Opfer der Supermarkt-Geiselnahme Heim nach Jerusalem
11.01.2015, 13:03 Uhr
Verwandte der Opfer trauern vor dem koscheren Supermarkt, in dem die Geiselnahme stattfand.
(Foto: AP)
Die Familien der jüdischen Opfer der Pariser Anschläge erwägen Beerdigungen in Jerusalem. In sozialen Netzwerken wird dies als Zeichen für die Juden Frankreichs gewertet. Die Regierung in Paris versucht derweil die jüdische Gemeinde zu trösten. Und zu halten.
Mindestens eines der vier jüdischen Opfer des Anschlags auf einen koscheren Supermarkt in Paris soll am Dienstag in Jerusalem beigesetzt werden. Der Vater von Joav Hattab (21) habe dies im Gespräch mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bestätigt, berichtete der israelische Rundfunk am Sonntag. Bei dem Vater Benjamin Hattab handele es sich um einen ranghohen Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Tunesien. Auch die Familien der drei weiteren jüdischen Opfer, Johan Cohen, Philippe Braham und François-Michel Saada, erwägen eine Beisetzung in Israel.
"Das ist ein Zeichen der Zeit für das französische Judentum", kommentierte der Präsident des Herzl Instituts in Jerusalem, Yoram Hazony, bei Twitter. Vor fast drei Jahren waren die Terroropfer an einer jüdischen Schule in der französischen Stadt Toulouse in Jerusalem beerdigt worden. Netanjahu forderte Juden in Frankreich angesichts der Terrorwelle in Paris zur Auswanderung nach Israel auf. "Jeder Jude, der nach Israel einwandern will, wird hier mit offenen Armen empfangen", sagte Netanjahu am Sonntag vor seiner Abreise nach Paris. Gemeinsam mit Außenminister Avigdor Lieberman und Wirtschaftsminister Naftali Bennett will er dort an einer Solidaritätsdemonstration teilnehmen. "Der radikale Islam bedroht die ganze Welt", betonte der Regierungschef.
Paris solidarisiert sich mit jüdischer Gemeinde
Premierminister Manuel Valls sprach den Juden in Frankreich seinen Trost aus und versicherte sie der Solidarität der Regierung. "Frankreich ohne Juden ist nicht mehr Frankreich", sagte Valls am Samstagabend bei einem Treffen des Rates jüdischer Institutionen in Frankreich (CRIF). Zugleich räumte er ein, dass die Juden in Frankreich seit vielen Jahren "Angst" hätten.
Staatspräsident François Hollande empfing am Sonntag im Élysée-Palast die Spitzenvertreter der jüdischen Gemeinde des Landes. Der Großrabbiner von Frankreich, Haïm Korsia, und der Präsident der jüdischen Dachorganisation (Crif), Roger Cukiermann, führten die Delegation an. Auch Regierungschef Manuel Valls nahm an der Begegnung teil. Sie erfolgte wenige Stunden vor dem Pariser Schweigemarsch in Gedenken an die Opfer der islamistischen Anschläge.
Familien und Freunde in Trauer
Die Familien und Freunde der vier getöteten Geiseln, Yohan Cohen, Yoav Hattab, Philippe Braham und Francois-Michel Saada, drückten derweil ihre Trauer und ihr Entsetzen aus: "Ich bin zerstört für den Rest meines Lebens", schrieb die Freundin des 20-jährigen Yohan Cohen bei Facebook. "Alle unsere Pläne, alle unsere Versprechungen – wie soll ich sie einhalten ohne Dich?"
Der Student hatte seit einem Jahr im koscheren Supermarkt gearbeitet. Polizeiangaben zufolge hatte der Attentäter Amedy Coulibaly damit gedroht, einen Dreijährigen umzubringen. Bei dem Versuch, ihn davon abzuhalten, wurde Cohen von Coulibaly erschossen. Cohens Eltern waren in den 1960er Jahren aus Nordafrika nach Frankreich eingewandert, sein Vater aus Algerien, seine Mutter aus Tunesien. Erst vor einem Monat war sein Großvater mütterlicherseits, der bekannte jüdisch-tunesische Sänger Doukha (Mordechai Haddad) in Israel beerdigt worden. Wie viele andere hatte Yohan Cohen am Donnerstag #JeSuisCharlie auf seiner Facebook-Seite gepostet und sich mit den 12 Opfern beim Anschlag auf das Satire-Magazin "Charlie Hebdo" solidarisiert. Er war auf Facebook zudem mit Lassana Bathily befreundet. Der junge Muslim hatte ebenfalls in dem koscheren Supermarkt gearbeitet und hatte eine Gruppe von Geiseln gerettet, in dem er sie in einen Gefrierraum versteckte.
Philippe Braham hinterlässt vier Kinder. Erst vor drei Jahren hatten der 45-Jährige und seine zweite Frau einen Sohn verloren. Braham arbeitete als Versicherungsagent in der Nähe des Supermarktes und galt als gläubiger Jude. Sein Bruder ist der Rabbi der Synagoge von Pantin, außerhalb von Paris. Seine erste Frau und sein ältester Sohn leben seit September 2014 in Israel und hatten gehofft, dass Philippe Braham ihnen mit seiner Familie folgen würde. "Wir wollen, dass er in Israel beerdigt wird. Ministerpräsident Netanjahu hat meine Schwester angerufen und versprochen, dass Philippe ein Staatsbegräbnis erhält", sagte sein Schwager Shai Ben-David dem Online-Nachrichtenportal "Ynet".
Yoav Hattab ist der Sohn von Rabbi Benjamin Hattab, der in der tunesischen jüdischen Gemeinschaft eine prominente Rolle spielt. Hattab hinterlässt sechs Brüder. Der 21-Jährige lebte alleine in Paris, wo er studierte. Seine Familie traf noch am Samstagnachmittag in Paris ein.
Francois-Michel Saada wurde in Tunesien geboren. Der 63-Jährige Pensionär hinterlässt eine Frau und zwei Kinder, die beide in Israel leben.
Quelle: ntv.de, mit dpa