Angebliches Zwei-Stufen-Szenario London wirft Russland "Regime Change"-Pläne vor
14.02.2022, 13:58 Uhr
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko ist, wenn die britischen Informationen zutreffend sind, im Visier des russischen Geheimdienstes FSB.
(Foto: picture alliance/dpa/Pressedienst Vitali Klitschko)
Unmittelbar nach einer Invasion der Ukraine solle der russische Geheimdienst FSB einen Putsch in den urbanen Zentren des Landes durchführen, sagt die britische Regierung. Demnach soll so ein blutiger und riskanter Kampf um die ukrainischen Städte vermieden werden.
Der russische Geheimdienst FSB soll die Aufgabe bekommen haben, nach einer Invasion des Landes Aufstände in den größten ukrainischen Städten zu inszenieren. Das berichtet der britische "Guardian". Demnach wolle Russland im Fall eines Angriffs auf die Ukraine zunächst militärische Ziele attackieren und anschließend die Hauptstadt Kiew und möglicherweise andere ukrainische Großstädte einkreisen. "FSB-Saboteure" sollten dann in diesen Städten prorussische Führungen installieren.
Die Zeitung betont, es seien keine konkreten Beweise für die Existenz eines solchen Zwei-Stufen-Plans vorgelegt worden, aber die britische Regierung halte ihn dennoch für ein zentrales Invasionsszenario, das auf einen "Regimewechsel" in der Ukraine abziele. Russland wolle so versuchen, "einen blutigen und risikoreichen Krieg in den Städten nach einem Angriff auf sein Nachbarland zu vermeiden", schreibt der "Guardian".
Aus Kreisen der Bundesregierung hieß es am Sonntag, die in diesen Tagen häufig zitierten Geheimdienstberichte bedeuteten nicht, dass es auf jeden Fall Krieg geben werde, sondern dass die Lage sehr kritisch und sehr gefährlich sei. Bundeskanzler Olaf Scholz wird heute zu Gesprächen in Kiew erwartet und reist morgen nach Moskau.
Britischer Verteidigungsminister brach Urlaub ab, weil er von baldiger Invasion ausgeht
Sowohl die USA als auch Großbritannien gehen davon aus, dass Russland eine Streitmacht zusammengestellt hat, die in der Lage ist, in die Ukraine einzumarschieren, nachdem es mehr als 135.000 Soldaten an den Grenzen des Landes zusammengezogen hat. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace sagte am Wochenende, er halte einen Angriff nun für "sehr wahrscheinlich" und brach deswegen seinen Familienurlaub ab.

Die prorussischen Separatisten sollen vom russischen Geheimdienst FSB politisch unterstützt werden.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Beide westlichen Länder haben in den letzten Wochen eine Reihe nachrichtendienstlicher Warnungen über Russlands Absichten gegenüber der Ukraine ausgesprochen. Eine davon war, der Kreml plane Operationen unter "falscher Flagge" als Vorwand für eine Invasion, und dass hierfür eine Gruppe von fünf meist ehemaligen ukrainischen Politikern für die Teilnahme an einem Staatsstreich rekrutiert worden sei.
Einige von ihnen sind in Kiew und anderswo kritisch aufgenommen worden. Vier der fünf Politiker seien inzwischen in Moskau, so dass ihre Verbindungen zu Russland öffentlich bekannt sind, während der fünfte, der ehemalige ukrainische Abgeordnete Jewhen Murajew, dem "Guardian" zufolge erklärte, er sei aus Russland verbannt worden und es gebe "keine öffentlichen Beweise" für seine Beteiligung.
Putin und Selenskyj sprechen beiderseits von Panikmache
Russland bestreitet, dass es Pläne für einen Angriff auf sein südliches Nachbarland hat, und bezeichnete westliche Warnungen als "Hysterie". Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versuchte ebenfalls, die Wahrscheinlichkeit einer Invasion herunterzuspielen, indem er am Samstag sagte: "Im Moment ist der größte Feind des Volkes die Panik."
In der Ukraine herrscht laut "Guardian" Skepsis, ob es überhaupt möglich wäre, in Kiew und anderen größeren Städten eine prorussische Führung zu installieren, selbst wenn es zu einem militärischen Einmarsch käme, da die Öffentlichkeit im Land Moskau gegenüber sehr feindselig eingestellt sei. Westliche Quellen befürchten jedoch, dass der russische Präsident Wladimir Putin die öffentliche Meinung in der Ukraine nicht richtig einschätzt. "Viele überoptimistische Einschätzungen werden bis in die Kremlspitze getragen", zitiert der "Guardian" einen Regierungsvertreter.
Seit Beginn des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine 2014 gab es wiederholt Hinweise auf Aktivitäten des FSB in dem Land. Ende November letzten Jahres sagte Selenskyj, dass der Plan für einen Putschversuch aufgedeckt worden sei.
Quelle: ntv.de, mst