Streit um dritten Wahlgang Kann sich Ramelow allein krönen?
25.11.2014, 19:25 Uhr
Am 5. Dezember stimmt das Landtag über den neuen Regierungschef ab - der Linke Ramelow könnte Geschichte schreiben.
(Foto: picture alliance / dpa)
In Erfurt hat das rot-rot-grüne Bündnis nur eine Stimme Mehrheit im Parlament. In wenigen Tagen will die Koalition den bundesweit ersten Regierungschef der Linken wählen - zur Not im dritten Wahlgang. Doch wie liefe der eigentlich ab?
Wenige Tage vor der anberaumten Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen ist das genaue Prozedere weiter unklar. Angesichts der knappen Mehrheit von einer Stimme für Rot-Rot-Grün gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen zum dritten Wahlgang. Kopfzerbrechen bereitet Parlamentariern und Verfassungsrechtlern der entsprechende Passus der Thüringer Verfassung. Dort heißt es im dritten Absatz des Artikel 70: "Kommt die Wahl auch im zweiten Wahlgang nicht zustande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält." Was aber bedeutet dies nun konkret für die 91 Abgeordneten in Erfurt?

91 Abgeordnete sitzen im Erfurter Landtag - einer würde reichen, um Ramelow ins Amt zu hieven.
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Nach Ansicht des Düsseldorfer Verfassungsrechtlers Martin Morlok würde dem Thüringer Linkspolitiker Bodo Ramelow bei einer Wahl ohne Gegenkandidaten in der dritten Abstimmung eine einzige Ja-Stimme reichen. "Es zählen nur die Ja-Stimmen", sagte er. Einem Gutachte Morloks zufolge ist es unerheblich, wie viele der Abgeordneten gegen ihn votieren. Der Rechtswissenschaftler bezog sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2008 zu den Regelungen im sogenannten "Meiststimmenverfahren". Zu Ende gedacht heißt das nicht anderes als: Der 58-jährige Bodo Ramelow könnte sich selbst zum Regierungschef krönen.
Jenaer Experte widerspricht
Anders sieht es derweil der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner. Seiner Ansicht nach sind bei einem dritten Wahlgang und einem Einzelkandidaten sehr wohl die Nein-Stimmen zu zählen, berichtet der MDR. Dem Sender sagte er, es würde die Verfassung überstrapazieren, wenn Ramelow letztlich nur mit seiner eigenen Stimme gewählt werden könnte. Ein so gewählter Ministerpräsident wäre zudem ein Minderheiten-Regierungschef. Deswegen sei das Argument "leichtgewichtig", das der Wahl eines Ministerpräsidenten das Primat vor der Mehrheit der Stimmen einräume.
Auch die CDU, die bei einem Erfolg von Rot-Rot-Grün erstmals seit der Wiedervereinigung in Thüringen in die Opposition müsste, ist erwartungsgemäß nicht der gleichen Ansicht wie Martin Morlok. Ein Kandidat, den die Mehrheit der Abgeordneten im Landtag ablehne, könne nicht Ministerpräsident sein, sagte CDU-Generalsekretär Mario Voigt. Er sprach von juristischen Spitzfindigkeiten und Taschenspielertricks. "Es ist ein abenteuerliches Demokratieverständnis, wenn ein Kandidat mit möglicherweise einer einzigen Stimme gegen 90 Nein-Stimmen gewählt sein sollte."
Landtagspräsident kündigt Gegengutachten an
Landtagspräsident Christian Carius (CDU), der für den neuen Ministerpräsidenten im dritten Wahlgang eine "relative Mehrheit" mit mehr Ja- als Nein-Stimmen gefordert hatte, will das Gutachten sorgfältig prüfen - und kündigte bereits ein Gegengutachten zu der Bewertung eines Verfassungsrechtlers im Auftrag des SPD-geführten Justizministeriums an. Er werde ein "unabhängiges Gutachten von einem erfahrenen Parlamentsrechtler einholen", sagte Carius. Es sei ihm wichtig, dass nach der Wahl "keine Zweifel an der demokratischen Legitimation des neuen Regierungschefs entstehen".
Die Wahl Ramelows zum ersten linken Ministerpräsidenten in Deutschland ist für den 5. Dezember geplant. Offen ist bisher, ob CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht gegen Ramelow antritt, wenn der in den ersten beiden Wahlgängen nicht die nötigen 46 von 91 Stimmen erhält. Ramelow hat die CDU bereits aufgefordert, mit einem Gegenkandidaten für klare Fronten bei der Ministerpräsidentenwahl zu sorgen.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa