Koalitionskrach wegen BND-Affäre Merkel und Gabriel nicht auf einer Linie
06.05.2015, 07:29 Uhr
Die Stimmung war schon einmal besser: Merkel und Gabriel im Bundestag.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Bundestag befasst sich heute mit der Affäre um BND und NSA. Doch das Klima ist vergiftet. Vor allem SPD-Chef Gabriel versuche, die Koalitionsarbeit unnötig zu belasten, heißt es aus der Union. Seine Aussagen zum Mitwissen der Kanzlerin seien heuchlerisch.
In der Affäre um den Bundesnachrichtendienst (BND) und den US-Geheimdienst NSA sind Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel nicht auf einer Linie. Nachdem Merkel eine Herausgabe der NSA-Selektorenliste vorerst ablehnte, sprach sich Gabriel Dienstagabend im ZDF für diesen Schritt aus. Kurz vor der heutigen Bundestagssitzung zu dem Thema kam erneut Kritik aus der Union am Koalitionspartner SPD.
Merkel machte in einem am Abend veröffentlichten Interview mit Radio Bremen deutlich, dass das Kanzleramt die Liste der vom US-Geheimdienst NSA an den BND gelieferten Suchbegriffe vorerst nicht herausgeben will. Deutschland befinde sich derzeit wie "im Konsultationsverfahren" mit den USA "und danach können wir erst die Entscheidungen treffen", sagte Merkel.
Bis dahin würden dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages "andere und auch viele Unterlagen" zur Verfügung gestellt. Zu ihrer möglichen Befragung in dem Gremium sagte die Kanzlerin: "Da stehe ich gerne zur Verfügung."
Gabriel zurrt Merkel Aussagen fest
In einem später ausgestrahlten Interview mit dem ZDF sagte Gabriel, Unklarheiten in der Affäre müssten jetzt überprüft werden. "Das wird nur dadurch gehen, dass man sich die Selektoren anschaut", fügte der Vize-Kanzler hinzu. Auf die Frage, ob Merkel in der Sache mehr wisse, als sie ihm gesagt habe, antwortete Gabriel: "Frau Merkel hat mich garantiert nicht angelogen. Das ist ihr Kenntnisstand."
Gabriel hatte am Montag ausdrücklich auf die Rolle der Kanzlerin in der BND-Affäre verwiesen. Er habe sie zweimal gefragt, ob ihr Hinweise auf Wirtschaftsspionage gegen deutsche Firmen vorlägen, und sie habe dies beide Male verneint.
Union: Gabriel heuchelt
Diese Äußerungen sorgten in der Union indes für Verärgerung. Der Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, sagte der "Berliner Zeitung": "Die Attacken der SPD und vor allem ihres Vorsitzenden Sigmar Gabriel im Zuge der BND-Affäre sind für die Koalitionsarbeit unnötig belastend und heuchlerisch." Der CSU-Politiker fügte hinzu: "Das krampfhafte Bemühen Gabriels, die Bundeskanzlerin in den Aufklärungsprozess hineinzuziehen, ist stillos und ein verzweifelter Versuch, seine Partei aus dem 25-Prozent-Korsett zu befreien."
Der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer sagte im "Handelsblatt" zu Gabriels Äußerung: "Ich kommentiere es nicht, wenn man sich innerhalb der Bundesregierung nicht mehr vertrauensvoll äußern kann, sondern vertrauliche Gespräche in der Öffentlichkeit landen." CDU-Vize Thomas Strobl mahnte den Koalitionspartner SPD und die Opposition zu Zurückhaltung. "Schluss mit den Vorverurteilungen. Wie kann man 'Landesverrat' vorwerfen, ohne dass ein einziges parlamentarisches Gremium die Dinge untersucht hat?", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach riet der Union in der "Bild", "auf die Attacken der SPD jetzt nicht hitzig, sondern betont kühl und sachlich reagieren". Das bedeute: "Sachverhalt und Verantwortlichkeiten komplett aufklären, etwaige Fehler zügig korrigieren, notwendige Konsequenzen ziehen." Die Union solle die SPD außerdem "nüchtern wissen lassen, dass die Methode 'Opposition in der Regierung' kein Erfolgsmodell" sei.
Abgeordnete werden informiert
Die Affäre um die Spionagezusammenarbeit zwischen BND und NSA beschäftigt heute auch den Bundestag. In einer Aktuellen Stunde debattieren die Abgeordneten über den Verdacht, der BND habe mit Lauschaktivitäten für die NSA möglicherweise gegen deutsches Recht verstoßen und etwa auch Frankreich und die EU ausgeforscht. Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Kanzleramtsminister Peter Altmaier (beide CDU) sollen überdies am Nachmittag dem Parlamentarischen Kontrollgremium Rede und Antwort stehen.
Der erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagte derweil der "Welt", die Art und Weise, wie Deutschland bisher mit der Affäre umgehe, gebe ihm "Vertrauen, dass wir Klarheit bekommen werden".
Quelle: ntv.de, ppo/rts