"Habe da keine Zweifel" Gabriel: 500.000 Flüchtlinge sind möglich
08.09.2015, 06:49 Uhr
Auf dem Erfurter Messegelände sind die ersten Flüchtlinge eingetroffen. Die Messe bereitet sich auf die Unterbringung von bis zu 600 Migranten vor.
(Foto: dpa)
SPD-Chef Gabriel stimmt die Bürger in Deutschland auf anhaltend hohe Flüchtlingszahlen ein. Jährlich eine halbe Million seien machbar. Die UN gehen davon aus, dass die Zahl der aus Syrien flüchtenden Menschen noch einmal drastisch steigen könnte.
Vizekanzler Sigmar Gabriel hält es für verkraftbar, dass Deutschland auch in den nächsten Jahren in großem Stil Flüchtlinge aufnimmt. "Ich glaube, dass wir mit einer Größenordnung von einer halben Million für einige Jahre sicherlich klarkämen", sagte der SPD-Chef im ZDF. "Ich habe da keine Zweifel - vielleicht auch mehr."
Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr mit rund 800.000 Flüchtlingen in Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel empfängt heute den schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven in Berlin. Schweden gehört nach Deutschland zu den Ländern, die in Europa derzeit die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Ebenso wie Merkel fordert auch Löfven für die EU eine verbindliche Quote, wie die Flüchtlinge auf die 28 Mitgliedsstaaten verteilt werden.
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Nach Ansicht des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura könnte die Zahl der aus Syrien flüchtenden Menschen noch einmal drastisch steigen. Sollte sich der Bürgerkrieg auf das Gebiet der bislang weitgehend vom Konflikt verschont gebliebenen Mittelmeerstadt Latakia ausweiten, sei mit bis zu einer Million zusätzlichen Flüchtlingen zu rechnen, sagte der Diplomat in Brüssel. Die meisten von ihnen würden wohl versuchen, mit Booten über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Zudem könne ein weiterer Vormarsch der Terrormiliz Islamischer Staat die Fluchtbewegungen verstärken, sagte de Mistura: "Die Tendenz ist besorgniserregend."
Militärbischof: Bundeswehr soll sich beteiligen
Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink forderte militärisch gesicherte Schutzzonen für Flüchtlinge in Syrien unter dem Dach der Vereinten Nationen - und unter Beteiligung der Bundeswehr. "Es wäre sehr gut, wenn es in Syrien Schutz- und Pufferzonen unter militärischer Absicherung durch UN-Kräfte gäbe. Bei einem entsprechenden UN-Mandat wäre die Bundesrepublik geradezu verpflichtet, die Bundeswehr daran zu beteiligen", sagte Rink der "Welt".
Rink, seit einem Jahr der erste hauptamtliche Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, hält auch im Innern ein stärkeres Engagement der Bundeswehr in der Flüchtlingskrise für möglich: "Es kann sein, dass in der Flüchtlingssituation der Punkt kommt, an dem auch die Unterstützung durch die Landeskommandos der Bundeswehr gebraucht wird", sagte er. Zwar müsse man "erst einmal daran festhalten, dass die Bundeswehr nach außen hin für die Landes- und Bündnisverteidigung zuständig ist". Doch im Prinzip sei die Truppe darauf eingestellt, im Not- und Katastrophenfall im Innern zu helfen.
Brasilien und Venezuela nehmen Flüchtlinge auf
Auch das weit entfernte Südamerika lässt die Massenflucht aus Syrien nicht kalt. Die brasilianische Staatschefin Dilma Rousseff sagte anlässlich des Nationalfeiertags, Brasilien nehme syrische Flüchtlinge in diesen Krisenzeiten "mit offenen Armen" auf. Ihr Land sei bereit, "diejenigen zu empfangen, die - aus ihrem Heimatland vertrieben - hier leben, arbeiten und zum Wohlstand und Frieden Brasiliens beitragen wollen".
Brasilien ist mit 2000 Syrern das lateinamerikanische Land mit den bislang meisten Flüchtlingen, die seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien Anfang 2011 aus ihrer Heimat flohen. Dies geht auf erleichterte Einreisebedingungen für Syrer zurück, die seit zwei Jahren gelten. Das Justizministerium erklärte, die Regierung prüfe derzeit eine Verlängerung dieser Einreiseerleichterungen.
Auch Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro kündigte die Aufnahme von 20.000 syrischen Flüchtlingen an. Er habe Außenministerin Delcy Rodríguez mit dieser Aufgabe betraut, sagte Maduro bei einer Kabinettssitzung in Caracas. "Ich möchte, dass 20.000 Syrer, syrische Familien in unser venezolanisches Vaterland kommen", sagte der sozialistische Staatschef. Schließlich gebe es in Venezuela bereits eine "große syrische Gemeinde".
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa