Politik

Altersvorsorge-Talk bei "Anne Will" Ist die Rentenreform ein Reinfall?

Wills Gäste, von links nach rechts: Carsten Linnemann, Andrea Nahles, Dietmar Bartsch und Elisabeth Niejahr

Wills Gäste, von links nach rechts: Carsten Linnemann, Andrea Nahles, Dietmar Bartsch und Elisabeth Niejahr

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)

Die Bundesarbeitsministerin stellt ihr Konzept für eine Rentenreform vor - und niemand ist so richtig glücklich damit: Andrea Nahles wollte mehr erreichen, der Union ist das Erreichte eigentlich schon zu viel. Hat die Koalition eine wichtige Chance vertan?

Die Vorstellung ihres langfristigen Rentenkonzepts Ende vergangener Woche hatte sich Andrea Nahles anders vorgestellt. Zwar einigte sich die Große Koalition auf die lange verschleppte Angleichung der Ost-Renten auf West-Niveau und versprach auch bei der Erwerbsminderungsrente Verbesserungen, der Bundesarbeitsministerin geht das allerdings noch nicht weit genug: Nahles will Selbstständige in die gesetzliche Rente mit einbeziehen und fordert, dass das Rentenniveau im Vergleich zu den heutigen 48 Prozent bis 2045 höchstens auf 46 Prozent absinken dürfe - bei beiden Vorschlägen macht die Union dicht. Aus der Renten-Reform wird so ein Renten-Reförmchen und Anne Will stellt ihren Gästen am Sonntagabend die Frage: "Ist die Regierung schon im Ruhestand?" Auf Wills Couch nehmen dazu die Arbeitsministerin selbst, der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, Carsten Linnemann von der CDU und die "Zeit"-Journalistin Elisabeth Niejahr Platz.

Beginnen darf eine Andrea Nahles, der die Wut über die verpasste Chance deutlich anzusehen ist: "Ich bin so ehrlich und hänge die Preisschilder mit dran. Man kann schließlich nicht sagen: Ich will das Rentenniveau stabilisieren, es darf aber nichts kosten. Und deswegen, Herr Seehofer, sage ich: Wer A sagt, muss auch B sagen", sagt Nahles mit Blick auf die CSU, die sich offenbar besonders vehement gegen ihre Pläne gestemmt hatte. Die Arbeitsministerin fühlt sich vom Koalitionspartner alleingelassen: "Es war nicht im Koalitionsprogramm vorgesehen, nochmal so einen großen Rentenaufschlag zu machen. Dass es doch so gekommen ist, hat damit zu tun, dass auch aus der CSU Anfang des Jahres Signale kamen, das anzupacken."

"Können uns eine Menge absurder Debatten ersparen"

"Ich kann jetzt nicht einfach Steuermittel ausgeben, über die ich gar nicht verfüge", kontert Carsten Linnemann Nahles' Vorstoß. Der Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU greift damit den Plan der Arbeitsministerin an, das Rentenniveau bis ins Jahr 2045 gesetzlich auf 46 Prozent festschreiben zu wollen. Stattdessen "würde ich vorschlagen, dass Sie an die Beamtenpensionen gehen. Im öffentlichen Dienst muss nicht mehr jeder verbeamtet werden, da könnten wir anpacken", stellt Linnemann fest und erntet mit seiner Forderung großen Beifall im Publikum. Leicht amüsiert reagiert dafür Elisabeth Niejahr auf den Vorstoß des CDU-Politikers: "Ich habe die CDU bis jetzt nicht als Partei erlebt, die an die Beamtenpensionen will." Und tatsächlich, auf der Parteilinie liegt Linnemann mit seiner Forderung ganz und gar nicht, wie er leicht errötend nach kurzem Zögern zugeben muss: "Ich bin der festen Überzeugung, dass auch ein Abgeordneter eine eigene Meinung haben darf."

Erst nach knapp zwanzig Minuten klinkt sich Dietmar Bartsch in die Diskussion mit ein: "Ich finde es verwerflich, dass man die Herausforderung, vor der wir stehen, so angeht wie die Große Koalition", sagt der Oppositionspolitiker, der, wenig überraschend, den erzielten Kompromiss rundweg ablehnt. Dem Fraktionschef der Linken liegt vor allem das Thema Altersarmut am Herzen: "Wollen wir in dem reichen Deutschland, das sprudelnde Steuereinnahmen hat, akzeptieren, dass Menschen in Armut leben? Die gesetzliche Rente muss die tragende Säule sein, und deswegen muss der Lebensstandard gesichert werden." Folgt man Bartsch' Argumentationslinie, ist dafür eine Mindestrente von 1050 Euro monatlich unabdingbar - ein Vorschlag, der von den drei anderen Diskussionsteilnehmern in seltener Eintracht abgelehnt wird.

Elisabeth Niejahr erklärt auch, warum: "Ich glaube, dass Altersarmut nicht das größte Problem ist, sondern im Gegenteil als Thema stark aufgeblasen wird: Wir haben nur drei Prozent Grundsicherung bei Rentnern, aber 14 Prozent Jugendarmut. Darauf sollten wir unser Augenmerk richten, denn die nachfolgenden Generationen garantieren ja gerade die Renten von morgen", findet die "Zeit"-Journalistin. Ihr Ansatz: "Man ändert etwas an der Lebensarbeitszeit: Es gibt viele Leute, die länger arbeiten können oder wollen. Flexirente geht in die richtige Richtung, aber ich könnte mir das noch viel konsequenter vorstellen, ohne die großen Abzüge, die es momentan noch gibt." Oder einfacher gesagt: "Wenn wir das Rentenalter erhöhen, können wir uns eine Menge absurder Debatten ersparen", sagt Niejahr. Für Will der perfekte Schlusssatz der sonntäglichen Talkrunde.

Quelle: ntv.de

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