Politik

Klima-Aktivistin im "Frühstart" "Mit Kanzlerin Baerbock wird nicht alles gut"

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Um Fridays for Future ist es in der Corona-Krise ruhig geworden. Im Wahlkampf meldet sich die Bewegung zurück - mit deutlicher Kritik auch an den Grünen. Eine Wahlempfehlung für Annalena Baerbock geben die Klima-Aktivisten nicht.

Die Sprecherin von Fridays for Future in Deutschland, Carla Reemtsma, hat das Wahlprogramm der Grünen scharf kritisiert. "Es ist fatal, dass die Grünen sich hinstellen und sagen, wir wollen eine 1,5-Grad-Politik machen, aber dann nicht ernsthaft dazu stehen", sagte die Klimaaktivistin im "Frühstart" von ntv.

Es sende ein falsches Zeichen für die Bundestagswahl, wenn selbst die Partei, der von den Bürgern die höchste Klima-Kompetenz zugesprochen werde, nachweislich kein Programm aufstelle, das mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibel sei. "Dann ist das auch etwas, wohinter sich andere Parteien verstecken werden." Das Abkommen von Paris sieht eine Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit vor.

Auf die Frage, ob mit einer Bundeskanzlerin Annalena Baerbock fürs Klima alles gut würde, sagte Reemtsma: "Definitiv nicht." Baerbock und ihrer Partei werde sehr viel Klimaschutz zugetraut. "Da werden sie aber ihren eigenen Ansprüchen und den Ansprüchen, die auch viele Bürgerinnen und Bürger an sie stellen, häufig nicht gerecht." Solange ihr Programm mit dem Pariser Ziel nicht zusammenpasse, könne es von Fridays for Future auch keine Wahlempfehlung für die Grünen geben, so Reemtsma. Abgesehen davon verstehe sich die Bewegung als überparteilich.

Im grünen Programm fehle vor allem ein konkretes CO2-Budget. Statt nur ein Jahr zu nennen, zu dem Deutschland klimaneutral werde, müsse definiert werden, welche Restmenge an Kohlendioxid das Land noch ausstoßen dürfe, um einen gerechten Beitrag zum internationalen Klimaziel zu leisten. Baerbock wolle zwar an einigen Stellen Klimaschutz, sie und der Grünen-Bundesvorstand aber forderten einen CO2-Preis von höchstens 60 Euro pro Tonne. "Das reicht tatsächlich nicht aus, wenn wir ernsthaft Klimaschutz über den CO2-Preis betreiben wollen." Studien wie die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung würden zeigen, dass er bald im dreistelligen Bereich liegen müsse. "Der CO2-Preis muss perspektivisch auf 180 Euro steigen", so Reemtsma. Jede Tonne Kohlendioxid koste die junge Generation genau diesen Wert an Folgekosten. Nur ein so hoher Preis sorge außerdem dafür, dass die Industrie wirklich auf klimaschädliche Technologien verzichte.

Für September ist globaler Klimastreik geplant

An der aktuellen Debatte um einen steigenden CO2-Preis und damit teureres Benzin zeige sich, dass beim Klimaschutz auch die soziale Gerechtigkeit nicht aus dem Blick geraten dürfe, sagte die Fridays-for-Future-Aktivistin. Das eingenommene Geld müsse an die Bürger zurückgegeben werden, zudem brauche es guten öffentlichen Nahverkehr, Fahrradinfrastruktur und E-Mobilität. Die großen Hebel für weniger Treibhausgase lägen aber nicht beim Bürger, sondern bei der Industrie und hier vor allem bei der Energieproduktion. "Wir müssen über diese großen Dimensionen sprechen und das ist, was mir aktuell auch bei den Grünen fehlt."

Reemtsma kritisierte alle Parteien dafür, sich im Wahlkampf eine "Schlammschlacht" beim Thema Klima zu liefern. Die Bürger hielten es eigentlich für sehr wichtig. "Die Parteien aber machen sich untereinander schlecht für Klimaschutz, Leute müssen sich rechtfertigen für mehr Klimaschutz. Obwohl eigentlich klar ist, dass wir da ein klares Bekenntnis von allen bräuchten."

Fridays for Future selbst werde sich von der Corona-Krise erholen, sagte Reemtsma. Man sei schon jetzt in vielen Städten mit Hygienekonzepten, Abstand und Masken wieder auf der Straße. Am kommenden Freitag plane man zudem größere Kundgebungen, zusammen mit Gewerkschaften und weiteren zivilgesellschaftlichen Gruppen. Im September gebe es dann wieder einen globalen Klimastreik.

Quelle: ntv.de, psc

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