Politik

Willy Brandts Sohn bei Lanz "Ihr Vater wäre nach Kiew gefahren"

Frieden in der Ukraine können die USA nur gemeinsam mit China schaffen, ist Peter Brandt überzeugt.

Frieden in der Ukraine können die USA nur gemeinsam mit China schaffen, ist Peter Brandt überzeugt.

(Foto: ZDF)

Wie blicken zwei "elder Statesmen" auf die aktuelle Politik? Das will Markus Lanz am Mittwochabend in seiner ZDF-Talkshow herausfinden. Zu Gast sind dafür FDP-Urgestein Gerhart Baum und der älteste Sohn von Altkanzler Willy Brandt.

Sie haben eines gemeinsam: Beide hatten vor wenigen Tagen Geburtstag. Ex-Bundesinnenminister und FDP-Urgestein Gerhart Baum ist gerade 90 Jahre alt geworden, Peter Brandt wirkt mit seinen 74 Jahren dagegen fast wie ein Jungspunt. Beide beobachten die aktuelle Politik immer noch.

Peter Brandt, ältester Sohn von Ex-Bundeskanzler Willy Brandt, ist Historiker. Er kann die aktuelle Diskussion um eine wirtschaftliche Zusammenarbeit Deutschlands mit China nicht verstehen. "China ist ein autoritäres System", sagt er bei Markus Lanz, "Aber es ist ein erfolgreiches Wirtschaftsmodell." Millionen von Menschen seien in den letzten Jahren aus der Armut herausgeholt worden. Allerdings dürfe man die Menschenrechtsverletzungen in dem Land nicht leugnen.

Im Gegensatz dazu sei zum Beispiel das Wirtschaftssystem in Russland nicht erfolgreich, weil es ausschließlich auf die Rohstoffausfuhr ausgerichtet sei, sagt Brandt Und: "Es ist in hohem Maße parasitär, wo es um die Oligarchenwirtschaft geht."

FDP-Politiker Baum kann ihm da nur zustimmen. "Die Russen legen keinen Wert mehr auf eine wirtschaftliche Entwicklung", sagt er. China habe außerdem zumindest eingeschränkt eine kollektive Staatsführung. "Russland hat das zurzeit nicht mehr. Putin ist völlig alleine." Dennoch ist für Baum klar: "Menschenwürdig leben kann man nur in einer Demokratie." Doch die demokratischen Länder haben laut Baum ein Problem - und das ist die Zunahme autoritär regierter Staaten auf der ganzen Welt.

Das weiß auch Peter Brandt. Der Historiker findet wirtschaftliche Beziehungen zu Ländern wie China in Ordnung. Allerdings dürfe man sich nicht erneut in wirtschaftliche Abhängigkeiten begeben.

"NATO-Osterweiterung war Problem für Russland"

Unterschiedlicher Meinung sind Brandt und Baum bei der Bewertung des Krieges in der Ukraine. Für den russischen Überfall auf die Ukraine hat Brandt kein Verständnis, "und ich kenne kaum Leute, die das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine bestreiten", sagt der Historiker. Dennoch plädiert er für eine differenzierte Auseinandersetzung, was die Vorgeschichte zu diesem Krieg betrifft. "Das war ein Mechanismus, an dem beide Seiten beteiligt waren." So sei die NATO-Osterweiterung in Russland anders empfunden worden als in Westeuropa. "Die Sicherheitsinteressen Russlands sind nicht genug in den Blick genommen worden", kritisiert Brandt.

Für ihn ist zudem die Behauptung zu kurz gegriffen, der Krieg in Osteuropa drehe sich nur um die Ukraine und Russland. Er sieht einen Stellvertreterkrieg zwischen Russland, der NATO und den USA.

Das kann Baum so nicht akzeptieren. Ja, der Krieg betreffe längst nicht nur Russland und die Ukraine, aber: "Es ist ein Krieg zwischen denen, die das Völkerrecht verteidigen, und jenen, die es mit Füßen treten." Russland wolle die Ukraine als Land und als Demokratie vernichten. "Die Ukraine hilft uns, die Menschenrechte zu verteidigen: Wir liefern Waffen, und die Ukrainer opfern ihr Leben."

"Zu sagen, wir seien die Guten, ist falsch"

Während Baum die Atomwaffen-Drohungen von Russlands Präsident Wladimir Putin kritisiert, möchte Brandt auch in diesem Punkt differenzieren. Es habe bisher nur ein einziges Land gegeben, das Atombomben zu Kriegszwecken eingesetzt habe, und das seien die USA gewesen. "Was Russland macht, ist ein Völkerrechtsbruch. Aber es gibt auch eine ganze menge Kriegsverbrechen durch die USA. Zu sagen, wir seien die Guten, ist falsch", sagt er.

Die USA hätten bei diesem Krieg ein einziges Interesse, und das sei die Schwächung Russlands. Aber die Vereinigten Staaten seien auch als einzige in der Lage, den Krieg in der Ukraine zu beenden, jedoch nur gemeinsam mit China, glaubt der Historiker.

Auch wenn Brandt und Baum in der Beurteilung des Krieges in der Ukraine unterschiedlicher Auffassung sind, in einem Punkt sind sie sich einig. Und den formuliert Baum am Ende des Gesprächs: "Wenn Ihr Vater heute leben würde, wäre er nach Kiew gefahren", sagt er zu Brandt, "Und zwar mit Genscher."

Quelle: ntv.de

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