Wenn Flüchtlingshilfe frustriert Merkels unfreiwillige Helfer in Kroatien
27.09.2015, 17:51 Uhr
Ein Flüchtling bei der Ankunft am Münchner Hauptbahnhof
(Foto: picture alliance / dpa)
Wo andere Deutsche ihren Jahresurlaub verbringen, helfen einige Flüchtlingen: In einem Camp in Kroatien sorgen sie für warmes Essen - und stecken in einem frustrierenden Dilemma.
David Grün* sieht fertig aus. Nicht einmal seine Augenringe sind frisch, tief haben sie sich schon ins gebräunte Gesicht des 28-Jährigen gegraben. Seit fünf Tagen ist er in Opatovac, ein paar hunderte Meter Luftlinie von der Donau entfernt, die an dieser Stelle Kroatien von Serbien trennt. Hierhin bringen die kroatischen Behörden Flüchtlinge, die sie an den nahen Grenzübergängen aufgreift.
Gerade fährt ein neuer Schub in Gefangenentransportern vor. Die Polizei ist freundlich, hilft den Menschen aus den Autos. Dutzende Kameras und Journalisten betrachten das Treiben vor dem Tor des Lagers, herein dürfen sie nicht. David Grün und seine Mitstreiter gehen auf die ankommenden Flüchtlinge zu, Becher mit Nudelsuppe in der Hand. Das Rote Kreuz bietet Äpfel an. "Die kriegen es hier nicht hin, die Leute mit warmem Essen zu versorgen", sagt Grün. Also erledigen sie das, freiwillig - auch wenn sie damit indirekt auch denen helfen, deren Politik sie eigentlich bekämpfen.
"Willkommenskultur ist Heuchelei"
David Grün ist einer von rund 20 Aktivisten, die sich in Transportern auf den Weg aus Deutschland gemacht haben. Sie kommen aus Südbayern, Berlin und Wien, aus "linken Zusammenhängen", wie Grün es ausdrückt, daher stammt auch die finanzielle Unterstützung. Am Pavillon, unter dem sie kochen, weht die Flagge der Antifa, auf Bannern steht "Ain't no border high enough", auch auf Kurdisch und Arabisch. Gekocht wird vegan, "aber wenn jemand etwas anderes zu Essen vorbeibringt, teilen wir auch das aus, da sind wir pragmatisch."
Sind Grün und die anderen die Exportversion der deutschen Willkommenskultur? Quasi Merkels Botschafter in Kroatien? Wer darauf anspielt, sticht in ein Wespennest. "Diese Willkommenskultur in Deutschland ist doch nur Heuchelei", sagt Amira Husseini*. Die 22-jährige Studentin mit dem Nasenpiercing und dem "Kein Mensch ist illegal"-Pullover redet sich in Rage über die Politik der Bundesregierung: über die Abschiebungen, die Verschärfung der Asylgesetze, die geplanten Sachleistungen für Asylbewerber. "Wir glauben nicht an die staatliche Willkommenskultur. Deswegen helfen wir lieber direkt vor Ort."
"Kein rein kroatisches Problem"
Husseini war schon auf Kos, in Röszke, sie hat viele Dinge gesehen, die sie wütend gemacht haben, auch hier in Opatovac. Gestern hat es hier gewittert und geregnet, Hunderte mussten am Vorplatz warten, wo ein eisernes Tor die Ankommenden und die ehrenamtlichen Helfer von den Militärzelten im Inneren des Camps trennt.
Heute künden matschige Essenreste und überall herumliegender Müll davon. "Die Mülltonnen sind gerade erst gekommen", sagt David Grün und verdreht die Augen. Nur eins von vielen Dingen, die hier einfach nicht funktionieren. Grün und die anderen ziehen sich manchmal Warnwesten über und tragen Wasser ins Camp. Sie wissen, wie es drinnen aussieht: Die olivgrünen Zelte haben keine Böden, es gibt kaum Isomatten, die Menschen schlafen auf dem nackten Boden, nur von Decken geschützt, einige Zelte stehen sogar auf Beton.
Momentan ist die Wartezeit der Menschen nicht besonders lang, aber als hier vor einigen Tagen Zehntausende am Tag ankamen, protestierten die Flüchtlinge. Die Polizei setzte Reizgas ein. Auch heute sind die Polizisten im Lager weit weniger freundlich als davor, wo noch Kameras stehen. Immer wieder kommt es zu Drängeleien, während die Menschen auf die Busse warten, die sie weiterbringen nach Ungarn, weiter nach "Nemsa", nach Österreich.
"Man darf aber nicht vergessen, dass das hier kein rein kroatisches Problem ist", sagt David Grün und zieht an seiner Zigarette. "In Berlin am Lageso versagen die staatlichen Strukturen, auch da hilft die Zivilgesellschaft aus." Nur, dass am Ende eben keiner der Flüchtlinge Selfies mit der Zivilgesellschaft machen will.
*Namen von der Redaktion geändert
Quelle: ntv.de