Bleiberecht für Millionen Bürger Merkel lobt Mays Vorstoß zu EU-Bürgern
23.06.2017, 07:11 Uhr
Gute Stimmung trotz Brexit-Gesprächen? Merkel (M.) und May mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron (l.).
(Foto: picture alliance / Geert Vanden )
Der EU-Gipfel bringt eine erste Entscheidung in den Brexit-Verhandlungen: Millionen EU-Bürger müssen Großbritannien nicht verlassen. Kanzlerin Merkel lobt den Vorstoß aus London - Grund zum Jubel sieht sie aber noch nicht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Vorschläge der britischen Regierung zu den künftigen Rechten der EU-Bürger in Großbritannien als "guten Anfang" bezeichnet. Nach den Gesprächen mit Premierministerin Theresa May in Brüssel sagte die Kanzlerin, es stellten sich beim Brexit aber "natürlich noch viele, viele Fragen", etwa nach den Finanzen oder auch beim Thema Nordirland.
"Wir haben hier noch viel zu tun", sagte die Kanzlerin. Der Gipfel habe dem EU-Verhandlungsführer Michel Barnier seine volle Unterstützung in diesen "sehr komplizierten Verhandlungen" über den EU-Ausstieg Großbritanniens zugesagt.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, der britische Vorschlag sei ein erster Schritt. "Aber dieser Schritt ist nicht ausreichend." Österreichs Regierungschef Christian Kern sagte, man sei jetzt "gerade mal an der Startlinie dieses Prozesses - und wissen noch nicht, ob es ein 100-Meter-Lauf wird oder doch ein Marathon". Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sieht im Bleiberecht kein großes Zugeständnis Londons. "Alles andere wäre ja eine Kampfansage an die Europäische Union gewesen", sagte er im Deutschlandfunk. Er fügte aber hinzu: "Es ist ein guter Ansatz."
"Keine Familien auseinanderreißen"
Zuvor hatte sich May nach Angaben aus britischen Regierungskreisen erstmals konkret zu den Rechten der in Großbritannien lebenden EU-Bürger nach dem Brexit geäußert. Demnach soll kein EU-Bürger, der sich derzeit rechtmäßig in Großbritannien aufhält, mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU zum Verlassen des Landes aufgefordert werden. Zugleich lehnte die britische Regierungschefin entschieden die Forderung der übrigen EU-Staaten ab, dass der Europäische Gerichtshof in Luxemburg bei Streitfällen um die Rechte der EU-Bürger zuständig sein solle. Vielmehr sollen britische Gerichte dabei die Hoheit haben.
Am Freitagmorgen bekräftigte sie den Vorschlag. "Wir wollen allen EU-Bürgern Gewissheit geben, die sich zu einem Leben in Großbritannien entschlossen haben", sagte sie in Brüssel. Man wolle keine Familien auseinanderreißen. Sie habe den übrigen 27 EU-Ländern ein "sehr faires und ernsthaftes Angebot" gemacht und wünsche sich, dass die Partner gleiche Zusagen auch an die Briten in der EU gäben. Die Einzelheiten würden natürlich Gegenstand der Verhandlungen über den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs sein, so May.
Die EU und Großbritannien hatten am Montag mit den Verhandlungen über den EU-Austritt begonnen. Dabei sollen neben dem Status der EU-Bürger zuerst auch die Finanzforderungen der EU an London wegen bereits eingegangener Verpflichtungen geklärt werden. Erst wenn bei Austrittsfragen "ausreichender Fortschritt" erreicht ist, will die EU mit London auch über das künftige Verhältnis und ein mögliches Handelsabkommen sprechen.
Ringen um Agentur-Standorte
Am ersten Gipfeltag hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die 27 anderen Staats- und Regierungschefs der EU den Ausbau der militärischen Zusammenarbeit und einen Verteidigungsfonds für gemeinsame Rüstungsprojekte beschlossen.
Zudem wurde geregelt, wie über die künftigen Standorte der EU-Arzneimittelagentur EMA und der Bankenaufsicht EBA entschieden werden soll. Die deutschen Bewerberstädte Bonn und Frankfurt am Main werden demnach erst im November erfahren, ob sie nach dem Brexit eine der aus London abziehenden EU-Behörden beherbergen dürfen.
Die Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass es im Oktober noch eine politische Diskussion über die Bewerbungen geben soll. Erst danach wird es dann im November bei einem EU-Ministertreffen eine geheime Wahl nach Art des Eurovision Song Contest geben, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk mitteilte. Deutschland bewirbt sich mit Bonn um die EMA und mit Frankfurt um die EBA. Das Gipfeltreffen geht heute mit Beratungen über Wirtschaft, Handel und Migrationspolitik weiter.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa