Kritiker sehen schwere Fehler Mindestlohn-Ausnahmen "inakzeptabel"
28.06.2014, 15:38 Uhr
Bei der Tomatenernte in Sachsen-Anhalt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auf Drängen von CDU/CSU wird es Ausnahmen bei der Mindestlohnregelung geben. Der DGB, die Bundesagentur für Arbeit und die CDU-Arbeitnehmerschaft können den Ausnahmen nichts abgewinnen und erheben Einwände.
Die von der Koalition verabredeten zusätzlichen Ausnahmen beim Mindestlohn stoßen nicht überall auf positive Resonanz. So spricht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit Blick auf die Sonderregelungen für Erntehelfer und Zeitungsausträger von einem "schweren Fehler". Einwände äußerten auch der Präsident der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, sowie die CDU-Arbeitnehmerschaft.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bestätigte die auf Drängen der Union vereinbarten zusätzlichen Ausnahmen von dem geplanten Mindestlohn von 8,50 Euro. "Die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner sind erfolgreich beendet", sagte die SPD-Politikerin der Koblenzer "Rhein-Zeitung". Konkret nannte Nahles die Regelungen für Erntehelfer als "in der Regel kurzzeitig Beschäftigte". Die durch den Mindestlohn insgesamt zu erwartenden Lohnerhöhungen bezifferte Nahles mit etwa zehn Milliarden Euro.
Berichten zufolge soll bei Saisonarbeitern der Arbeitgeber Kosten für Unterkunft und Verpflegung auf den Mindestlohn anrechnen können. Zudem soll laut "Passauer Neue Presse" die Grenze für eine sozialabgabenfreie Beschäftigung von 50 auf 70 Tage angehoben werden. Für Zeitungsausträger soll es eine zweijährige Übergangszeit geben, bis 2017 der volle Mindestlohn gilt. Praktikanten sollen für drei Monate statt für sechs Wochen vom Mindestlohn ausgenommen sein.
Nichtbezahlte Praktika nur in jungen Jahren
"Ich kann mir auch freiwillige Praktika im Rahmen von bis zu drei Monaten vorstellen", bestätigte Nahles in der "Rhein-Zeitung". Allerdings solle dies nur für Praktika vor dem Abschluss von Studium oder Berufsausbildung gelten. "Gut qualifizierte Leute monatelang für lau zu beschäftigen, damit wird Schluss sein", stellte Nahles klar. Für Pflichtpraktika im Rahmen einer Ausbildung soll der Mindestlohn ohnehin nicht gelten.
"Der DGB hat immer deutlich gemacht, dass es keine Ausnahmen beim Mindestlohn geben darf", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell in Berlin zu den sich abzeichnenden Sonderregeln. Er nannte es "völlig inakzeptabel, dass es für die Arbeit von Erntehelfern und Zeitungszustellern Sonderregelungen gibt und insbesondere die Zusteller schlechter bezahlt werden". Damit werde gerade Beschäftigten mit besonders schweren Arbeitsbedingungen noch mehr zugemutet.
"Wenn man zu viele Sonderregelungen zulässt, wird man Widersprüche produzieren, Ausweichverhalten fördern und am Ende Unzufriedenheit ernten", sagte BA-Präsident Weise der "Frankfurter Rundschau". Zwar habe er Verständnis für wirtschaftliche Bedenken von Branchen und Unternehmen; andererseits lebten aber erfolgreiche Geschäftsideen "von guten Leistungen und Produkten, die die Kunden überzeugen, nicht von niedrigen Löhnen". Bedenken wegen angeblich drohender Arbeitsplatzverluste im großen Stil habe er nicht.
Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, wertete die geplante Übergangsfrist für Zeitungszusteller als Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes. "Wenn der Gesetzentwurf Abweichungen vom gesetzlichen Mindestlohn nur bei Abschluss eines Tarifvertrages vorsieht, kann eine einzelne Branche von dieser Pflicht nicht ausgenommen werden", sagte Bäumler "Handelsblatt Online".
Das Gesetz zur Tarifautonomie, das den gesetzlichen Mindestlohn enthält, soll am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet werden und ab 2015 gelten. Am Montag soll es nochmals eine Expertenanhörung geben.
Quelle: ntv.de, ppo/rts