Proteste nach Minister-Rauswurf Netanjahu versucht zu beschwichtigen
27.03.2023, 15:36 Uhr
Demonstranten geraten mit der Polizei während einer Demonstration vor dem Parlament in Jerusalem aneinander.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Mit massiver Gegenwehr reagiert die Bevölkerung auf die umstrittene Justizreform und den Rauswurf des Verteidigungsministers in Israel. Eine Rede von Netanjahu verzögert sich. Grund soll ein Streit innerhalb der rechts-religiösen Regierung sein. Auf Twitter pocht der Regierungschef auf Einheit.
Israels Regierungschefs Benjamin Netanjahu hat sich erstmals seit der Entlassung seines Verteidigungsministers öffentlich zu Wort gemeldet. Auf Twitter rief er angesichts massiver Proteste zur Einheit und gegen Gewalt auf. "Ich rufe alle Demonstranten in Jerusalem, von rechts und von links, dazu auf, verantwortlich zu handeln und keine Gewalt anzuwenden. Wir sind Brüder", schrieb Netanjahu. Zuvor waren landesweit erneut Massenproteste gegen einen von seiner rechts-religiösen Regierung geplanten Umbau der Justiz sowie die Entlassung von Verteidigungsminister Joav Galant ausgebrochen. Tausende Menschen versammelten sich mit israelischen Flaggen und Schildern vor dem Parlament in Jerusalem.
Galant hatte die Regierung am Wochenende zum Dialog mit Kritikern aufgerufen. Zugleich warnte er davor, dass die nationale Sicherheit schweren Schaden nehmen könnte. Am Sonntag wurde er dann von Netanjahu entlassen. Der Regierungschef wollte sich Medienberichten zufolge noch am heutigen Montag in einer Rede im Parlament äußern. Es wird erwartet, dass er einen Stopp der umstrittenen Pläne seiner rechts-religiösen Regierung ankündigen könnte.
Der Zeitpunkt der Rede verzögerte sich jedoch. Hintergrund soll ein Streit innerhalb der Koalition sein. Berichten zufolge kündigten mehrere Minister an, zurücktreten zu wollen, sollte Netanjahu die Justizreform einfrieren oder vom geplanten Kurs abweichen. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich hat derweil zu Gegenprotesten aufgerufen, um den Justizumbau zu stützen. "Kommt nach Jerusalem. (...) Wir sind die Mehrheit, lasst uns unsere Stimme erheben. Wir lassen uns unsere Stimme und den Staat nicht stehlen", sagte Smotrich in einem auf Twitter verbreiteten Video. Gegen die Reform, mit der der Einfluss des Höchsten Gerichts beschnitten werden soll, gibt es seit Monaten regelmäßig Proteste.
Bundesregierung blickt mit Sorge nach Israel
Die Bundesregierung äußerte sich unterdessen besorgt wegen der eskalierenden Auseinandersetzungen um die Justizreform. Eindrucksvolle Appelle des israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog, die Regierungspläne sofort zu stoppen, müssten und würden sehr ernst genommen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Als enge Freunde Israels mischen wir uns natürlich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Staates ein, und trotzdem blicken wir natürlich mit Sorge auf das, was in den letzten Tagen und vor allem Stunden sich in Israel zuträgt."
Bundeskanzler Olaf Scholz habe schon beim Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ein "sehr offenes, gründliches Gespräch" geführt. Hebestreit sagte dazu: "Intern und auch in der Pressekonferenz hat der Bundeskanzler nochmal zum Ausdruck gebracht, wie wichtig eine unabhängige Justiz ist für eine Demokratie."
In Israel kam es am heutigen Montag erneut in mehreren Städten zu Massenprotesten gegen die geplante Reform der Regierung. Im Zuge dessen kommt es auch zu erheblichen Beeinträchtigungen im Flugverkehr. "Ich habe den sofortigen Startstopp am Flughafen angeordnet", sagte der Leiter der Arbeitergewerkschaft am internationalen Flughafen Ben Gurion, Pinchas Idan. Es wird erwartet, dass die Entscheidung Zehntausende Reisende betrifft. Auch eine Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin wurde von deren Organisatoren angekündigt. Demnach wollen sich Gegner der Reform dort um 16 Uhr (MESZ) versammeln.
Quelle: ntv.de, ysc/dpa