Politik

"Warschauer Erklärung" verabschiedet Nato weitet Hilfe für die Ukraine aus

Gespräche auf dem Nato-Gipfel in Warschau: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ukraines Präsident Petro Poroschenko, Frankreichs Staatschef François Hollande, der britische Premier David Cameron, US-Präsident Barack Obama und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi (v.r.n.l.).

Gespräche auf dem Nato-Gipfel in Warschau: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ukraines Präsident Petro Poroschenko, Frankreichs Staatschef François Hollande, der britische Premier David Cameron, US-Präsident Barack Obama und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi (v.r.n.l.).

(Foto: dpa)

Russland, Ukraine, Afghanistan, Irak und Syrien - kaum ein Konflikt, der auf dem Nato-Gipfel nicht thematisiert wird. Das Bündnis reagiert mit mehr Soldaten, mehr Militärhilfe und verlängerten Missionen. Ob das Gesprächsangebot an Moskau fruchtet, ist allerdings unklar.

Nach der Truppenverstärkung in Osteuropa haben die Nato-Staats- und Regierungschefs zum Abschluss ihres Gipfeltreffens auch ihre Unterstützung für die Ukraine ausgeweitet. Sie verabschiedeten in Warschau ein Paket, durch das die ukrainischen Streitkräfte "leistungsfähiger" werden sollen. Gleichzeitig betonten sie die Dialogbereitschaft gegenüber Russland.

Die Gipfel-Teilnehmer bekräftigten nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, dass die Nato die "illegale und unrechtmäßige Annexion der Krim" durch Russland nicht anerkennen werde, und warfen Moskau "die anhaltende Destabilisierung der Ost-Ukraine" vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs forderten dabei erneut die vollständige Umsetzung des Minsker Friedensabkommens.

Die Nato unterstützt die Ukraine schon seit zwei Jahren bei der Modernisierung ihrer Streitkräfte. Dies soll nun auf die Entschärfung selbstgebauter Sprengsätze (IED) und die Abwehr von Bedrohungen durch "hybride Kriegsführung" ausgeweitet werden. Dabei geht es um Taktiken, die auf Täuschung und Verschleierung beruhen statt auf dem offenen Einsatz herkömmlicher militärischer Mittel. Sie reichen von Propaganda über wirtschaftlichen Druck bis zum Einsatz von verdeckt arbeitenden Militäreinheiten. Der Westen wirft Russland den Einsatz solcher Methoden in der Ukraine vor.

"Wandelnde Sicherheitslage in Europa"

Polens Präsident Andrzej Duda bezeichnete die Entscheidungen des Gipfels als "historisch". "Die Ergebnisse sind ein Erfolg für Polen und für das Bündnis", bilanzierte der Gastgeber das zweitägige Treffen. "Sie sind eine echte Antwort auf die sich wandelnde Sicherheitslage in Europa."

Schon am Freitag hatte die Nato die Stationierung vor vier Nato-Bataillonen in den drei baltischen Staaten und Polen beschlossen. Das Bündnis reagierte damit auf die Befürchtungen seiner osteuropäischen Mitglieder, die seit der Annexion der Krim ihre eigene Sicherheit bedroht sehen. Gleichzeitig betonte das Bündnis aber die Dialogbereitschaft gegenüber Moskau. "Die Nato stellt keine Bedrohung für irgendein Land dar", hieß es in einer "Warschauer Erklärung zur transatlantischen Sicherheit". Das Bündnis sei bereit, in einen "sinnvollen Dialog" mit Russland zu treten. Priorität habe dabei die Risikoreduzierung, um gefährliche militärische Zwischenfälle zu vermeiden.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, die Nato nehme zwar die Befürchtungen der östlichen Bündnispartner ernst, wolle aber "keinen kalten Krieg". Er rechne "nicht mit einfachen Gesprächen" mit Russland. Am Mittwoch kommt in Brüssel der Nato-Russland-Rat zusammen.

USA fordern höhere Militäretats

Die als Verfechterin einer harten Linie gegenüber Russland bekannte litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite zeigte sich mit dem Dialogangebot einverstanden. Dass die Nato 2017 ein Bataillon unter deutscher Führung in ihrem Land stationieren werde, reiche als Abschreckung, sagte sie. Deshalb könne sie in dem anderen Punkt "nachgeben". Auch der polnische Außenminister Witold Waszczykowski zeigte sich mit den "einsatzbereiten Kampfgruppen" für sein Land zufrieden. Estlands Ministerpräsident Taavi Roivas sprach von einer "historischen" Entscheidung.

US-Präsident Obama sichert Solidarität zu - und fordern mehr Geld.

US-Präsident Obama sichert Solidarität zu - und fordern mehr Geld.

(Foto: dpa)

US-Präsident Barack Obama sicherte den europäischen Nato-Verbündeten unumstößliche Solidarität zu. "In guten wie in schlechten Zeiten: Europa kann auf die Vereinigten Staaten zählen. Immer", sagte er. Allerdings appellierte er an Nato-Länder wie Deutschland, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Die Mehrheit der Verbündeten komme noch immer ihren Verpflichtungen nicht nach, sagte Obama. Er habe diesen Punkt sehr offen mit seinen Kollegen besprochen.

Die Nato hatte sich bei ihrem Gipfel in Wales im September 2014 zum Ziel gesetzt, die Ausgaben jedes einzelnen Mitgliedstaats in den nächsten zehn Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. In diesem Jahr werden nach Schätzungen des Bündnisses nur wenige Länder die Vorgabe erreichen. Am höchsten sind die Verteidigungsausgaben in den USA. Dort sollen sie in diesem Jahr 3,61 Prozent des BIP erreichen. Das entspricht einem Gesamtbetrag von 664 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich: Deutschland wird nach den Nato-Zahlen bei rund 41 Milliarden Dollar liegen. Das sind 1,19 Prozent des BIP.

Kein Abzug aus Afghanistan

Auch im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak engagiert sich das Bündnis nun stärker. Awacs-Aufklärungsflugzeuge sollen über der Türkei und dem Mittelmeer Informationen über die Lage im Konfliktgebiet sammeln und an die internationale Anti-IS-Koalition weitergeben, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die Nato-Informationen können dann für Angriffe auf IS-Stellungen genutzt werden. Zudem will die Nato ab Anfang 2017 auch irakische Soldaten im Irak selbst ausbilden, um Bagdad im Kampf gegen die IS-Miliz zu unterstützen. Bisher hat das Bündnis dies im relativ sicheren Nachbarland Jordanien getan.

Auch der Marineeinsatz im Mittelmeer soll ausgeweitet werden. Um die EU-Operation "Sophia" vor der libyschen Küste unterstützen zu können, wurde der mögliche Aufgabenbereich für den aktuellen Bündniseinsatz im Mittelmeer deutlich erweitert. Die Nato-Schiffe sollen künftig auch am Kampf gegen illegale Migration beteiligt werden können. Zudem sind die Waffenembargo-Kontrolle und die Ausbildung von libyschen Küstenschutzkräften mögliche Einsatzbereiche. Die Nato-Operation im Mittelmeer wird künftig unter dem Namen "Sea Guardian" (Meereswächter) laufen.

Mit unverändert 12.000 Soldaten bleibt die Nato im Rahmen der Ausbildungs- und Unterstützungsmission "Resolute Support" auch im kommenden Jahr in Afghanistan vertreten. Zudem beschloss der Gipfel, die afghanischen Sicherheitskräfte weiter bis zum Jahr 2020 zu finanzieren. Merkel sagte, die Bundeswehr werde mit insgesamt 19 Partnern im Norden des Landes präsent bleiben und sich an der Finanzierung beteiligen.

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa

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