"Es gibt keine Demokratie mehr" In Griechenland wächst Unmut gegen Tsipras
14.07.2015, 05:15 UhrIn Athen muss Regierungschef Tsipras erste Gesetzespakete als Vorbedingung der Europartner für ein drittes Hilfspaket durchsetzen. Das wird nicht leicht: Widerstand formiert sich - im Parlament und auf den Straßen. Für weiteren Ärger könnte zudem der IWF sorgen.
Nach der Einigung mit den Staats- und Regierungschefs der Eurozone stößt der griechische Regierungschef Alexis Tsipras auf wachsenden Widerstand in seinem eigenen Land. Die Gewerkschaft der Staatsbediensteten rief aus Protest zu einem landesweiten Streik auf. Tsipras muss zudem mit scharfem Gegenwind im Regierungslager rechnen. Zahlreiche Abgeordeneten des linken Flügels kündigten bereits an, gegen weitere Sparmaßnahmen zu stimmen.
Hunderte Menschen hatten bereits am Montagabend in Athen gegen die Brüsseler Einigung demonstriert. Mitglieder der Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst, Adedy, sowie kleinerer, nicht im Parlament vertretener Parteien der Linken versammelten sich auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament. Die Polizei sprach von 700 Teilnehmern. Auf Spruchbändern forderten die Demonstranten "Streichung der Austerität, Erlass der Schulden" sowie ein "Nein zur neuen Einigung".
"Leider gibt es keine Demokratie mehr …"
Anhänger der linksgerichteten Partei Antarsya forderten von der Regierung ein "Nein bis zum Schluss". Ein paar Demonstranten verbrannten eine Fahne der Regierungspartei Syriza, wie eine AFP-Fotografin berichtete. "Leider gibt es keine Demokratie mehr, diese Vereinbarung ist beschämend", sagte ein arbeitsloser Demonstrant über die Einigung mit den Euro-Ländern.
Adedy hatte zuvor für Mittwoch, dem Tag einer voraussichtlichen ersten Abstimmung im griechischen Parlament über die Gläubiger-Auflagen, zu einem 24-stündigen Streik aufgerufen. Es ist der erste Streik der Gewerkschaft unter dem linksgerichteten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. In den Jahren 2010 bis 2014 hatte Adedy aus Protest gegen die ersten beiden Hilfspakete für Griechenland immer wieder große Streiks und Demonstrationen organisiert. Für Mittwoch rief auch der Gewerkschaftsbund Poe-Ota zu einem 24-stündigen Ausstand auf.
Zäher Verhandlungsmarathon
Am frühen Montagmorgen hatten sich die Euro-Länderchefs in Brüssel nach hartem, mehr als 17-stündigem Ringen auf Bedingungen für ein drittes Rettungspaket verständigt. Der Umfang der weiteren Hilfe für Athen könnte bis zu 86 Milliarden Euro umfassen.
Damit Verhandlungen über das Rettungspaket überhaupt beginnen können, muss das griechische Parlament schon bis Mittwoch ein erstes Gesetzespaket verabschieden. Ziel sind unter anderem höhere Mehrwertsteuereinnahmen und die Einleitung einer Rentenreform. Bereits am Samstag bei der Abstimmung über seine Spar- und Reformvorschläge hatte Tsipras jedoch die Mehrheit in den eigenen Reihen verloren, vielmehr musste er sich auf die Zustimmung der Opposition stützen.
Tsipras will Kabinett umbilden
Am Montagabend zog der dem Linksflügel zugerechnete stellvertretende Außenminister Nikos Chountis die Konsequenzen und trat zurück. Er räumte auch seinen Parlamentssitz, wie das griechische Fernsehen berichtete. Da auch weitere Minister Tsipras die Gefolgschaft verweigerten, plant der Regierungschef nach Medienberichten eine umfassende Kabinettsumbildung.
Zu den Ressortchefs, die gehen sollten, zählten Energieminister Panagiotis Lafazanis und der Minister für Soziales, Dimitris Stratoulis, hieß es in mehreren Medien. Sie gelten als die Anführer des Linksflügels des Syriza-Bündnisses und sollen eine große Gruppe von bis zu 40 Abgeordneten hinter sich haben. Syriza hat insgesamt 149 Sitze im Parlament in Athen.
Er habe in den Verhandlungen mit den Partnern im Ausland hart gekämpft, betonte Tsipras in Brüssel. Er werde nun im Inland ebenso hart kämpfen, damit die Gipfelbeschlüsse umgesetzt würden. "Griechenland braucht tiefgreifende Reformen."
Durch den Brüsseler Kompromiss konnte Tsipras vorerst eine Staatspleite und ein drohendes Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro abwenden. Bis zur Lösung ist es aber noch ein weiter Weg. Erst wenn Athen alle Bedingungen erfüllt hat, wollen die Europartner in die Verhandlungen einsteigen.
Weitere IWF-Rate nicht gezahlt
Unterdessen wird Griechenlands Zahlungsrückstand beim Internationalen Währungsfonds immer größer. Wie IWF-Sprecher Gerry Rice mitteilte, traf eine am Montag fällige Rate in Höhe von 456 Millionen Euro nicht ein. Der IWF-Vorstand sei darüber informiert worden. Bereits am 30. Juni hatte Griechenland eine anstehende IWF-Rate von knapp 1,6 Milliarden Euro nicht entrichtet. Das heißt, das Land ist jetzt mit Rückzahlungen im Umfang von rund zwei Milliarden Euro an den IWF im Verzug. Rice zufolge wird der IWF-Vorstand in den "kommenden Wochen" über ein griechisches Ersuchen beraten, die Frist für eine Rückzahlung der Juni-Rate zu verlängern.
Quelle: ntv.de, bad/AFP/dpa