Daten werden geprüft Merkel befürchtet Schaden
29.11.2010, 17:05 Uhr
Merkel will sondieren, ob es internationale Verwerfungen gibt.
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Das politische Berlin reagiert trotz einiger anderslautender Bekundungen unruhig auf die Veröffentlichung von vertraulichen US-Unterlagen durch die Internetplattform Wikileaks. Die Regierung macht sich Gedanken um außenpolitische Konsequenzen auch für Deutschland. Intern wird auch nach dem deutschen Informanten der Amerikaner gesucht - wenn auch nur ein bisschen.

Wikileaks hatte die Veröffentlichung der brisanten Dokumente angekündigt und der US-Regierung die Möglichkeit gegeben, darauf zu reagieren.
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Die Bundesregierung zeigt sich tief besorgt über mögliche internationale Auswirkungen auf die Veröffentlichung von vertraulichen US-Dokumenten. Die Enthüllungen durch das Internet- Portal Wikileaks könnten zu "politischen Verwerfungen" führen und politische Prozesse stören, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
"Es ist nicht auszuschließen, dass Sicherheitsbelange unseres Landes und unserer Verbündeten in schadhafter Weise beeinträchtigt worden sind", meinte auch der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke. Es gehe um einen Vorgang "von möglicherweise erheblicher außenpolitischer Tragweite".
Die Bundesregierung sieht aber das Verhältnis zu Washington durch die teils negativen Einschätzungen von Spitzenpolitikern wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) durch US-Diplomaten nicht belastet. Man bedaure, dass diese auf illegale Art und Weise an die Öffentlichkeit geraten seien, sagte Seibert. Die robusten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten würden aber dadurch in "keiner Weise" getrübt. Die in Jahrzehnten gewachsene tiefe Freundschaft beruhe auf gemeinsamen Werten.

Schadensbegrenzung: US-Präsident Obama wird mit so einigen seiner Verbündeten sprechen müssen.
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Das Auswärtige Amt will die Dokumente jetzt intensiv prüfen. "Das ganze Ausmaß ist noch nicht absehbar", erklärte Peschke zu möglichen Folgen. Dies gelte weniger für die internen US-Bewertungen von deutschen Politikern, sondern vielmehr für Vorgänge wie im Nahen und Mittleren Osten: "Da liegt für uns die eigentliche Bedeutung dieser Veröffentlichungen." Außenminister Guido Westerwelle (FDP) habe sie mit der "gebotenen Ernsthaftigkeit" zur Kenntnis genommen, so Peschke. Nach Ansicht Seiberts haben die Passagen über deutsche Politiker in den Berichten aus der Berliner US-Botschaft eher das "Niveau des Lästerns".
"Schlimm und unappetitlich" nannte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Vorgang. Er habe persönlich kein Interesse daran, die kritischen Kommentare von US-Diplomaten zu lesen. Er kenne noch nicht einmal seine eigenen Stasi-Akten.
Keine große Suche nach der Quelle
Im Blick auf mögliche deutsche Informanten der US-Botschaft betonte Seibert, man werde nicht "detektivisch" nach diesen Quellen suchen. In den Depeschen der Berliner US-Botschaft ist davon die Rede, dass ein "junger, aufstrebender Parteigänger" der FDP die Amerikaner über Interna wie die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP auf dem Laufenden gehalten habe.
FDP-Chef Guido Westerwelle bezweifelt, dass ein FDP-Mitglied die Amerikaner im Herbst 2009 über Interna aus den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen informiert hat. "Ich glaube diese Geschichte so nicht", sagte der deutsche Außenminister. Er werde sie deshalb auch nicht weiter bewerten.
Entwicklungsminister Dirk Niebel wies solche Verdächtigungen zurück. "Ich halte den Vorwurf für geradezu lächerlich. Ich bestreite, dass es einen Informanten gibt", sagte der frühere FDP- Generalsekretär in der ARD. Unions-Fraktionschef Volker Kauder forderte Washington indirekt auf, sensible Daten besser zu schützen.
Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, sprach von einem Vertrauensbruch in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Man müsse jetzt fast bei Null wieder anfangen, sagte er. "Die Ära, wo man vertraulich miteinander spricht und sagt: Keine Sorge, das wird nicht in die Zeitung kommen, die ist vorbei.
Negative Kommentare
"Wikileaks hat mehr als 250.000 Berichte und Depeschen von US-Diplomaten in aller Welt veröffentlicht, darunter Details aus vertraulichen Gesprächen sowie persönliche Einschätzungen ausländischer Politiker. Beispielsweise wird Bundesaußenminister Westerwelle als inkompetent und eitel beschrieben, auch Merkel gibt es negative Kommentare.
US-Außenministerin Hillary Clinton hatte Westerwelle vorab angerufen und ihn über die Veröffentlichungen informiert. Dabei habe Clinton ihr Bedauern über die Veröffentlichung des vertraulichen Materials zum Ausdruck gebracht, sagte Peschke. Auch der US-Botschafter in Deutschland, Philip Murphy, war wegen des Vorgangs im Kanzleramt vorstellig geworden und hatte ebenfalls sein Bedauern geäußert.
Quelle: ntv.de, dpa