Politik

Nicht nur wegen des FC Barcelona Katalonien sollte ein Teil Spaniens bleiben

Kataloniens Präsident Artur Mas fühlt sich als Sieger - doch bei einer Unabhängigkeit hat sein Landstrich viel zu verlieren.

Kataloniens Präsident Artur Mas fühlt sich als Sieger - doch bei einer Unabhängigkeit hat sein Landstrich viel zu verlieren.

(Foto: dpa)

Spanien erlebt die größte Zerreißprobe seit 40 Jahren. Gestützt auf seine gewonnene Wahl will der katalanische Ministerpräsident Mas nun die Unabhängigkeit für seine Region. Doch das ist ein Fehler.

Rotgelbe Fahnen, jubelnde Menschen auf den Straßen Barcelonas, ein strahlender Ministerpräsident: Das sind die Bilder nach den Regionalwahlen in Katalonien. Regierungschef Artur Mas fühlt sich als Sieger: "Wir haben gewonnen", sagt er. Die Wahl hat Mas und seine Allianz "Junts pel Sí" ("Zusammen für das Ja") tatsächlich gewonnen. Mit fast 40 Prozent wurde sie stärkste Kraft, gemeinsam mit den linksradikalen Separatisten von der CUP erlangen die Befürworter der Unabhängigkeit nun die absolute Mehrheit im Regionalparlament, sie kommen auf 72 Sitze.

Doch ganz Europa würde nicht auf die kleine Region mit ihren siebeneinhalb Millionen Einwohnern blicken, wenn es nicht um viel mehr ginge. Mas hatte die Wahl zum Plebiszit darüber erklärt, ob Katalonien sich von Spanien abspalten soll. Eine eindeutige Antwort haben die Wähler nicht gegeben. Denn die Separatisten holten zwar die absolute Mehrheit im Parlament, die absolute Mehrheit der Stimmen verpassten sie jedoch. Mas hatte zuvor gesagt, dass ihm das genügen würde - in einem Plebiszit werden für gewöhnlich aber Stimmen gezählt und nicht Abgeordnetensitze. Mas und seine Mitstreiter sollten dies dennoch als Ausweg nehmen und darauf verzichten, sich mit romantischer Pose in das Abenteuer Unabhängigkeit zu stürzen.

Viele Katalanen befürworten lautstark die Unabhängigkeit - doch die Mehrheit der Stimmen erlangten sie nicht.

Viele Katalanen befürworten lautstark die Unabhängigkeit - doch die Mehrheit der Stimmen erlangten sie nicht.

(Foto: AP)

Natürlich ist der katalanische Nationalismus nicht aus der Luft gegriffen. Katalonien ist eine eigenständige Region in Europa, verfügt über eine eigene Sprache, eine eigene Literatur und Geschichte und hat oft unter der Regierung in Madrid leiden müssen. In der jüngeren Geschichte war dafür vor allem der Diktator Francisco Franco verantwortlich, der Spanien zwischen 1939 und 1975 regierte. Er verbot alles Katalanische, wie auch alles Baskische - für ihn gab es nur das eine erzkatholische und konservative Spanien.

Seit 300 Jahren schwelt der Konflikt

Aber auch schon davor mussten sich die Katalanen geknechtet fühlen. Schuld daran war etwa Philipp V., ein Bourbonen-König, der 1714 den Katalanen Jahrhunderte alte Rechte fortnahm und versuchte, Spanien nach dem Vorbild Frankreichs zu zentralisieren. Das ist lange her, könnte man meinen, aber die Entscheidungen dieses Königs sorgen auch noch 300 Jahre später für hitzige Diskussionen an Küchentischen, Tresen und in Büro-Lounges in Barcelona, Tarragona oder Girona. Doch Tatsache ist: Heute hat Katalonien so viel Autonomie wie nie zuvor in den 300 Jahren vor dem friedlichen Übergang zur Demokratie.

Die Verfassung von 1978 bietet spanischen Regionen wie Katalonien viele Möglichkeiten der Entfaltung. Der spanische Staat ist föderal aufgebaut, die Autonomen Regionen (die einem deutschen Bundesland entsprechen) haben einen eigenen Haushalt und umfassende Rechte. Neben der spanischen Sprache sind auch Baskisch, Katalanisch und Galizisch als offizielle Amtssprachen anerkannt. Und das hat bislang überraschend gut funktioniert. Zu sagen, "Ich bin Katalane und Spanier" war jahrzehntelang kein Widerspruch in Katalonien.

Seitdem die Krise über Spanien hereingebrochen ist, hat sich jedoch viel verändert. Dieser komme entscheidende Bedeutung bei der Frage zu, wie der Spanien-Experte und Historiker Walther L. Bernecker von der Uni Erlangen zu n-tv.de sagte. Denn die Katalanen beschweren sich nun über einen ungerechten Finanzausgleich. Tatsächlich zahlt die Autonome Region mehr an den Staat, als es von ihm zurückbekommt. Und das tut in Zeiten der Einschnitte, Kürzungen und Spardiktate besonders weh. Deutsche kennen die Diskussion. Auch Bayern, Hessen und Baden-Württemberger beschweren sich über den Länderfinanzausgleich.

Fahnenmehr für ein unabhängiges Katalonien am Wochenende.

Fahnenmehr für ein unabhängiges Katalonien am Wochenende.

(Foto: imago/ZUMA Press)

In Katalonien kommt freilich als explosive Kraft der Nationalismus, der Wunsch nach Unabhängigkeit hinzu. An dieser Stelle muss sich Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy fragen lassen, warum er nicht mehr Rücksicht auf die katalanischen Wünsche gezeigt hat. Möglichkeiten hatte der konservative Politiker: Der katalanische Regierungschef Mas soll die Unabhängigkeitspläne erst entschieden vorangetrieben haben, als Madrid ihm den Aufbau einer zentralen Steuerbehörde nach baskischem Vorbild untersagte. 2002 hatte Mas hingegen selbst das Konzept der Unabhängigkeit noch als "antiquiert und ein wenig angerostet bezeichnet".

Wirtschaft würde von Märkten abgeschnitten

Schleierhaft ist allerdings, warum sich die Kassenlage in einem unabhängigen Katalonien verbessern sollte. Katalonien würde mitnichten einen Klotz am Bein verlieren, sondern wie eine Blume ohne Wurzeln verwelken. Wirtschaftlich wäre die Unabhängigkeit ein Sprung in den Abgrund. Das Land würde mit dem restlichen Spanien nicht nur seinen wichtigsten Absatzmarkt verlieren, sondern auch gleich die EU und den Euro verlassen müssen. In dieser Frage hat sich Brüssel bereits eindeutig positioniert. Eine Aufnahme in EU und Währungsunion dürfte ebenfalls schwierig werden, da Spanien dies mit seiner Gegenstimme verhindern würde.

Es würde Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, bis sich daran etwas ändern könnte - Zeit, die die ebenfalls von der Krise getroffene katalanische Wirtschaft nicht hat. Zumal zu befürchten steht, dass ausländische Unternehmen ihre Zweigstellen in andere Teile Spaniens verlegen und es so zu einer Kapitalflucht kommt. Bauern stünden vor der Pleite, weil sie auf die EU-Subventionen verzichten müssten. Kurz: Die Herzkammer der spanischen Wirtschaft würde von ihrem Blutkreislauf abgeschnitten. Will man das? Für einen eigenen Staat?

Schließlich würde die Unabhängigkeit auch das Allerheiligste der Katalanen in die Bredouille bringen: den FC Barcelona. Dessen Präsident hat sich zuletzt besorgt geäußert. "Wenn Katalonien unabhängig ist, wird Barça nicht mehr in der Ersten Liga Spaniens spielen können", sagte Josep Maria Bartomeu. Auch international dürfte ein um Fernseh- und Sponsorengelder amputierter Klub nicht mehr viel zustande bringen. Ob einen echten Fußballfan Regionalderbys gegen Gimnastic de Tarragona oder den FC Girona über den Verlust von Duellen gegen Chelsea, Manchester United und vor allem gegen Real Madrid wirklich hinwegtrösten?

Was Spanien jetzt braucht, ist ein bisschen Ruhe. Ministerpräsident Rajoy mag gehofft haben, dass die Separatisten bei der Wahl verlieren und sich das Problem damit von selbst erledigt - jetzt muss er einen Schritt auf Mas zu machen, statt mit Verfassungsgericht und Amtsenthebung zu drohen. Mas muss sein Gesicht wahren können, die Sorgen der Katalanen müssen endlich ernst genommen werden. Denn von einem eigenen Staat hätte nach Jubelarien und Unabhängigkeitsrausch niemand etwas als einen gewaltigen katalanischen Kater.

Quelle: ntv.de

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