Kein Nawalny-Befund an Moskau Kreml spricht von "feindlicher Provokation"
09.09.2020, 18:22 Uhr
Der deutsche Botschafter in Moskau, Geza Andreas von Geyr, verlässt nach dem Gespräch das russische Außenministerium.
(Foto: dpa)
Im Streit um den Kreml-Kritiker Nawalny wird der Ton zwischen Berlin und Moskau rauer. Russland bestellt den deutschen Botschafter ein und zeigt sich empört darüber, dass es die Laborbefunde zur Vergiftung nicht bekommt. Die deutsche Seite hat schon eine Antwort parat.
Russland hat im Fall des vergifteten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny die Haltung der Bundesregierung scharf kritisiert, Moskau vorerst nicht die genauen Befunde des Bundeswehr-Speziallabors zur Verfügung zu stellen. Der deutsche Botschafter in Moskau, Geza Andreas von Geyr, sei einbestellt und gewarnt worden, dass die Verweigerung von Informationen als "grobe, feindliche Provokation" betrachtet werde, die Folgen für die russisch-deutschen Beziehungen haben werde, teilte das russische Außenministerium mit.
Demnach forderte Moskau von Berlin "alle medizinischen Daten, einschließlich biologischen Materials, Untersuchungsergebnissen und Proben" Nawalnys, um sie von russischen Spezialisten gründlich untersuchen und überprüfen zu lassen. Zugleich protestierte Moskau gegen "unbegründete Anschuldigungen und die Ultimaten" Deutschlands gegenüber Russland. Die Bundesregierung nutze den Fall Nawalny, um Russland "auf der internationalen Bühne zu diskreditieren", erklärte das Ministerium.
In deutschen Botschaftskreisen hieß es danach, Geyr habe die "eindeutige Haltung" der Bundesregierung dargelegt. "Herr Nawalny wurde Opfer eines in Russland verübten Verbrechens, nachweislich mit dem in Russland entwickelten Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe." Es liege daher an Russland, sich "zu diesem international geächteten Einsatz" des Nervengiftes zu erklären. Der Botschafter habe zudem auf Erklärungen der EU, der Nato, der G7 und anderer Staaten verwiesen, hieß es weiter. Beim Fall Nawalny handele es sich nicht um eine rein deutsch-russische Angelegenheit.
Deutschland will Angelegenheit über OPCW regeln
Die Bundesregierung hatte zuvor mitgeteilt, sie werde Russland zunächst nicht die genauen Befunde des Bundeswehr-Speziallabors zur Verfügung stellen. Die Laborergebnisse seien der internationalen Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) übermittelt worden, der auch Russland angehöre, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin. Vizeregierungssprecherin Martina Fietz sagte, die Bundesregierung werde "das weitere Vorgehen" und "alle weiteren Fragen" über die OPCW zu klären versuchen. "Russland hat die Informationen, die jetzt gebraucht werden, und nicht Deutschland", sagte Fietz.
Nach Angaben der Bundesregierung ist "zweifelsfrei" erwiesen, dass der 44-jährige Gegner von Staatschef Wladimir Putin mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Seit dem 22. August wird Nawalny in der Berliner Charité behandelt. Diese Woche wachte er aus dem Koma auf. In Deutschland ist über den Fall eine Debatte entbrannt, ob die Bundesregierung deswegen die deutsch-russische Ostseepipeline Nord Stream 2 stoppen soll.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa/AFP