Papandreou kämpft um Vertrauen "Ich brauche Ihre Stimme"
04.11.2011, 23:21 Uhr
Papandreou hält eine ernste, bildhafte Rede.
(Foto: AP)
Noch vor der Vertrauensabstimmung im griechischen Parlament scheint der Rücktritt von Ministerpräsident Papandreou unausweichlich. In seiner Rede versucht er allerdings eindringlich, Stimmen auf seine Seite zu ziehen. Die Schuld an der Krise weist er der Opposition zu. Doch selbst Mitglieder seiner Partei setzen lieber auf eine Übergangsregierung - ohne Papandreou.
Schicksalsstunden in Athen: Ministerpräsident Giorgos Papandreou steuert auf die entscheidende Vertrauensabstimmung zu, die als Weichenstellung für die Zukunft des vor der Pleite stehenden Landes gilt. "Wir beobachten das wie die Goldfische - mit offenen Mündern", fasste der Schriftsteller Petros Tatsopoulos die Stimmung in Griechenland zusammen. Vor dem Parlament demonstrierten zeitweise mehrere tausend Anhänger der kommunistischen Partei und anderer linker Gruppierungen.
In seiner Rede vor dem Parlament bezeichnete Papandreou die Beschlüsse des EU-Krisengipfels als "letzte Chance" für die Entwicklung des Landes. Diese sollte sich Griechenland nicht verbauen. Er forderte einen breiten politischen Konsens. Das Land erlebe "historische Momente", in denen die Opposition teilnahmslos sei, kritisiere und blockiere. "Wir tragen das Kreuz des Leidens, obwohl wir nicht für die Probleme verantwortlich sind", sagte der Ministerpräsident weiter.
Er sprach zudem von dem seit 24 Monaten laufenden Kampf um die Zukunft des Landes. In diesem Kampf sei die Opposition teilnahmslos gewesen. Griechenland zahle heute die Fehler der Vergangenheit. Die Defizite des Landes aber seien auf die heutige Oppositionspartei Nea Dimokratia zurückzuführen.
Papandreou hat schon zuvor signalisiert, dass er zum Rücktritt bereit ist. "Ich klebe nicht an meinem Posten", hatte er bereits am Donnerstag gesagt. "Ich bin nicht daran interessiert, wiedergewählt zu werden. Ich bin nur daran interessiert, das Land zu retten." Auch jetzt sagte er, er sei nicht beruflich in der Politik und er wolle helfen. Aber auch morgen müsse das Land weiter regiert werden, so Papandreou. "Deswegen brauche ich Ihre Stimme", appellierte er. Seine sozialistische Partei PASOK verfügt nur über eine dünne Mehrheit von zwei Abgeordneten im 300-köpfigen Parlament. Es könnte einige Abweichler geben. Mehrere Abgeordnete seiner Partei hatten in ihren Reden klargemacht, sie würden dem Premier nur das Vertrauen aussprechen, wenn er danach einer Übergangsregierung zustimmen würde.
Mehrere Szenarien möglich
In Athen galt nun folgendes Szenario als möglich: Papandreou gewinnt die Vertrauensabstimmung - tritt aber dennoch zurück. Das Kalkül: Er könnte dann als amtierender Regierungschef und von seiner Fraktion gestärkter Parteichef die Verhandlungen über eine Übergangsregierung führen. Sein Gesicht hätte er damit gewahrt. Die von Papandreou gebildete Übergangsregierung könnte dann sein Finanzminister Evangelos Venizelos für sechs Monate führen.
An dieser Übergangsregierung sollten auch Experten und wenn möglich auch die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) teilnehmen. Kreise der ND lehnten dieses Szenario als "absurd" ab. Ihre Partei fordert den sofortigen Rücktritt Papandreous und die Bildung eine Expertenregierung, die das Land nur für wenige Wochen führen wird, um das neue Hilfsprogramm für Griechenland unter Dach und Fach bringen. Danach sollen alsbald vorgezogene Wahlen folgen. Die Abgeordneten der ND nahmen an der Parlaments-Debatte zunächst nicht teil, wollen aber abstimmen.
Sollte Papandreou die Vertrauensabstimmung verlieren, gibt es laut Verfassung Sondierungen unter Vorsitz von Staatspräsident Karolos Papoulias. Sollte auch dann keine neue Regierung gebildet werden können, würde es einen spannungsreichen Wahlkampf geben, der bis zu den Neuwahlen mindestens 30 Tage dauern würde. Umfragen zeigen allerdings, dass auch nach den Wahlen keine Partei die absolute Mehrheit im Parlament haben würde. "Gefährliche Akrobatik", titelte die griechische konservative Zeitung "Kathimerini" im Hinblick auf die Machtspiele in Athen.
Papandreou: Referendum war ein Fehler
Nea-Dimokratia-Chef Antonis Samaras hatte den Rücktritt Papandreous zur Bedingung für eine Übergangsregierung gemacht. Im Gegenzug hatte der Oppositionsführer seinen Widerstand gegen das Sparpaket aufgegeben. Bisher hatte sich die ND strikt dem unpopulären, von der EU geforderten Sparkurs verweigert. Die offene Frage ist aber, ob Samaras akzeptieren würde, mit Papandreou zu verhandeln, wenn dieser zusichert, das Feld nach Ende der Gespräche zu räumen. Papandreou warf Samaras vor, Forderungen zu stellen, die nicht sofort umsetzbar seien. Das Land könne nicht so einfach auf Anhieb ohne Regierung bleiben.
Das griechische Parlament muss zudem noch das neue Rettungspaket im Volumen von 130 Milliarden Euro ratifizieren. Darin sagt Griechenland eine konsequente Fortsetzung des Sparkurses zu. Mit der Ratifizierung wäre dann auch der Weg frei für die Überweisung der nächsten Hilfstranche von acht Milliarden Euro aus dem ersten Rettungspaket, die Griechenland bis spätestens Mitte Dezember benötigt. Finanzminister Venizelos sagte, es sei nun dringend notwendig, sofort Verhandlungen mit der Troika von Internationalem Währungsfonds, EU und Europäischer Zentralbank aufzunehmen.
Das von Papandreou angestrebte Referendum ist indes endgültig vom Tisch. In der Kabinettssitzung habe Papandreou eingeräumt, dass der Vorstoß ein Fehler gewesen sei, hieß es. In einem Telefonat teilte Finanzminister Venizelos die Absage des Referendums auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn mit. Papandreous überraschende Referendumsankündigung vom Montag hatte weltweit Entsetzen ausgelöst und seine Regierung in die Krise gestürzt. Die Europartner zitierten ihn darauf zu einem Krisentreffen.
"Das werden jetzt ein paar spannende Tage"
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso betonte, die Regierung in Athen könne sich weiterer Unterstützung der EU sicher sein. "Wir wollen, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verlangte von den Griechen eine "verlässliche Entscheidung", ob sie willens und imstande seien, Mitglied des Euro zu bleiben. Ob dies durch Wahlen oder ein Referendum geschehe, sei Sache des griechischen Volkes, sagte Schäuble in der ARD.
Der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Georg Streiter, gab sich in Berlin zuversichtlich, "dass Griechenland seine Verpflichtungen erfüllt". Das Land werde nicht "ausgeklammert" und sei "immer mit dabei". "Das werden jetzt ein paar spannende Tage, dann werden wir sehen, ob Griechenland in der Lage ist, seine Verpflichtungen einzuhalten", sagte Streiter.
Die andauernde Hängepartie macht Anleger in Europa zunehmend mürbe. "Es sieht zwar so aus, als ob das umstrittene Referendum über das Rettungspaket für die Griechen nicht stattfindet", sagte Koen De Leus, Stratege bei KBC Securities. "Es besteht aber immer noch die Möglichkeit, dass die griechische Regierung zusammenbricht, und das würde die Unsicherheit noch weiter erhöhen."
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP