiten daran, systemische Risiken zu vermeiden", sagte Lou Jiwei. So gebe es Übergangslösungen, um lokale Stellen wieder flüssig zu machen. Auch sollten mehr private Finanzkanäle geöffnet werden. Nach den letzten Erhebungen der Regierung wurde die Schuldenlast der Kommunen im Juni 2013 auf 17,9 Billionen Yuan (heute umgerechnet 2,59 Billionen Euro) beziffert. Neuere Berechnungen dauerten noch an, sagte Lou Jiwei.
Die Erhebung gestaltet sich offenbar schwierig. Der Minister wies darauf hin, dass einige Kommunen ihre Verbindlichkeiten auch übertrieben hätten, um mehr Unterstützung von der Zentralregierung zu bekommen. Auf der anderen Seite wiesen ausländische Experten darauf hin, dass kommunale Schulden manchmal gar nicht in den Büchern auftauchten, so dass die Kreditbelastung höher sein könnte.
Wegen der Konjunkturschwäche hat die Regierung ihr Wachstumsziel für dieses Jahr auf "etwa sieben Prozent" heruntergeschraubt. Das wäre der niedrigste Stand seit 25 Jahren.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa