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Polizei verprügelt Demonstranten Georgiens Pro-Putin-Partei steckt in der Sackgasse

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Auf eine Welle des Protests in georgischen Städten folgte eine Welle der Gewalt.

Auf eine Welle des Protests in georgischen Städten folgte eine Welle der Gewalt.

(Foto: AP)

Die Georgier streben in die EU, aber ihre Regierung will weiter mit Moskau zusammenarbeiten. Dafür schlägt sie Aufstände blutig nieder. Das Regime fühlt sich in die Ecke gedrängt. Seinen Strippenzieher Iwanischwili könnten westliche Vertreter mit einem Angebot locken.

Vermummte Schlägertrupps verprügeln eine Journalistin und ihren Kameramann. Wasserwerfer vor dem Parlament spritzen chemische Substanzen in die Gesichter von Demonstranten. Polizisten treten auf Menschen ein, die schon am Boden liegen. Die Szenen aus Tiflis und anderen georgischen Städten zeigen, wie brutal die prorussische Regierungspartei "Georgischer Traum" gegen die Proteste im Land vorgeht. Die Georgier gehen auf die Straße, weil sie für einen Beitritt ihres Landes zur Europäischen Union kämpfen. Dadurch erzürnen sie das russlandfreundliche Regime.

Laut einer Umfrage des International Republican Institute vom April 2023 befürworten knapp 90 Prozent der Georgier einen künftigen EU-Beitritt ihres Landes. Die Fronten zwischen ihnen und ihrer Regierung, die Russlands Präsident Putin zugewandt ist, verhärten sich zunehmend. "Der Georgische Traum steht mit dem Rücken zur Wand. Er fühlt sich in die Ecke gedrängt und sieht keinen Ausweg mehr", sagt Stephan Malerius, der Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tiflis, ntv.de.

Laut Malerius gab es drei Etappen auf dem Weg des Regimes in die Sackgasse, in der sie sich nun befindet.

Die erste begann mit der Parlamentswahl am 26. Oktober, deren Ergebnis mehreren unabhängigen Berichten zufolge gefälscht war. Der "Georgische Traum" gewann sie denkbar knapp, angeblich mit 54 Prozent der Stimmen. Das Ergebnis wurde international nicht anerkannt, stattdessen eine Wiederholung der Wahl gefordert.

"Agentengesetz" stieß EU vor den Kopf

Darauf ist in einem zweiten Schritt das "unglückliche Aussetzen des EU-Annäherungsprozesses gefolgt", so Malerius. Die zuvor nur einzeln stattfindenden Proteste intensivierten sich ab dem 28. November. An diesem Donnerstag verabschiedete das Europaparlament eine Resolution, in der es Neuwahlen unter internationaler Beobachtung und Sanktionen gegen georgische Beamte forderte. Nur wenige Stunden später kündigte Georgiens Regierungschef Irakli Kobachidse den Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen bis 2028 an. Die Empörung der Bevölkerung führte zu den Protestwellen in vielen georgischen Städten, die bis heute anhält.

Den dritten und letzten Schritt hinein in die Sackgasse ging der "Georgische Traum" aus Malerius' Sicht durch die gewalttätige Reaktion auf die Proteste. Die verfahrene Situation, in der sich das Regime befindet, sieht Malerius als eine Chance für Gespräche mit westlichen Vertretern. Die wiederum könnten nicht nur die Freilassung der 300 politischen Gefangenen fordern, sondern auch die Wiederholung der Parlamentswahlen. Die Durchführung von freien und fairen Wahlen war eigentlich eine der Auflagen der EU, als Georgien 2023 den Kandidatenstatus verliehen bekam.

Brüssel musste jedoch nicht erst die gefälschten Parlamentswahlen im Herbst abwarten, um signalisiert zu bekommen, wie weit entfernt der "Georgische Traum" von der Entwicklung demokratischer Ideale war. Bereits im Juni hatte die EU sowohl die Beitrittsverhandlungen als auch die finanziellen Hilfen für das Land eingefroren. Grund dafür war eine georgische Novelle, die dem russischen "Agentengesetz" ähnelt. Demnach müssen sich Organisationen mit einem ausländischen Anteil von mehr als 20 Prozent als "die Interessen ausländischer Macht verfolgend" registrieren lassen. Die Demonstranten nennen die Regelung "russisches Gesetz". Sie befürchten, Kritiker sollen dadurch mundtot gemacht werden - genauso wie die sogenannten ausländischen Agenten in Russland.

Eine freie Wahl würde der "Georgische Traum" verlieren

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Wie aber sollen westliche Vertreter auf ein Regime zugehen, das illegitim ist und solche anti-demokratischen Gesetze erlässt? Malerius empfiehlt ihnen ein informelles Treffen. "Damit könnte man herausfinden, ob der Georgische Traum überhaupt gesprächsbereit ist. Das Problem bei der Forderung nach freien und fairen Wahlen ist, dass die Partei sie verlieren wird", sagt Malerius.

Die Führungsfiguren müssen deshalb Garantien bekommen, allen voran der Parteigründer Bidsina Iwanischwili. Der Oligarch ist der reichste Mann Georgiens. Malerius ist sich sicher: Iwanischwili geht es vor allem um seinen Machterhalt, weniger um die Fortführung guter Beziehungen zu Russland. Vor diesem Hintergrund könnte man ihn zum Beispiel mit einer Exit-Strategie locken. "Nach seiner Niederlage floh der syrische Machthaber Baschar al-Assad nach Moskau. Aber wo soll Iwanischwili hinfliegen? Darüber muss man mit ihm sprechen."

Quelle: ntv.de

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