Politik

Ein wenig Trump und viel "Kasperl" Lugner mischt Österreichs Politik auf

Der "Kasperl" und die junge Frau: Die Lugners im Jahr 2015 beim Opernball.

Der "Kasperl" und die junge Frau: Die Lugners im Jahr 2015 beim Opernball.

(Foto: dpa)

Vom Trash-Fernsehen in die Hofburg: Richard Lugner will Österreichs Präsident werden. Der Baulöwe und sein "Spatzi" Cathy bieten eine Peinlichkeit nach der anderen. Trotzdem könnte Lugner eine wichtige Rolle zukommen.

Als Armin Wolf beschloss, Richard Lugner ernst zu nehmen, bekam er sehr schnell sehr schlechte Laune. Der ORF-Moderator ist der Claus Kleber Österreichs, er moderiert ZiB2, die wichtigste Nachrichtensendung des Landes. Am Dienstagabend saß Richard Lugner neben Wolf, der Bauunternehmer trug ein grünlich schimmerndes Sakko mit Vogelfiguren und schaute hinüber mit seinen schläfrigen Augen, von denen das linke etwas hängt, was seinen Blick ein wenig treudoof erscheinen lässt. Ein harmloser alter Mann mit Hang zur Selbstinszenierung, so sehen die meisten Menschen in Österreich ihren "Mörtel", den König des Opernballs und den Hofnarren des Trash-TV. Derzeit will er mal wieder Bundespräsident werden, deswegen besuchte er Wolf in der ZiB2. Nur war der Anchorman nicht in der Stimmung, einfach nur ein bisschen mit Lugner zu plaudern. Stattdessen packte Wolf seine ganze Empörung gleich in die erste Frage: "Wie sehr kann man eine Bundespräsidentschaftswahl verblödeln?"

Das Rennen um die Hofburg

Die Österreicher wählen am 24. April ihren neuen Bundespräsidenten. Anders als in Deutschland wird das Staatsoberhaupt direkt gewählt. Erreicht keiner der Kandidaten in der ersten Runde über 50 Prozent der Stimmen, entscheidet eine Stichwahl am 22. Mai, zu der die zwei Bewerber mit den meisten Stimmen antreten. Es kandidieren:

Der ehemalige Bundessprecher der Grünen, Wirtschaftswissenschaftler Alexander von der Bellen (72 Jahre alt) als unabhängiger Kandidat. Umfragen sehen ihn im ersten Wahlgang bei 24 bis 29 Prozent.

Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Höfer (45), ein gelernter Ingenieur. Er geht für die rechtspopulistische FPÖ ins Rennen und liegt bei 22 bis 24 Prozent.

Irmgard Griss (69), ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshof und unabhängige Kandidatin. Sie kommt in Umfragen derzeit auf 18 bis 24 Prozent.

Für die SPÖ Rudolf Hundstorfer (64), ehemaliger Gewerkschaftsboss und Verbraucherminister. Seine Werte schwanken zwischen 14 und 17 Prozent.

Andreas Khol (74) für die ÖVP. Der Jurist arbeitete als Universitätsprofessor und war 2002 bis 2006 Nationalratspräsident. Umfragen sagen ihm 9 bis 13 Prozent der Stimmen voraus.

Richard Lugner (83) als unabhängiger Kandidat. Der Bauunternehmer ist mit 2 bis 5 Prozent in den Umfragen krasser Außenseiter.

Warum Lugner überhaupt antritt, weiß wohl nicht mal er selbst genau. Eine Zeitung habe ihn angerufen und gefragt, warum er nicht kandidiere – da habe er halt mitgemacht. So erzählte er es unlängst in einer anderen ORF-Sendung. In den Wahlkampf geht Lugner als "Kasperl", wie er in einer gewohnt launigen Pressekonferenz verkündete. "Die anderen sind die Bösen, und das Kasperl gewinnt immer." Er steht außerhalb des politischen Systems, gehört keiner Partei an, das will der 83-Jährige damit sagen. Ein "Mann des Volkes" will er sein. Und was macht das Volk? Es belächelt ihn. Die 6000 Unterschriften für seine Kandidatur bekam er nur zusammen, weil er Unterstützer und solche, die es eigentlich nie werden wollten, in einer weißen Limousine zum Amt karrte. Die Wahlkampfhelfer schenkten im Nobelwagen Sekt aus - in Plastikbechern.

Für solche Aktionen ist sich Lugner nicht zu schade. Eigentlich ist er sich zu nichts zu schade, genau dafür lieben ihn seine Fans. In seinem Wahlkampf-Song "Lugner for President" stolpert er durch Zeilen wie "Wenn die Regierung Scheiße baut, wird sie einfach ausseg’haut". Viele Österreicher finden das offenbar lustig, fast 300.000 mal wurde das Video auf YouTube schon geklickt. Alpha-Journalist Armin Wolf kann darüber nicht lachen - denn so unwichtig das Amt des Bundespräsidenten in Österreich eigentlich ist, dieses Mal könnte die Wahl einen großen Einfluss auf die politische Zukunft des Landes haben. Auch wenn der "Kasperl" Lugner keine Chance hat, könnte er eine wichtige Rolle spielen - vielleicht sogar die des Spielverderbers für die FPÖ.

Lugner steht für Erfolg

Die Rechtspopulisten feierten zuletzt bei vier Wahlen Stimmenzuwächse – in der Steiermark, in Oberösterreich, im Burgenland und selbst im roten Wien. In der Sonntagsfrage liegt die FPÖ seit Monaten mit rund 32 Prozent weit vor ÖVP (24 Prozent) und SPÖ (22 Prozent), die im Bund eine Große Koalition unter Führung der Sozialdemokraten bilden. Spätestens im Herbst 2018 wird das Parlament neu gewählt, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist optimistisch, dann ins Kanzleramt einzuziehen – so optimistisch, dass er auf eine aussichtsreiche Kandidatur als Bundespräsident verzichtete. Stattdessen schickte die Partei Norbert Hofer ins Rennen, der sich, glaubt man den Umfragen, mit der unabhängigen Irmgard Griss um den zweiten Platz und damit den Platz in der Stichwahl mit Alexander von der Bellen streitet.

Was Norbert Hofer in dieser Situation nicht braucht, ist ein Kandidat Lugner. Der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer sagte der Zeitung "Die Presse" vor einigen Wochen, es könnte sehr eng werden im Rennen um Platz zwei – und jede Stimme für Lugner könne einem anderen Kandidaten im Endspurt fehlen. Wer darunter leider könnte, liegt auf der Hand, "Mörtel" holt seine Stimmen in derselben Klientel wie die FPÖ: bei den Enttäuschten und am Stammtisch. Ein ausgefeiltes politisches Programm braucht es da nicht, ein Name und ein Image reichen. Da ähneln sich der gelernte Baumeister und Donald Trump, dessen Wahlkampf sich Lugner laut eigener Aussage zum Vorbild genommen hat, wie er sagt. Trump setzte von Anfang an auf seinen Namen, den er über die Jahrzehnte zu einer Marke gemacht hat, zu einem Synonym für Reichtum, für Erfolg.

Wurschtigkeit als Prinzip

Auch Lugner steht für Erfolg. Als Baumeister bekannt geworden, eröffnete er 1990 die Lugner-City, sein Einkaufszentrum in Wien. Sein Vermögen schätzte er 2013 auf 145 Millionen Euro, damit würde er zu den 100 reichsten Österreichern gehören. Würde, denn gleichzeitig kursieren Meldungen über einen Schuldenberg von 65 Millionen Euro. Die Quelle: Lugner selbst. Was bei "Mörtel" Wahrheit ist, was Inszenierung, es war stets schwer zu sagen. Lugner steht eben auch für Wurschtigkeit, für Peinlichkeiten, für Schamlosigkeit. Seine Frauengeschichten sind Legion. Als er 1998 schon einmal für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, stöckelte noch "Mausi" an seiner Seite. Es folgten "Hasi", "Käfer", "Bambi", "Katzi" und "Kolibri". Heute heißt seine Frau "Spatzi", bürgerlich Cathy Schmitz, bekannt geworden als Playboy-Bunny und in der gemeinsamen Show "Die Lugners". Für die deutschen Fernsehzuschauer sendet RTL II in "Der Millionär und das Bunny" alles Wissenwerte über das streitlustige Paar. Wenn die Lugners auf dem Opernball Streit haben, kann die Öffentlichkeit daran Anteil nehmen – und an der Versöhnung natürlich auch.

Die Österreicher wissen viel über Lugner, wahrscheinlich viel mehr, als sie wissen wollen. Auch da ähnelt er Trump. Und ja, natürlich hat auch Lugner schon über seine Ausstattung geredet, wenn auch nicht so selbstbewusst wie "The Donald". Was die Österreicher aber nicht wissen: Wofür Lugner politisch eigentlich genau steht. Klar ist nur, wofür er nicht steht, nämlich eine Fortsetzung der Großen Koalition. Im Interview mit ORF-Mann Armin Wolf wetterte der 83-Jährige gegen die "Zweiparteiendiktatur" von SPÖ und ÖVP. Noch eine Große Koalition, sagte Lugner, würde er als Präsident nicht angeloben. Ob er die aktuelle Regierung dann auch sofort entlassen würde, fragte Armin Wolf. Lugner, plötzlich ganz staatsmännisch, wollte darüber erst einmal mit Kanzler und Vize-Kanzler diskutieren. Das salomonische Urteil: Wenn sie versprechen, sich nicht mehr zu streiten, lasse er sie gewähren.

Mit seiner Abneigung gegen Rot-Schwarz trifft Lugner den Nerv in der Bevölkerung. Die Kandidaten der beiden Volksparten liegen in den Umfragen abgeschlagen hinter den anderen Bewerbern, schlechter schneidet bislang nur Lugner ab. Die Führungsposition hält mit Alexander von der Bellen ein unabhängiger Kandidat, der früher zum Spitzenpersonal der Grünen gehörte. Eine Überraschung für all jene, die mit einer Fortsetzung des Rechtsrucks in Österreich rechneten. Von der Bellen positioniert sich klar gegen die FPÖ, ein zentrales Wahlversprechen des 72-Jährigen sorgte vor zwei Monaten für Aufsehen: "Eine Regierung unter einem Kanzler Heinz-Christian Strache würde ich nicht angeloben."

Ob das überhaupt in der Macht des Präsidenten liegt, ist umstritten. Thomas Klestil versuchte 2000 alles, um die Koalition zwischen der ÖVP und Jörg Haiders FPÖ zu verhindern. Er lehnte einige FPÖ-Minister ab, die Regierung kam trotzdem zustande. Genau wie ein legendäres Bild: Kanzler Wolfgang Schüssel und Haider schütteln einander lächelnd die Hände, Klestil schaut mit versteinerter Miene in die Kamera. Für die aufstrebende FPÖ wäre ein Präsident von der Bellen jedenfalls ein Störfaktor, auch wenn mit dem Amt ähnlich wie in Deutschland hauptsächlich repräsentative Funktionen verbunden sind.

Ein Erfolg von Norbert Hofer bei den Wahlen wäre hingegen ein weiteres Argument für vorgezogene Neuwahlen, die wohl mit einem Sieg der Rechten enden würden. Diesen Erfolg aber gefährdet Richard Lugner mit seiner Kandidatur. Eine Lösung allerdings gäbe es für die FPÖ: Die Kandidatur von Hofer zurückziehen und auf Lugner setzen. Auch wenn "Mörtel" immer betont, kein FPÖ-Sympathisant zu sein, in seinem Wahlkampf-Song klingt das anders: "Wenn die Linken noch so toben, würd ich den Strache angeloben. Damit es endlich besser rennt, brauch mal den Lugner als Präsident!"

Quelle: ntv.de

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