Pegida-Anführerin Oertel bei Jauch Kein Angriff aus der rechten Ecke
19.01.2015, 01:32 Uhr
Kathrin Oertel in der ARD.
(Foto: imago/Müller-Stauffenberg)
Mit dem bisherigen Ergebnis der Montags-Spaziergänge scheint Pegida nicht zufrieden zu sein. Wird es vielleicht gar keine Demos mehr geben? Bei "Günther Jauch" gibt es entsprechende Andeutungen.
Noch ein paar dieser Phrasen, und Kathrin Oertel kann sich für die Führungsebene einer deutschen Partei bewerben. "Die Menschen verstehen es einfach nicht", sagt sie. Es geht um die "Masse an Asylbewerbern", die da angeblich gerade über das Land hereinbricht, weil die Anträge zu lange bei den Behörden liegenbleiben. Der CDU-Politiker Jens Spahn hatte Pegida-Anführerin Oertel gepiesackt und schon einiges erreicht: "Nicht jeder, der straffällig geworden ist, soll ausgewiesen werden", hatte Oertel schon gesagt. Immerhin haben auch die zwielichtigen Gestalten in ihrem Organisationsteam eine zweite Chance verdient. Ja, so eine zweite Chance sollten auch Ausländer haben.

Finden sie das Demo-Verbot in Dresden richtig?
Das war zwar schon ein Widerspruch zum Pegida-Positionspapier (Punkt 9), aber Spahn reichte es noch nicht. Das meiste, was die Dresdner Bewegung fordert, stehe längst im Gesetz, sagt er und da kann Oertel nur noch mit "den Menschen" kommen. Als könnten "die Menschen" alles Mögliche fordern, nur weil sie etwas nicht verstehen. Können sie natürlich. Aber Oertel sieht in diesem Moment aus, als hätte sie sich in den letzten Wochen dann doch mal in die Asylpolitik eingelesen und wäre sich jetzt nicht mehr so sicher, was sie eigentlich fordern möchte.
Es ist Sonntagabend: Wer sich für Pegida interessiert, sitzt jetzt vor dem Fernseher und schaut "Günther Jauch". Die Bewegung hat zum ersten Mal das Angebot einer großen TV-Sendung angenommen und Oertel in Deutschlands Nebenparlament geschickt, wo allwöchentlich Parteipolitiker ihre Phrasen austauschen. Oertel fällt in der Runde vor allem dadurch auf, dass sie die anderen nicht unterbricht, was Politikern traditionell schwer fällt. Die Sendung steht unter dem Eindruck der abgesagten Pegida-Demo an diesem Montag. Islamisten haben zu Anschlägen auf die Organisatoren aufgerufen, die Polizei sieht sich nicht dazu in der Lage, Sicherheit herzustellen.
Kaum Angriffsfläche
In der rechten Ecke stehen dieses Mal Kathrin Oertel und der AfD-Politiker Alexander Gauland. Oertels Rolle ist dabei, die Pegida-Demos möglichst harmlos aussehen zu lassen. So verdruckst, wie sie da sitzt, kann man kaum Angst vor ihr haben. Einer der großen Stars der Pegida-Demos schrumpft in sich zusammen. Wenn das Absicht wäre, wäre es genial. Oertel, der Politik-Lehrling, bietet kaum Angriffsfläche, greift selbst nicht an, verfolgt lieber die anderen in ihrem ritualisierten Streit.
Die Rassisten, denen Oertel ihr Podium manchmal leiht, werden an diesem Abend kaum erwähnt. Die rechten Parolen von den kleinen Pegida-Ablegern in ganz Deutschland auch nicht. Oertel kann über das Problem der "Randgruppe der Rechtsextremen und Hooligans" auf ihren Demos reden. Sie kann Merkel zitieren, die im Oktober 2010 "Multikulti" schon einmal für "gescheitert" erklärt hatte. Sie kann von Hass in deutschen Koranschulen sprechen und von Parallelgesellschaften. Auf nichts davon wird sie festgenagelt. Bevor die anderen Gäste als Zensoren dastehen, fassen sie ihre Gegnerin lieber nur mit Vorsicht an. Ein bisschen steht sie jetzt da wie der Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht los wird. Vielleicht will sie das genau so.
Gauland übernimmt den Job, die Begriffe "Islamisierung" und "Islamismus" so zu verwenden, als wäre damit am Ende ja doch das selbe gemeint. Wer in jeder Moschee ein Sprengstofflager vermutet, ist bei Gauland gerade richtig. Als Partei müsse man halt auch die Menschen mit Vorurteilen für sich gewinnen, sagt er. So einfach kann das sein.
Den Abgeordneten anrufen?
Mit dem "Erklären von Politik", wovon mal wieder viel die Rede ist, hat das wenig zu tun. Dafür ist die linke Ecke zuständig, besetzt von Jens Spahn und Wolfgang Thierse, der für die SPD bis 2005 Bundestagspräsident war. So richtig verstehen wollen sie Oertels Probleme aber nicht. Wer unzufrieden ist, möge bitte seinen Bundestags- oder Landtagsabgeordneten anrufen und sein Anliegen vortragen. So einfach kann das sein, auch auf dieser Seite.
Wenn Abgeordnete den Kontakt zum Wähler verlieren, werden sie nicht wieder gewählt, sagt Thierse. Die Wahlbeteiligung liege in Sachsen ja auch nur bei 50 Prozent, sagt Oertel und hat einfach Recht. Die Politiker müssten das Volk an der Politik wieder teilhaben lassen, sagt sie. Thierse verweist darauf, dass die SPD ja gerne mehr direkte Demokratie eingeführt hätte und hat damit einfach Unrecht. Parteipolitiker haben kein Interesse daran, ihre eigene Macht zu beschneiden, das haben sie wirklich lange genug bewiesen.
Wirklich miteinander sprechen
Wenn die Politiker nur manchmal etwas mehr wären wie Frank Richter. Der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung bemüht sich seit den ersten Pegida-Wochen so sehr wie kein anderer um einen echten Dialog. Er sagt, dass die Demonstranten das Gefühl hätten, von Politikern "von oben herab" behandelt zu werden. Und dabei gehe es gar nicht so sehr um Zuwanderung, sondern um eine Entsolidarisierung der Gesellschaft, um die Maut und um die – Achtung – nicht eingehaltenen Maastricht-Kriterien. Nach dem in Berlin verbreiteten Klischee weiß der gemeine Pegida-Anhänger gar nicht, was das überhaupt ist.
Wenn Politiker wären wie Frank Richter, hätte es die Beleidigungen gegen die Bewegung nicht gegeben und hätte sich diese nicht im Trotz vervielfacht. Das sehen wohl auch Spahn und Thierse ein: Beide verteidigen nicht die "Nazis in Nadelstreifen" und auch nicht die "Schande" – die Begriffe, mit denen ihre Kollegen Pegida betitelten. Nicht einmal der Kanzlerin wird beigesprungen, als Richter ihr empfiehlt, von Berlin aus keine Ferndiagnosen abzugeben. Aber ob ein Politiker, der so gelassen wie Frank Richter daherkommt, jemals gewählt würde?
Und wie geht das jetzt weiter mit Pegida? "Sie können ja nicht ewig weitermachen wie bisher", sagt Jauch. Oertel druckst schon wieder rum. Jauch scheint mehr zu wissen als der Zuschauer und hakt nach, was er selten genug tut. Pegida will weiter "Druck ausüben". Man sei "dabei, eine Möglichkeit zu finden", sagt Oertel und klingt dabei unsicher. Hat sie vielleicht erkannt, dass man schlauerweise zuerst eine Forderung aufstellt und dann erst demonstriert? "Wir wollen sagen, dass wir auf gar keinen Fall aufgeben", sagt sie einstweilen.
Quelle: ntv.de