Historische Koalition in Thüringen? Landesspitze der SPD empfiehlt Rot-Rot-Grün
20.10.2014, 20:23 Uhr
Die SPD-Führung in Thüringen will einen Regierungswechsel zu Rot-Rot-Grün. Sie gibt eine Koalitionsempfehlung für Linke und Grüne und damit gegen die CDU ab. Darüber muss nun die SPD-Basis in einer Mitgliederbefragung entscheiden. Bei einem positiven Votum könnte Thüringen den ersten Linkspartei-Ministerpräsidenten stellen.
Mit Thüringen könnte Deutschland schon in wenigen Wochen die erste von einem Linken-Politiker geführte Landesregierung stellen. Die SPD-Spitze des ostdeutschen Bundeslandes empfahl eine Koalition mit den Grünen unter Führung der Linkspartei.
Bodo Ramelow spielte die Bedeutung des Farbenspiels der künftigen Regierungskoalition in Thüringen zuvor herunter. "Rot-Rot-Grün ist für mich erst einmal eine Thüringer Angelegenheit", sagte der 58-Jährige. "Wir wollen beweisen, dass wir bei Problemlösungen alltagstauglich sind", sagte er am Abend in Erfurt.
Durch das Ja könnte die SPD mit Ramelow den ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei in den Sattel hieven. In der Bundes-SPD ist damit die Hoffnung verbunden, dass sich ihre Chancen verbessern, ab 2017 den Bundeskanzler zu stellen.
"Rot-Rot-Grün könnte eine Normalisierung insoweit bedeuten, dass es die moderaten Kräfte in der Linkspartei stärkt und die Desperados ein wenig schwächt", hieß es in der Spitze der Bundes-SPD. "Und das wiederum ist eine Voraussetzung dafür, dass man überhaupt reden kann mit der Linkspartei auf Bundesebene." Eine Weichenstellung für die Bundestagswahl sei das aber nicht.
Ähnliches ist in der Berliner Spitze der Linkspartei zu hören. "Damit werden natürlich die Reformer gestärkt", hieß es dort. Damit gewänne dann der Parteiflügel an Gewicht, der offener als die streng sozialistischen Fundamentalisten für eine Zusammenarbeit mit der SPD ist. Einen Durchbruch für Rot-Rot-Grün auf Bundesebene stelle diese Konstellation in Thüringen nicht dar, könne aber ein Schritt in diese Richtung sein.

Andreas Bausewein (SPD, l.), Susanne Hennig-Wellsow (Linke) und Anja Siegesmund (Grüne) werden sich in Zukunft wohl häufiger sehen.
(Foto: dpa)
Eine Eintrübung der Stimmung in der Großen Koalition aus Union und SPD im Bund wird bei den Sozialdemokraten nicht befürchtet. "Der Groll, dass die ein weiteres Ministerpräsidentenamt verliert, wird sich legen", heißt es zuversichtlich bei der SPD. An den Machtverhältnissen im Bund würde sich wenig ändern: Im Bundesrat haben Union und SPD ohnehin keine eigene Mehrheit und auch keine Aussicht darauf, nachdem sich die SPD in Brandenburg für eine Fortsetzung der rot-roten Koalition entschieden hatte.
Belastetes Verhältnis
In der SPD gibt es Stimmen, die Rot-Rot-Grün in Thüringen als eine Voraussetzung sehen, das vor allem durch Differenzen in der Außen- und Sicherheitspolitik belastete Verhältnis zur Linkspartei zu entspannen. Wenn die SPD nach 2017 den Kanzler stellen wolle, müsse sie vor der Bundestagswahl zu allen Oppositionsparteien so gute Beziehungen haben, dass eine Koalition nicht von vornherein ausgeschlossen sei. Andernfalls sehe es schlecht aus: "Wenn wir keine realen Machtoptionen haben, wählen uns die Leute nicht", sagte ein Spitzengenosse.
Auch die Grünen sehen in Thüringen nur eine Wegmarke, aber keine Festlegung auf Optionen für die Bundestagswahl. "Rot-Rot-Grün in Thüringen wird unter besonderer Beobachtung stehen", sagt Grünen-Spitzenkandidatin Anja Siegesmund voraus. Hier müsse sich die Tragfähigkeit einer derartigen Konstellation zeigen. "Es ist aber keine Blaupause für eine bundesweite Debatte."
Bisher waren die Grünen nur einmal in einem ostdeutschen Land an der Regierung beteiligt: 1994 bildeten sie mit der SPD eine von der PDS tolerierte Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt.
An der erfolgreichen Wahl eines Ministerpräsidenten Ramelow, wenn Koalitionsverhandlungen gut verliefen sowie SPD-Basis und Grüne zustimmten, hat Siegesmund keine Zweifel. Sie führt ein formales Argument ins Feld - die Landesverfassung. "Im dritten Wahlgang ist der Kandidat gewählt, der die meisten Stimmen auf sich vereinen kann", sagt die Grünen-Spitzenkandidatin. Eine absolute Mehrheit ist dann nicht mehr erforderlich.
Quelle: ntv.de, rpe/rts