Presseschau zu Friedrich Merz "Ist der CDU-Chef von allen guten Geistern verlassen?"
24.07.2023, 21:14 Uhr Artikel anhören
Die Aussagen von Friedrich Merz zu einer möglichen Zusammenarbeit der CDU mit der AfD auf kommunaler Ebene fliegen dem CDU-Chef um die Ohren.
(Foto: picture alliance / Flashpic)
Das Entsetzen über die AfD-Aussagen von Friedrich Merz ist groß. Auch in der deutschen Presselandschaft gibt es viel Kritik. Der CDU-Chef habe der rechten Partei geholfen, heißt es mehrfach. Ein Blatt sieht vor allem "Kommunikationsprobleme" bei dem 67-Jährigen.
Friedrich Merz habe der AfD vor deren Bundesparteitag in Magdeburg ein "besonderes Geschenk bereitet", bekundet die von dort stammende "Volksstimme". "Die von ihm höchstpersönlich errichtete Brandmauer gegenüber den Ultrarechten wurde vom CDU-Chef im Fernseh-Plauderton eingerissen. Zwar zunächst nur für die kommunale Ebene, aber dieser Tabubruch wird auf Landes- und Bundesebene durchschlagen."
Von der "Stuttgarter Zeitung" kommt deutliche Kritik. Sie fragt: "Ist der CDU-Chef von allen guten Geistern verlassen? Für sein Geschwurbel zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene gibt es zwei Erklärungsvarianten: Entweder stolpert Friedrich Merz gerade von Fettnapf zu Fettnapf - oder er versucht ein Terrain zu planieren, an dem bisher 'Betreten verboten' stand. So oder so wäre das zum Schaden der eigenen Partei und der Union gleich mit. Entsprechend fallen die Kommentare des CSU-Wahlkämpfers Söder und führender CDU-Politiker aus."
Der "Weser-Kurier" aus Bremen kann der Aufregung auch etwas Gutes abgewinnen: "Wenn es also daran einen positiven Aspekt gibt, dann allenfalls diesen: Am Montag nach dem Interview-Desaster ist jedes CDU-Mitglied in Deutschland unmissverständlich daran erinnert worden, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben kann, gleich auf welcher politischen Ebene, gleich in welchem Parlament. Merz hat für seine ursprüngliche Aussage Prügel bezogen. Offenbar war er ohne den empörten Aufschrei der Basis nicht in der Lage, den eigenen Fehltritt zu erkennen. Auch das wirft kein gutes Licht auf den CDU-Chef."
Der "Münchner Merkur" schreibt von einem "großen Sommertheater. Es ist ein künstliches und dämliches. Der Riesenwirbel um die angeblich eingerissene Brandmauer zur AfD speist sich aus zwei Faktoren: Bei Medien, anderen Parteien und manchem Parteifeind gibt es große Lust, Friedrich Merz das Wort im Mund umzudrehen. Und beim CDU-Chef selbst häufen sich die Fälle, in denen er sich unpräzise und manchmal überzogen äußert - als wäre er, der Kantige aus den 90ern, nicht in der brutal schnellen Medienwelt von heute angekommen, in der jeder Satz sitzen muss. Ein Vorsitzender mit Kommunikationsproblem ist ein dickes Risiko für die CDU und die wahlkämpfende CSU."
"Merz' Auftritt hat nun der AfD abermals Auftrieb gegeben", findet die "Frankfurter Rundschau". "Erst vorige Woche hat er behauptet, die CDU sei die Alternative für Deutschland, aber eben mit Substanz. Er musste die Erfahrung machen, dass die große Volkspartei CDU keine Wortspiele mit dem Namen einer kleinen, in Teilen rechtsextremen Partei machen sollte. Das politisch wirklich Gefährliche verliert Merz aus den Augen: die Normalisierung der AfD. Ihre Hetzer in Landtagen, im Bundestag, im Europaparlament profitieren nicht nur von der Schwäche der Ampelregierung, sondern auch von der schwächelnden Union."
Quelle: ntv.de, rog/dpa