Politik

Kurden warten auf "Milan"-Raketen Grüne monieren eiligen Waffen-Beschluss

Mit der Panzerabwehrrakete "Milan" sollen vermutlich die Peschmerga im Kampf gegen die Islamisten gerüstet werden.

Mit der Panzerabwehrrakete "Milan" sollen vermutlich die Peschmerga im Kampf gegen die Islamisten gerüstet werden.

(Foto: dpa)

Im Eiltempo entscheidet die Regierung: Die irakischen Kurden sollen im Kampf gegen IS-Terroristen deutsche Waffen erhalten. Doch im Bundestag fühlt sich mancher übergangen - nicht nur bei der Opposition. Nahost-Experte Lüders zeigt sich besorgt.

Die Bundesregierung hat entschieden: Wenn es sinnvoll ist, soll die Bundeswehr Waffen an die Kurden im Irak liefern. Eine Woche soll die Prüfung dauern, dann alles ganz schnell gehen. Doch die Zahl der kritischen Stimmen nimmt zu. Einige Parlamentarier bemängeln, dass die Volksvertretung im Falle der Militärhilfe lediglich über die Ausschüsse informiert werden soll. Und es gibt auch Fragen nach dem Sinn der Waffenlieferungen.

Der Nahost-Experte Michael Lüders kritisierte bei n-tv, dass es sich vor allem um "Symbolismus" handele. "Militärisch gesehen sind die Waffenlieferungen aus Deutschland nicht erforderlich", so Lüders. "Die Luftangriffe der USA sind sehr viel effizienter."

Zugleich warnte Lüders davor, dass die Waffen in falsche Hände geraten könnten: "Wo landen diese Waffen am Ende? Das kann niemand beantworten", sagte Lüders weiter. Außerdem sei es "nicht ohne Ironie", dass der BND auf der einen Seite die Türkei beobachte, um radikale Kurden unter Kontrolle zu bekommen, und gleichzeitig diesen Kurden im Norden des Irak Waffen liefere. "Das ist gelinde gesagt widersprüchlich", so Lüders bei n-tv.

n-tv sendet heute um 14.30 Uhr ein News Spezial zum Thema: "Wer stoppt die Terrormiliz?"

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Deutsche Waffen an Kurden - finden Sie das richtig?

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte eine Sondersitzung des Bundestages und eine Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel. Die Sondersitzung müsse noch vor einer endgültigen Entscheidung der Bundesregierung stattfinden, sagte Göring-Eckardt der "Süddeutschen Zeitung". Die Kanzlerin müsse zudem den "Paradigmenwechsel" in der deutschen Außenpolitik erklären. Bislang galt der Grundsatz, dass Deutschland keine Waffen in Konfliktgebiete liefert.

Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin geht sogar einen Schritt weiter und fordert, dass Waffenlieferungen ebenso wie Auslandseinsätze der Bundeswehr mandatiert werden müssen. Trittin schrieb in der "Rheinischen Post", er halte den Grundsatz "keine Waffen in Krisengebiete" weiterhin für richtig. "Die Lieferung von Waffen in Kriegs- und Krisengebiete hat regelmäßig mehr Schaden als Nutzen gestiftet." Bezogen auf die Lage im Nordirak bedürfe es vor allem einer großen humanitären Hilfsmission, massiver Entwicklungshilfe. "Niemand soll glauben, mit ein paar Waffen sei das Problem gelöst."

Lammert fordert parlamentarische Beratung

Auch der CDU-Abgeordnete und Bundestagspräsident, Norbert Lammert, mahnte eine ausreichende Beteiligung des Bundestags an. "Auch wenn es sich bei den möglichen Waffenlieferungen nicht um den Fall einer notwendigen Mandatierung durch den Bundestag nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz handelt, ist ihre politische Bedeutung doch so groß, dass eine parlamentarische Beratung geboten erscheint", sagte der CDU-Politiker "Spiegel Online".

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt reicht dagegen die Information der Ausschüsse. Der "Rheinischen Post" sagte sie: "Im Fall von Waffenlieferungen an die Kurden im Irak ist ein eigenes Bundestagsmandat meines Erachtens nicht erforderlich". Es sei richtig, dass die Bundesregierung einen Beitrag dazu leisten will, "die Barbarei der Terror-Miliz IS im Nordirak zu stoppen".

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, verteidigte ebenfalls die Waffenlieferungen. "Im Moment geht es schlicht um Notwehr", sagte er bei n-tv. "Es geht darum, zu verhindern, dass ein Völkermord passiert." Mit einem interreligiösen Dialog könne man die IS-Truppen mit Sicherheit nicht stoppen. Zugleich nannte Bosbach die geplanten Lieferungen keine Abkehr von der bisherigen Politik der Bundesregierung: "Das ist ein singuläres Ereignis", so der CDU-Politiker.

Stegner stellt sich gegen Parteilinie

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi erwartet nicht, dass das Thema Waffenexporte zur Zerreißprobe in ihrer Partei wird. "Ich glaube nicht, dass es hoch hergehen wird", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Ihr sei in dieser Debatte wichtig, dass man niemandem Leichtfertigkeit unterstelle, sagte sie unter Bezug auf kritische Äußerungen von Vertretern der SPD-Linken wie vom stellvertretenden Parteichef Ralf Stegner.

Der stellvertretende Parteichef Ralf Stegner hatte sich in der "Nordwest-Zeitung" gegen Waffenlieferungen ausgesprochen und damit gegen die Linie von Außenminister Frank-Walter Steinmeier gestellt. Er sagte: "100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs sollten wir wirklich nicht über militärische Tabubrüche reden." Mit diesen Worten bezog er sich auf eine Äußerung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie hatte der "Zeit" gesagt: "Wichtiger als die Frage, ob und welche Waffe wir am Ende liefern, ist die Bereitschaft, Tabus beiseite zu legen und offen zu diskutieren. An dieser Stelle sind wir gerade."

Militärexperte Thomas Wiegold machte bei n-tv klar, dass es nicht das erste Mal ist, "dass Deutschland Waffen in ein Kriegsgebiet liefert". So habe der Irak vor wenigen Jahren schon Kampfhubschrauber bekommen. Das Neue sei aber, dass "hier an einen nichtstaatlichen Akteur geliefert wird, an eine Miliz und nicht an eine Regierungsarmee, und dass Deutschland sich damit in einem laufenden Konflikt auf eine Seite stellt".

Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP/rts

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