Politik

Brutale Bilder vom Drogenkrieg Mexiko - jenseits von Gut und Böse

José Manuel Mireles ist der Anführer der Autodefensas, die gegen Mexikos Drogenkartelle kämpfen.

José Manuel Mireles ist der Anführer der Autodefensas, die gegen Mexikos Drogenkartelle kämpfen.

(Foto: DCM)

Folter, Mord, Schießereien - die Kamera fängt alles ein. Die Doku "Cartel Land" liefert einen schonungslosen Blick auf Mexikos Drogenkrieg. Es geht um jene, die sich den Kartellen entgegenstellen. Doch sind sie deshalb die Guten?

"Das sind die Köpfe meiner Nachbarn", sagt José Manuel Mireles. Er zeigt ein Bild auf seinem Handy. Die Männer wurden von Mitgliedern des Tempelritter-Kartells enthauptet. Das ist eine jener Drogenbanden, die Teile Mexikos kontrollieren, die das ganze Land mit Terror und Gewalt überziehen.

Bei der Jagd nach Bandenmitgliedern sind die Mitglieder der Autodefensas nicht zimperlich. Konsequenzen müssen sie nicht fürchten.

Bei der Jagd nach Bandenmitgliedern sind die Mitglieder der Autodefensas nicht zimperlich. Konsequenzen müssen sie nicht fürchten.

(Foto: DCM)

Mireles bekämpft das Tempelritter-Kartell. Er ist der Sprecher der Autodefensas, einer bewaffneten Bürgerwehr, die die Bande aus dem mexikanischen Bundesstaat Michoacán vertreiben will. Der charismatische Arzt und Rancher, der mit seinem ergrauten Schnäuzer und seiner ruhigen Art auf Anhieb sympathisch wirkt, ist einer der Protagonisten der Dokumentation "Cartel Land".

Bürgerwehren gegen Drogenbanden

Der von Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow produzierte Film handelt vom Drogenkrieg, der seit Jahren in Mexiko wütet. Doch Regisseur Matthew Heineman lässt weder Regierungsvertreter, noch Polizisten oder Drogenexperten zu Wort kommen. "Cartel Land" nähert sich dem Thema aus ungewöhnlicher Perspektive: Vor allem werden jene gezeigt, die die Drogenkriminalität von unten bekämpfen. Bürger, die sich organisieren und wehren.

Foley (l.) und seine Männer patrouillieren an der amerikanisch-mexikanischen Grenze - ihnen sind mutmaßliche Kriminelle (r.) in die Hände gefallen.

Foley (l.) und seine Männer patrouillieren an der amerikanisch-mexikanischen Grenze - ihnen sind mutmaßliche Kriminelle (r.) in die Hände gefallen.

(Foto: DCM)

Mireles' Autodefensas sind ein Beispiel. Ein weiteres ist der ehemalige Soldat Tim "Nailer" Foley. Er ist der Anführer der Arizona Border Recon, einer paramilitärischen Einheit an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Ihre Mitglieder durchstreifen das Grenzland, verfolgen und verhaften Drogenkuriere, Späher der Kartelle, aber auch illegale Einwanderer.

Mireles und Foley eint ein Gedanke: Im Kampf gegen die Drogenbanden, die längst auch auf US-Boden aktiv sind, fühlen sie sich von den Regierungen im Stich gelassen. Sie werfen ihnen sogar vor, mit den Kartellen unter einer Decke zu stecken. Deshalb greifen die Bürgerwehren selbst zu den Waffen und nehmen den Kampf auf. "Ich glaube daran, dass ich das Gute tue (…) und, dass ich mich dem Bösen entgegenstelle", sagt Foley an einer Stelle.

Livebilder von den Einsätzen

Zehntausende Menschen starben bisher im mexikanischen Drogenkrieg. Die meisten sind Unbeteiligte, darunter Frauen und Kinder.

Zehntausende Menschen starben bisher im mexikanischen Drogenkrieg. Die meisten sind Unbeteiligte, darunter Frauen und Kinder.

(Foto: DCM)

"Cartel Land" ist stets nah dran an seinen Protagonisten. Ohne zusätzlichen Kommentar sprechen Mireles, Foley, aber auch Drogenköche über ihre Arbeit und die Verstrickungen im Drogenkrieg. Zudem begleitet die von Heineman geführte Kamera die Bürgerwehren bei ihren Einsätzen. Man erlebt mit, wie Foley und seine Mitstreiter mutmaßliche Kartell-Mitglieder festnehmen. Man ist live dabei, wenn in Mexiko Anführer des Templer-Kartells gejagt werden und sich Autodefensas und Drogenbanden wilde Schießereien liefern.

Diese actionreichen und filmreif geschnittenen Sequenzen sorgen für Spannung. Daneben baut Regisseur Heineman aber auch behutsam eine Geschichte auf. Denn je länger er die Bürgerwehren begleitet, je mehr deren Anführer von sich preisgeben, desto brüchiger wird das Bild vom edlen Kampf gegen das Böse. Foley etwa, der selbst drogenabhängig war, erweist sich als Rassist, der gerne Soldat spielt und dem es weniger um den Kampf gegen die Drogenkartelle als den gegen illegale Einwanderer geht. Weil der Menschenhandel aber von den Kartellen kontrolliert wird, ist der Gegner derselbe.

"Dann verscharrt ihn, schnell"

Auch die Autodefensas werden zu einer Macht, die sich jenseits der staatlichen Ordnung bewegt - und das Gesetz in die eigenen Hände nimmt. So fängt die Kamera ein, wie Männer der Bürgerwehr Festgenommene schlagen und foltern. Wie Mitglieder der Bürgerwehr das Haus eines mutmaßlichen Bandenmitglieds plündern. Und wie Mireles selbst einen Mord befiehlt: "Holt aus ihm raus, was ihr könnt und dann verscharrt ihn, schnell", sagt er, nachdem seine Leute einen Mann festgenommen haben, den sie schon mehrfach als Bandenmitglied an die Polizei auslieferten, der aber immer wieder freikam.

Heineman zeigt mitreißende Action, bei der man sich fragen kann, ob die Bilder noch der Dokumentation dienen oder nur der Effekthascherei, die auf die Gefühle der Zuschauer zielt. Er zeigt schockierende Bilder von enthaupteten Menschen und beklemmende Szenen von einer Beerdigung von Opfern der Kartelle, darunter Kinder und ein Baby.

Doch ein Gedanke hallt besonders lange nach: "Cartel Land" zeigt ein Land, in dem Gut und Böse nicht mehr zu unterscheiden sind. Die Grenzen zwischen Kartellen, Regierung und Bürgerwehren verschwimmen. "Wir dürfen nicht wie die Kriminellen werden, die wir bekämpfen", sagt Mireles an einer Stelle. Doch da ist es längst zu spät.

"Cartel Land" läuft seit dem 6. Oktober in ausgewählten Kinos und ist als Video on Demand verfügbar, etwa bei Amazon und iTunes. Ende Oktober erscheint die Dokumentation auf DVD und Blu-ray.

Quelle: ntv.de

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