Israel und der Iran Der Schattenkrieg tritt in eine neue Phase
23.04.2023, 14:28 Uhr Artikel anhören
Reza Pahlavi II. betet bei seinem Besuch in Israel auch an der Klagemauer für die Wiederherstellung der historischen Freundschaft zwischen Iran und Israel.
(Foto: picture alliance / AA)
Der "geheime Krieg" zwischen Israel und dem Iran wird immer offener ausgefochten: Längst führt Teheran eine Art Abnutzungskrieg an mehreren Fronten gegen den jüdischen Staat. Israel müsse auf einen Krieg vorbereitet sein, sagt ein Experte.
Beim diesjährigen nationalen Holocaust-Gedenktag in Israel, Jom HaShoa, sorgte eine Person besonders für Aufmerksamkeit. Die Zeremonie im Holocaust-Museum Yad Vashem in Jerusalem präsentierte mit Reza Pahlavi II. die berühmteste iranische Persönlichkeit, die jemals zu einem öffentlichen Besuch nach Israel eingeladen wurde. Reza Pahlavi II. ist der älteste Sohn des ehemaligen Schahs von Persien, er lebt seit 43 Jahren in Washington und ist Vorsitzender des iranischen Nationalrats - einer Dachorganisation der im Exil lebenden Opposition gegen den Mullah-Staat.
Der Iran betrachtet Israel seit der islamischen Revolution von 1979 als seinen größten Feind, seit über zwei Jahrzehnten führen beide Länder einen Schattenkrieg gegeneinander. Dagegen betonte der Schah-Sohn, man müsse die Erinnerung an die Shoah wachhalten. "Es war meine Pflicht, an dieser Veranstaltung teilzunehmen und die Opfer zu ehren", sagte Pahlavi. "Ich überbringe die Botschaft der Freundschaft des iranischen Volkes, denn die Islamische Republik vertritt nicht die Mehrheit unserer kulturreichen Nation."
"Irans Regime leugnet nicht nur den Holocaust", sagte Pahlavi. "Die Vernichtung Israels gehört zu seiner Staatsdoktrin. Dieser Konflikt wird intensiv geführt und ich befürchte, dass er sich in eine neue Phase begibt."
"Der Iran führt einen Abnutzungskrieg an mehreren Fronten"
Mit der "neuen Phase" spielte der Schah-Sohn auf den zehntägigen Konflikt zwischen Teheran und Jerusalem Anfang April an, als die Terrororganisationen Hisbollah und Hamas Israel aus dem Libanon und aus dem Gazastreifen mit Raketen angriffen, von Norden und von Süden also. Beide, Hisbollah und Hamas, fungieren als Stellvertreter des Iran. Zugleich gab es bewaffnete Angriffe des Islamischen Dschihad, dem Verbündeten des Iran im Westjordanland. Die Taktik des Mullah-Staats und der iranischen Revolutionsgarden ist klar: Israel mit einem Mehrfrontenkrieg zu drohen und ihn mit dem Raketenarsenal seiner Verbündeten abzuschrecken.
Auch die Anwesenheit militanter Palästinensergruppen im Libanon wirft die Frage auf, ob der Iran die Hamas dort ermächtigt hat, eine sekundäre Einheit zu schaffen, die die Hisbollah einsetzen kann, um Israel zu bedrohen, ohne selbst direkt in einen Konflikt hineingezogen zu werden. "Der Iran führt einen Abnutzungskrieg an mehreren Fronten gegen den jüdischen Staat", sagt Abu-Musa (Name geändert), ein ehemaliger Offizier des israelischen Geheimdienstes Mossad in Teheran. "Die Zeit begrenzter Konflikte ist vorbei. Wir stehen vor einer neuen Ära, wo verschiedene Kampfschauplätze gleichzeitig eine Bedrohung darstellen."
Iran droht mit Zerstörung von Tel Aviv und Haifa
Die Raketenangriffe zu Beginn des Monats fielen zeitlich mit dem Besuch von Esmail Qaʾani in Beirut zusammen. Qa'ani ist Kommandeur der Quds-Brigaden, einer Eliteeinheit der Revolutionsgarden. Die Einheit ist entschlossen, eine Anti-Israel-Koalition aufzubauen, als Reaktion auf Israels Vorgehen gegen den Iran.
Das Ziel der langfristigen Strategie Israels, bei der Hunderte von Angriffen in Syrien durchgeführt wurden, ist, die militärische Ausbreitung des Iran im Nachbarstaat zu verhindern. Abu-Musa erklärt, dass Teheran demnächst wichtige Ziele in Israel treffen könnte. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi drohte bereits bei der geringsten israelischen Provokation mit der Zerstörung von Tel Aviv und Haifa.
"Sie setzen ihre Versuche fort, sich an der Nordfront zu etablieren, und entsenden gleichzeitig Berater an ihre Stellvertreter ins Westjordanland und in den Gazastreifen", sagt der Iran-Experte. "In den letzten Monaten haben sie im Libanon und Syrien Treffen mit Mitgliedern palästinensischer Milizen abgehalten, um einen möglichen koordinierten Angriff auf Israel zu erörtern."
"Israel muss auf einen Krieg vorbereitet sein"
Gleichzeitig führt aber auch nicht jeder Schusswechsel aus dem Libanon zu einem größeren Konflikt mit der Hisbollah. Zwar kommen seit Jahren täglich Drohungen aus Beirut gegen Jerusalem, doch einen dritten Libanonkrieg will niemand. Während die Terrororganisationen deshalb andere Gruppen erlauben, Raketen auf den jüdischen Staat abzufeuern und dieser mit kleinen Vergeltungsschlägen antwortet, könnte ein neuer Status quo an seiner Nordgrenze entstehen, der auch Israels Abschreckung an mehreren Fronten beeinträchtigt.
"Iran und seine Helfer beobachten Israels zerrissene Gesellschaft genau und erwarten sein baldiges Ende mehr denn je", sagt Yaakov Amidror vom Jerusalemer Institut für strategische Studien, ein ehemaliger Admiral der israelischen Marine. "Die Feinde des jüdischen Staates gewinnen an Selbstvertrauen und prophezeien, dass die innenpolitische Krise in Israel zur Selbstzerstörung führen wird. Sie wissen, dass die USA ihr Engagement im Nahen Osten reduziert haben und sich mehr auf den China-Taiwan-Konflikt fokussieren."
Unterdessen strecken beide Erzfeinde ihre Hände nach Verbündeten aus. Iran stärkte seine Beziehungen zu Saudi-Arabien, Israel eröffnete eine Botschaft in Turkmenistan, Aserbaidschan hat jetzt eine diplomatische Vertretung in Tel Aviv. "Die Möglichkeit, dass ein großer Konflikt ausbricht, ist heute stärker als zuvor", sagt Amidror. "Israel muss auf so einen Krieg vorbereitet sein. Bald könnte es den Punkt erreichen, an dem es nicht mehr zu vermeiden sein wird, den Iran anzugreifen."
Reza Pahlavi II. hat bei seinem Besuch an der Klagemauer in Jerusalem für die Wiederherstellung der historischen Freundschaft zwischen Iran und Israel gebetet. Sein Besuch sollte beiden Völkern eine gemeinsame Hoffnung auf Frieden und Sicherheit machen. "Ich segne die Menschen beider Länder", sagte der Schah-Sohn während einer Pressekonferenz in Tel Aviv. "Die Menschen im Nahen Osten haben eine friedliche Zukunft verdient."
Quelle: ntv.de