Politik

Kommissar entschuldigt sich Oettinger-Zitat bringt Italiener in Rage

In der schnelllebigen Nachrichtenwelt kommt es darauf an, Sachverhalte so kurz und prägnant wie möglich zu vermitteln. Dieser Umstand ist EU-Kommissar Oettinger nun zum Verhängnis geworden. Denn er wurde zu der Regierungskrise in Italien falsch zitiert.

Die falsche Wiedergabe einer Interviewäußerung des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger hat großen Wirbel in Brüssel und Rom ausgelöst. Führende Politiker in Italien forderten Oettingers Rücktritt, auch die EU-Spitze ging auf Distanz. Das Problem war allerdings die Twitter-Botschaft eines Fernseh-Journalisten, die Oettingers Aussagen zugespitzt wiedergab und den falschen Eindruck erweckte, der EU-Kommissar rate den Italienern, sich bei ihrer Wahlentscheidung dem Druck der Finanzmärkte zu beugen.

In dem Interview mit der Deutschen Welle hatte Oettinger auf die Unruhe an den Finanzmärkten mit Blick auf die politische Lage in Italien verwiesen. "Meine Sorge und meine Erwartung ist, dass die nächsten Wochen zeigen, dass die Märkte, dass die Staatsanleihen, dass die wirtschaftliche Entwicklung Italiens so einschneidend sein könnten, dass dies für die Wähler doch ein mögliches Signal ist, nicht Populisten von links und rechts zu wählen."

Und er hatte hinzugefügt: "Schon jetzt ist die Entwicklung bei den Staatsanleihen, bei dem Marktwert der Banken, beim wirtschaftlichen Verlauf Italiens generell deutlich eingetrübt, negativ. Dies hat mit der möglichen Regierungsbildung zu tun. Ich kann nur hoffen, dass dies im Wahlkampf eine Rolle spielt, im Sinne eines Signals, Populisten von links und rechts nicht in die Regierungsverantwortung zu bringen."

Eine Twitter-Botschaft des Interviewers aus Brüssel, die später gelöscht und durch ein korrektes Zitat ersetzt wurde, gab Oettingers Äußerungen zunächst allerdings so wieder: "Die Märkte werden die Italiener lehren, das Richtige zu wählen." In der italienischen Politik, in der die Nerven nach der gescheiterten Regierungsbildung blank liegen, löste dies einen Sturm der Entrüstung aus.

EU-Kommission distanziert sich

Der Chef der rechtsradikalen Lega-Partei, Matteo Salvini, forderte Oettingers Rücktritt "noch an diesem Nachmittag". Auf Twitter schrieb er: "Brüssel kennt wirklich keine Scham." Der "Deutsche Oettinger" drohe den Italienern mit den Finanzmärkten. "Ich habe keine Angst", ergänzte Salvini. Später fügte Salvini hinzu: "Wer mein Volk beleidigt, indem er sagt, dass die Märkte den Italienern lehren werden, was sie wählen sollen, muss sofort zurücktreten." Der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, sagte: "Diese Leute behandeln Italien wie eine Sommer-Kolonie, wo sie herkommen und Ferien machen."

Auch von den europafreundlichen Sozialdemokraten kam Kritik an Oettinger. "Niemand soll den Italienern sagen, wie sie wählen sollen - erst recht nicht die Finanzmärkte", erklärte der PD-Generalsekretär Maurizio Martina.

Die EU-Kommission nahm die falsch wiedergegebenen Äußerungen Oettingers zum Anlass für eine Distanzierung. Kommissionssprecher Margaritis Schinas sprach von "unvorsichtigen Bemerkungen". Es liege "allein an den Italienern, über die Zukunft ihres Landes zu entscheiden". EU-Ratspräsident Donald Tusk appellierte an "alle EU-Institutionen", die Wähler zu respektieren. "Wir sind dazu da, ihnen zu dienen, nicht ihnen Lektionen zu erteilen."

Oettinger entschuldigt sich

Angesichts der Finanzmarkt-Turbulenzen in Italien mahnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Respekt für das Land an. "Italiens Schicksal liegt nicht in den Händen der Finanzmärkte", erklärte Juncker. "Italien verdient Respekt." Er sei "überzeugt, dass Italien seinen europäischen Weg weitergehen werde." Die Kommission werde "mit Verantwortung und gegenseitigem Respekt" mit Italien zusammenarbeiten.

Reinhard Bütikofer meinte, Oettinger schade der Europäischen Union. "Mit seinen Äußerungen gießt Oettinger Benzin in die lodernden Flammen des Populismus", erklärte der Grünen-Europachef. "Auf gut baden-württembergisch muss deswegen die Antwort heißen: "Isch over." Juncker muss jetzt die Reißleine ziehen."

Der Journalist der Deutschen Welle entschuldigte sich derweil für seine Twitter-Botschaft. "Ich habe den Kommissar falsch zitiert", schrieb er. Er habe versuchen wollen, Oettingers Äußerungen knapp zusammenzufassen. "Ich entschuldige mich für die Konfusion und den Fehler." Oettinger teilte diese Botschaft auf seinem Twitter-Konto. Zunächst hatte er allerdings auch die falsche Fassung des Journalisten weiterverbreitet.

Der Kommissar selbst entschuldigte sich ebenfalls. "Es war nicht meine Absicht, respektlos zu sein", teilte er mit. Er respektiere vollkommen den Willen der Wähler, ob sie links, rechts oder in der Mitte stünden - in jedem Land. "Italien als Gründerstaat spielte und spielt eine wichtige Rolle in der europäischen Integration und ich hoffe, das es auf diesem Weg voranschreiten wird."

Quelle: ntv.de, fzö/AFP/dpa

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