Hollande sei "Dank" Frankreichs Linke auf verlorenem Posten
17.12.2016, 16:33 Uhr
Manuel Valls ist der Favorit bei den Sozialisten.
(Foto: REUTERS)
Manuel Valls wird wohl sozialistischer Kandidat für die Präsidentenwahl. Chancen hat er so gut wie keine. Überhaupt präsentiert sich Frankreichs Linke uneinig wie lange nicht mehr - ein Ergebnis der Präsidentschaft von François Hollande.
Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto ziehen wohl Frankreichs Sozialisten in den bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampf. Obwohl der amtierende Staatschef François Hollande in Anbetracht seines miserablen Ansehens in der Bevölkerung auf eine Wiederkandidatur verzichtet, sind die Chancen für die Roten, in den kommenden fünf Jahren im Élysée-Palast erneut den Hausherrn zu stellen, denkbar schlecht. Zu zerstritten ist das linke Lager insgesamt, der ehemalige Premierminister Manuel Valls, Liebling des rechten Parteiflügels der Sozialisten, ist nicht in der Lage, die Truppen links der Mitte zu einen.
Während sich die Konservativen diesmal in ungewohnter Einigkeit hinter ihrem Kandidaten François Fillon versammeln und auch der extrem rechte Front National keinen Zweifel daran lässt, geschlossen hinter Marine Le Pen zu stehen, zerbröselt Frankreichs Linke regelrecht. Die linksliberale "Libération" bezeichnete sie kürzlich sogar als "Titanic-Linke". "Es ist eine Situation, in der sich niemand mehr zurechtfindet", klagt Sozialisten-Chef Jean-Christophe Cambadélis. Kurzum: Frankreichs Linke sucht verzweifelt nach einer Strategie vor allem gegen Le Pen, die mit ihrem rechtspopulistischen Kurs die Benachteiligten anspricht und damit auch auf linkem Terrain wildert.
Hollande zum Verzicht gedrängt
Das größte Problem für die Parti socialiste (PS), der Hauptkraft des linken Lagers, ist aber ihre innere Zerrissenheit. Der lange Zeit schwelende Machtkampf zwischen dem gescheiterten Präsidenten Hollande und dessen Regierungschef Valls wirkt nach. Valls hat durch die Blume deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich unter den gegebenen Bedingungen für den besseren Kandidaten hält. Er drängte Hollande zum Schluss auch öffentlich zum Verzicht auf eine weitere Kandidatur - immer mit dem Hinweis, nicht gegen den amtierenden Staatschef antreten zu wollen. "Wenn der Präsident denkt, ich würde für ihn Wahlplakate kleben, dann hat er sich getäuscht", zitierten Vertraute den ungeduldigen Valls. Das muss er nun nicht mehr, denn der schwache und glücklose Hollande machte den Weg für seinen Premier frei.

Valls wollte nicht, dass Francois Hollande noch einmal antritt. Der Staatschef tat ihm den Gefallen.
(Foto: dpa)
Dabei mögen die Sozialisten machthungrige Politiker wie Valls überhaupt nicht. In der Tat ist der in Barcelona geborene 54-Jährige äußerst ehrgeizig. Arbeitsmarkt- und innenpolitisch gilt er als Hardliner - zum Leidwesen des linken PS-Flügels. So arbeitet er an der Aufweichung der 35-Stunden-Woche und gibt sich unternehmerfreundlich. Valls schwebt eine Art Agenda 2010 vor, die der Sozialdemokrat Gerhard Schröder in Deutschland gegen alle Widerstände durchgeboxt hatte.
Um gegen Le Pen und den neoliberalen Fillon von den Republikanern im ersten Wahlgang nicht ganz schlecht dazustehen, wird Valls versuchen, sich als Reformer zu präsentieren. Sein Manko: Bei vielen Franzosen gilt auch er wie Hollande als irgendwie abgewirtschaftet, hat doch seine Regierung im Kampf gegen die in Frankreich grassierende Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise nicht viel vorzuweisen. In Valls' Wahlkampf wird Hollande als Sündenbock herhalten müssen. Doch so ein Kurs beschädigt auch die Partei, zumal sich der Kandidat weniger als Sozialist, sondern mehr als Sozialdemokrat sieht.
Frischer Wind mit Macron
Aber Valls pfeift laut im dunklen Wald: "Man sagt uns, dass die Linke keine Chance hat. Aber nichts ist geschrieben." Bei der Vorwahl der Sozialisten am 22. Januar wird er wohl vorne liegen, vielleicht bleibt dem Ex-Premier gar ein zweiter Wahlgang eine Woche später erspart. Der ehemalige Wirtschafts- und Industrieminister Arnaud Montebourg kommt in den Prognosen deutlich schlechter weg als Valls. Dem eigenwilligen Querdenker fehlt es an innerparteilichem Rückhalt. Der Dritte im Bunde der PS-Kandidaten, Ex-Bildungsminister Benoît Hamon, der mit klassischen linken Thesen aufwartet und sich als eine Art französischer Bernie Sanders sieht, ist gegen Valls und Montebourg chancenlos.
Es sind nicht die innerparteilichen Konkurrenten, sondern zwei andere linke Kandidaten, die Valls bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl wehtun werden: Emmanuel Macron und Jean-Luc Mélenchon, die in Umfragen knapp vor ihm liegen. Vor allem Macron, dessen wirtschaftliches Programm dem von Valls gar nicht so unähnlich ist, präsentiert sich als Anti-System-Kandidat. Die jugendliche Frische des 38-jährigen ehemaligen Investmentbankers, der mit seiner 24 Jahre älteren ehemaligen Französischlehrerin Brigitte Trogneux verheiratet ist, könnte viele Franzosen für ihn einnehmen.
"Merkel in den Müll"
Anders als Valls ging der ehemalige Sozialist Präsident Hollande als Wirtschaftsminister früher von der Fahne, um sich als parteiloser Kandidat zu empfehlen. In der PS gilt Macron deshalb als Verräter. Er argumentiert allerdings, zu diesem Schritt gezwungen worden zu sein, weil unter Hollande und Valls keine liberale Wirtschaftspolitik durchsetzbar war. Hinter Macron steht die von ihm gegründet Bewegung "En marche", die er weder im linken, noch im rechten Spektrum verortet.
Mélenchon hat seine Bewegung "La France insoumise" (Das widerspenstige Frankreich) im Rücken und setzt voll auf einen Anti-Merkel-Wahlkampf. Unterstützt wird der 64-Jährige auch von den Kommunisten. Mélenchon, der früher auch in der PS war, gibt sich auch widerspenstig und wettert gegen die EU-Schuldenpolitik und macht dafür die deutsche Bundeskanzlerin mit Sprüchen wie "Merkel in den Müll" verantwortlich.
Valls, Macron oder Mélenchon? Der Einzug in den Élysée wird wohl allen verwehrt bleiben. Dafür sind sie aber nicht alleine verantwortlich, sondern der noch amtierende präsidiale Zauderer. François Hollandes fünfjährige erfolglose Regierungszeit ist ein schwerer Klotz am Bein eines jeden linken Präsidentschaftskandidaten.
Quelle: ntv.de