Politik

Öl-Embargo bei Lanz "Die Sanktionen sind ein Witz"

Durch die Druschba-Pipeline wird weiter Öl in die EU fließen.

Durch die Druschba-Pipeline wird weiter Öl in die EU fließen.

(Foto: dpa)

Nach langen Diskussionen einigen sich die EU-Staaten darauf, weniger russisches Öl zu beziehen. Wird das Putin beeindrucken? Die Gäste bei Markus Lanz haben Zweifel. Das Embargo komme weder schnell genug, noch sei es weitreichend genug, finden sowohl der geladene Linken-Politiker als auch der CDU-Mann.

Der Energiestreit zwischen Russland und der EU hat sich am Dienstag zugespitzt. Nachdem sich die EU am Montagabend nach langen Diskussionen auf ein Öl-Embargo geeinigt hatte, hat der russische Energiekonzern Gazprom einen Stopp von Lieferungen an den niederländischen Versorger Gasterra bekannt gegeben. Nun will Russland auch den Gashahn für das dänische Unternehmen Orsted und den britisch-niederländischen Konzern Shell zudrehen. Grund sei die Weigerung der Unternehmen, die Lieferungen aus Russland nicht in Rubel zu zahlen. Das hatte der russische Präsident Wladimir Putin von sogenannten "unfreundlichen" Ländern gefordert.

Die Verträge mit Russland sehen aber eine Zahlung in Euro und Dollar vor. Die meisten europäischen Länder hatten sich deswegen geweigert. Russland hatte darum einen Kompromiss angeboten. Europäische Länder können die Gaslieferungen weiter wie vertraglich vereinbart auf ein Konto bei der Gazprom-Bank zahlen. Die gehört dem staatlichen Gazprom-Konzern, also eigentlich dem russischen Staat. Das Geld werde dann von der russischen Zentralbank in Rubel konvertiert, erklärt der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen bei Markus Lanz.

Über das von der EU beschlossene Öl-Embargo gibt es geteilte Meinungen. Davon sind ausschließlich Öllieferungen von Tankern betroffen. Über Pipelines kann der Rohstoff weiter fließen. Damit kam die EU Ländern wie Ungarn entgegen, die noch stärker von russischen Lieferungen abhängig sind als Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von "einschneidenden" Sanktionen gegen Russland. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, bezeichnete den Kompromiss dagegen als "Halbschritt".

Auch bei Markus Lanz sind die Sanktionen gegen Russland am Dienstagabend Thema. Erstaunlich war dabei eine weitgehende Einigkeit zwischen Norbert Röttgen und dem Linken-Politiker Jan van Aken, der bis 2017 Bundestagsabgeordneter war und heute unter anderem für die Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet.

"Sind wir vielleicht eingeknickt?"

Russland habe noch genügend Zeit, sein Öl anderweitig anzubieten, moniert van Aken.

Russland habe noch genügend Zeit, sein Öl anderweitig anzubieten, moniert van Aken.

(Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich)

Beide kritisieren, dass die europäischen Sanktionen gegen Russland zu schwach seien. Im Zusammenhang mit dem Gaslieferstopp gegen Dänemark und die Niederlande fragt Röttgen, warum Deutschland weiterhin Gas bekommt: "Sind wir (bei den Zahlungen) vielleicht doch eingeknickt?" Und er beantwortet die Frage gleich selber: "Ich glaube ja."

Van Aken ist unzufrieden mit dem von der EU beschlossenen Öl-Embargo. Den Linken-Politiker stört, dass es zu langsam umgesetzt wird. Wäre die EU schneller, bliebe Russland praktisch auf dem Öl sitzen, weil es in dem Land nicht genug Tanker gibt, um schnelle Lieferungen in Länder wie Indien zu organisieren. Gleichzeitig kritisiert er Bundeskanzler Olaf Scholz. Der habe bei dem Besuch des indischen Premierministers Modi im Mai den Ukraine-Krieg nicht einmal angesprochen. Er wünscht sich, "dass es mal Angebote der Bundesregierung an Indien gibt, zu sagen: 'Was braucht ihr von uns, damit ihr das Öl aus Russland nicht kauft?'".

"Wer mit Russland Geschäfte macht, bekommt billigeres Öl"

Auch Röttgen ist nicht ganz glücklich mit dem Kompromiss, bei dem es in Europa Verlierer und Gewinner gebe. "Für einen Teil der Europäer wird Öl teurer, für die anderen bleibt das russische Öl günstiger. Da sagen die Russen dann: Guck mal, das ist unser Geschäftsmodell. Wer mit Russland Geschäfte macht, bekommt das preisgünstigere Öl." Und weiter: "Wenn wir das Pipeline-Öl sanktionieren würden, dann hätte Russland ein Problem."

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, weist noch auf einen anderen Punkt hin: Preise für Öl und Gas seien so stark gestiegen, dass die Verluste für Russland auch durch die niedrigeren Exporte nicht so hoch seien. Dennoch spürten die Menschen in dem Land die Sanktionen. Es fehle an wichtigen Produkten des Alltags wie Windeln.

Trotzdem sagt van Aken: "Die Sanktionen sind ein Witz." Es gebe ein paar Sanktionen, aber eine lange Liste von Ausnahmen. So gelte der Einfuhrstopp von russischer Kohle in die EU erst ab August, von dem Abfertigungsverbot russischer Frachter seien Öltanker ausgeschlossen. "Alles das, was irgendwem in Deutschland weh tut, der reich ist, wird nicht gemacht. Das einzige, was niemandem weh tut, sind Waffenexporte." Aber van Aken gibt die Hoffnung nicht auf: "Putin ist nicht Superman. Und wenn wir den richtigen Punkt finden, dann bringen wir ihn auch zu Fall."

Fratzscher fordert Käuferkartell

Zu diesen Punkten könnte ein "Käuferkartell" gehören, das Fratzscher am Ende der Sendung anregt. Das hatte zuletzt der italienische Ministerpräsident Mario Draghi ins Gespräch gebracht. Bisher hatte es damit jedoch nur negative Erfahrungen gegeben. So mussten mehrere deutsche Autokonzerne nach Preisabsprachen bei zahlreichen Produkten von Zulieferfirmen eine hohe Geldstrafe zahlen. Draghi schlug vor, Rohstofflieferungen aus Russland nur bis zu einem bestimmten Preis abzunehmen. Fratzscher dazu: "Wir müssen Energie europäisch verteilen und nicht national. Dann könnten wir ein Käuferkartell schaffen."

Darüber scheinen inzwischen mehrere europäische Politiker nachzudenken. Sie glauben, dass eine solche Absprache in diesem Fall eine positive Wirkung haben würde: Sie könnte den Druck auf den russischen Präsidenten deutlich erhöhen.

(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 01. Juni 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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