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Lanz-Show nach Flüchtlingsgipfel "Ich bin fast außer mir vor Zorn"

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Viele Städte sind mit der Unterbringungen von Flüchtlingen überfordert. Geld ist dabei nicht immer das Hauptproblem.

Viele Städte sind mit der Unterbringungen von Flüchtlingen überfordert. Geld ist dabei nicht immer das Hauptproblem.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nach dem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt ist klar: Es gibt mehr Geld für die Länder. In der ZDF-Sendung Markus Lanz kritisieren die Gäste kurz danach: Die wirklichen Probleme sind nicht gelöst.

Mehr Geld für die Bundesländer. Das ist das Ergebnis des Flüchtlingsgipfels, zu dem sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer am Mittwochnachmittag im Bundeskanzleramt getroffen haben. Am Ende gibt es zusätzlich eine Milliarde Euro für die Bundesländer, die der Bund zur Verfügung stellt. Einmalig.

Am 23. November gibt es den nächsten Gipfel. Dann könnte über weitere finanzielle Hilfen geredet werden. Der Rest: Absichtserklärungen. Der Bund soll mit Moldau und Georgien sprechen, damit sie Flüchtlinge aus ihren Ländern aufnehmen. Die zuständigen Behörden in Deutschland sollen digitalisiert werden, um Asylverfahren schneller bearbeiten zu können. Die EU-Außengrenzen sollen verstärkt werden, dafür soll sich die Bundesregierung einsetzen.

Markus Lanz hat in seine ZDF-Talkshow am Mittwochabend drei Menschen eingeladen, die in ihren Städten und Gemeinden die Flüchtlingsproblematik direkt vor Augen haben. Sie kritisieren kurz nach dem Flüchtlingsgipfel: Die wirklichen Probleme sind nicht angefasst worden. Den Städten und Gemeinden steht jetzt das Wasser bis zum Hals. Mit Geld allein ist das Problem nicht zu lösen. Zumal auch die beschlossene Summe hinten und vorne nicht reicht, findet Belit Onay von den Grünen.

"Das treibt mich um"

Der Oberbürgermeister von Hannover hat ein besonderes Problem: Wegen ihrer geografischen Lage ist die Stadt der erste norddeutsche Anlaufpunkt für geflüchtete Menschen. Als im vergangenen Jahr die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kamen, hat Onay Messehallen gemietet und dort Zeltstädte eingerichtet. "Das hat gut geklappt. Wir hatten teilweise bis zu 2.500 Menschen in einer Halle", sagt er. Für Hallenmiete, Zelte, Verpflegung und Sozialkosten fielen monatlich drei Millionen Euro an. Doch seit vergangenem Sommer kommen immer weniger Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Die Menschen kommen jetzt aus Afrika sowie aus Afghanistan und anderen asiatischen Ländern.

Onay kritisiert, dass die Städte und Gemeinden bei dem Flüchtlingsgipfel nicht eingeladen waren. "Wir sind am Ende der politischen Nahrungskette, wir müssen das vor Ort organisieren, und das ist verrückt", sagt er. Die Stadt Hannover habe für dieses Jahr 170 Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen veranschlagt. Nach dem Flüchtlingsgipfel sieht Onay klar: Zehn Millionen Euro wird es vom Bund geben, knapp sechs Prozent von dem, was die Stadt eigentlich braucht.

"Wenn ich diese Menschen sehe - das treibt mich um", sagt Kommunalpolitiker Matthias Schimpf. Er managt im südhessischen Bensheim eine Zeltstadt, in der Menschen aus verschiedenen Ländern leben. Geld ist für ihn nur ein Teil des Problems. Ihm fehlt es an Fachkräften, an Erziehern, Lehrern, Mitarbeitern im Bürgeramt, Sozialarbeitern. So geht es nicht nur ihm allein. Das ist das Problem jeder Gemeinde. "Man gibt Geld in ein System, löst aber die Probleme dahinter nicht", kritisiert Schimpf. Der Bund habe die Digitalisierung der Ausländerbehörden angemahnt, das sei in seiner Stadt passiert. Der Bund wolle eigene Gebäude zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen, aber die gibt es nicht in Bensheim und Umgebung. In Hannover würde es eines geben, das jedoch zur Unterbringung von Flüchtlingen ungeeignet sei, wirft Onay ein.

Situation verschlafen

Auch Tanja Schweiger ist sauer. Die Landrätin von Regensburg hat zur Unterbringung von geflüchteten Menschen ein Schiff mit Crew angemietet. In ihrem Landkreis gibt es keine Fläche für Zeltstädte. Turnhallen und andere Einrichtungen belegen wollte sie nicht. Die Regierung habe die Situation verschlafen, die sich schon im vergangenen August abzuzeichnen begann, sagt die Politikerin der Freien Wähler.

Ihr Kollege Matthias Schimpf geht sogar noch einen Schritt weiter. Der Bund habe die Situation vor Ort noch immer nicht begriffen, sagt er. "Ich bin fast außer mir vor Zorn, dass wir erleben müssen, wie unpathetisch und uninformiert hier über ein Thema gesprochen wird." Schimpfs größtes Problem: Er muss sich um zu viele Menschen ohne Bleiberechtsperspektive kümmern. So geht es auch Tanja Schweiger. Sie fordert, dass geflüchtete Menschen schneller eine Arbeit annehmen können sollten. Für sie wäre das neben Sprachkursen eine Integrationsmöglichkeit.

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FDP-Vize Johannes Vogel schließlich wünscht sich, dass Menschen mit abgelehntem Asylantrag Deutschland schneller verlassen müssten. Gleichzeitig verlangt er ein neues und wirksameres Einwanderungsrecht.

Doch die aktuellen Probleme wird das nicht lösen. Das weiß auch Matthias Schimpf. Er sagt schon am Anfang der Sendung: "Wenn ich warte, bis der Bund irgendwelche Standards setzt - dann passiert sowieso nichts."

Quelle: ntv.de

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