Politik

Paragrafen gegen Terror-Touristen Neue Gesetze sollen "Gotteskrieger" stoppen

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Für den Islamischen Staat (IS) sind selbsternannte "Gotteskrieger" aus Europa eine wichtige Verstärkung. Ihre Zahl wird immer größer.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Reise soll nicht mehr in den Krieg, sondern schnellstmöglich ins Gefängnis führen. Die Bundesregierung berät eine Gesetzesnovelle, die den Terror-Tourismus eindämmen soll. Doch die verfassungsrechtlichen Bedenken sind groß.

Es werden immer mehr: Laut einer Studie des Londoner Kings College sind schon rund 4000 Männer und Frauen aus Westeuropa nach Syrien oder in den Irak gereist, um sich Terrorgruppen wie dem Islamischen Staat (IS) anzuschließen. Die Zahl hat sich demnach binnen eines Jahres fast verdoppelt. Allein aus Deutschland kommen mehr als 600 Dschihad-Reisende. Was tun? Die selbsternannten "Gotteskrieger" stellen schließlich nicht nur eine Gefahr im Ausland dar, sie drohen den Terror auch nach Deutschland zu bringen, wenn sie aus dem Kampfgebiet zurückkehren.

Die Bundesregierung will den Dschihad-Tourismus jetzt durch ein neues Gesetz eindämmen. Allerdings gibt es erhebliche Bedenken, ob das praktisch und verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist.

Bundesjustizminister Heiko Maas legt dem Bundeskabinett am Mittwoch eine Regelung vor, die bereits die Reisen mutmaßlicher Terroristen in Kriegsgebiete oder Ausbildungslager unter Strafe stellt. Wer es trotzdem wagt sich auf den Weg zu machen, muss mit sechs Monaten bis hin zu zehn Jahren Haft rechnen. "Wir tun vor allen Dingen etwas, was Deutschland sicherer machen wird", sagte der SPD-Minister noch in der vergangenen Woche zu seinen Plänen. Maas plant zusätzlich, die Finanzierung terroristischer Akte schneller zu bestrafen.

Der Gesetzentwurf des Justizministers ist ein weiterer Baustein im Versuch, die Terrorgefahr in Deutschland durch neue Gesetze einzudämmen. Schon 2009 hat die Große Koalition den Straftatbestand der "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" eingeführt. Seither ist es unter anderem verboten, Anleitungen zum Bau von Bomben zu verbreiten oder ein Terrorcamp zur Ausbildung zu besuchen. Die Große Koalition sorgte zuletzt dafür, dass Sicherheitsbehörden Terrorverdächtigen künftig nicht nur den Reisepass, sondern auch den Personalausweis entziehen dürfen, um sie an Reisen in den "Gotteskrieg" zu hindern. Die Verdächtigen bekommen dann ein Ersatzdokument, das ihnen nur einen Aufenthalt in der Bundesrepublik erlaubt. Es zeichnet sich ab, dass nun auch der jüngste Entwurf des Justizministeriums, der bereits "das Reisen oder den Versuch des Reisens" in ein einschlägiges Kriegs- aus Ausbildungsgebiet von Terroristen unter Strafe stellt, ohne Änderungen durch das Kabinett geht. Zumal es sich bei der Novelle um eine Reaktion auf eine Resolution des UN-Sicherheitsrats aus dem vergangenen Jahr handelt.

Informationen aus der Familie sollen Islamisten überführen

Praktisch bedeutet das: Wer sich dem Kampf der Islamisten anschließen will und mit einem Ticket nach Syrien in der Hosentasche auf dem Weg zum Flughafen aufgegriffen wird, kommt vor Gericht. Beim Nachweis, dass er sich nicht einfach nur in das Land begeben wollte, um Freunde zu besuchen, setzt das Justizministerium auf Informationen aus dem familiären Umfeld des potenziellen "Gotteskriegers". Von dort hätten die Behörden bei den bisher mehr als 300 geführten Ermittlungsverfahren in Deutschland schließlich immer Hinweise erhalten, versicherte Maas.

Die Opposition hält wenig vom Vorstoß des Justizministers. "Wir kommen da wirklich in den Bereich einer verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit", sagte Katja Keul, Obfrau der Grünen im Rechtsausschuss des Bundestages, n-tv.de.

Von Grünen, aber auch von Linken ertönte schon heftige Kritik, als die Koalition 2009 die Ausbildung in Terrorcamps unter Strafe stellte. Beim Training in so einem Lager geht es schließlich um eine Vorbereitungshandlung. Es ist nicht klar, ob die Person nach der Ausbildung tatsächlich eine Gewalttat verübt. Möglich ist es schließlich auch, dass sie angesichts der Erlebnisse im Camp geläutert zurückkehrt. Schon damals war bei der Opposition deshalb von einem "Gesinnungs-" und "Feindstrafrecht" die Rede.

Die Grüne Keul sagte nun: "Der Bundesgerichtshof hat erst kürzlich entschieden, dass der Paragraf zu schweren staatsgefährdenden Straftaten ohnehin schon sehr restriktiv ausgelegt werden muss, damit er gerade noch so verfassungsmäßig ist." Sie sieht eigenen Angaben zufolge überhaupt gar keine Möglichkeit, die Strafbarkeit noch weiter in das Vorbereitungsstadium zu verlagern.

Mehr Personal statt mehr Gesetze

Laut Keul sind die bestehenden Regeln zudem vollkommen ausreichend. "Die Bundesregierung versucht hier, irgendwie den Eindruck zu erwecken, dass sie für mehr Sicherheit sorgt. Aber sie betreibt nur Symbolpolitik." Sie fügt hinzu: "Wichtiger wäre es, dass man die Möglichkeiten der Gesetze, die man hat, auch ausschöpft." Keul plädiert dafür, die Ermittlungsbehörden mit mehr Personal und Geld auszustatten. Polizei und Anwaltschaften klagten in den vergangenen Wochen wiederholt, dass sie angesichts immer größerer Zahlen von Dschihad-Reisenden zusehends an ihre Belastungsgrenze zu stoßen drohen.

Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Andy Neumann, kritisierte bei "Spiegel Online" auch die Pläne des Justizministeriums zur Finanzierung des Terrors. Der Paragraf 89c werde "spätestens dann zur Farce", wenn dem Täter das Wissen darüber nachgewiesen werden muss, dass terroristische Organisationen das zur Verfügung gestellte Geld für Straftaten nutzen werden. "Das ist für jeden Ermittler, der sich mit Terrorismusfinanzierung auseinandersetzt, eine praktisch unüberwindbare Hürde." Auch Neumann fordert mehr Personal bei den Ermittlungsbehörden statt mehr Gesetze.

Quelle: ntv.de

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