Beichte nach der Abtreibung Papst gestattet Priestern die Vergebung
01.09.2015, 15:10 Uhr
Veränderung in kleinen Schritten? Papst Franziskus erteilt neue Vollmachten.
(Foto: REUTERS)
Unerwartete Entscheidung aus dem Vatikan: Als Vorbereitung für das "Heilige Jahr" lockert Papst Franziskus die strikte ablehnende Haltung zur Abtreibung. Priester dürfen betroffenen Frauen ihre "Sünde" nun offiziell vergeben.
Papst Franziskus hat katholischen Priestern erlaubt, reuigen Sündern eine Abtreibung zu vergeben. Das Oberhaupt der katholischen Kirche erklärte dazu, es habe entschieden, während des im Dezember beginnenden "Heiligen Jahres" allen Priestern zu erlauben, Frauen von der Sünde der Abtreibung loszusprechen.
Die neue Linie des Papstes ist keine pauschale Vergebung. Voraussetzung sei, so hieß es, dass die betroffene Gläubige Reue zeige und um Vergebung bitte. Frauen, die abgetrieben haben, könne "die Vergebung Gottes nicht verweigert werden", erklärte der Papst.
Die Ausnahme gilt allerdings nur für die Dauer des "Heiligen Jahres". Ausgestattet mit der neuen päpstlichen Vollmacht sollen die Priester in diesem Zeitraum betroffenen Gläubigen ins Gewissen reden und ihnen damit helfen, "die begangene Sünde zu begreifen".
Was für Außenstehende wenig spektakulär wirkt, ist für vatikanische Verhältnisse beinahe eine bahnbrechende Neuerung. Bislang hatte sich die Katholische Kirche strikt gegen Abtreibung gestellt. In den Augen gläubiger Katholiken beginnt das Leben mit der Zeugung. Eine Abtreibung versteht der Vatikan daher schlichtweg als Tötung schutzwürdigen Lebens.
"Ein gravierendes Problem unserer Zeit ist sicherlich die veränderte Beziehung zum Leben", schreibt der Papst in seiner Mitteilung. "Eine sehr verbreitete Mentalität hat mittlerweile zum Verlust der persönlich und gesellschaftlich geschuldeten Sensibilität gegenüber der Annahme eines neuen Lebens geführt."
Grundlegende Änderungen kaum denkbar
Trotz "gegenteiliger Bestimmungen" hält der Papst im Heiligen Jahr allerdings eine Ausnahme für gerechtfertig. "Ich denke vor allem an alle Frauen, die eine Abtreibung haben durchführen lassen", erklärte Franziskus. "Ich weiß um den Druck, der sie zu dieser Entscheidung geführt hat. Ich weiß, dass dies eine existentielle und moralische Tragödie ist."
Die Haltung zur Abtreibung ist auch innerhalb der Kirche umstritten. Den katholischen Wohlfahrtsorganisationen war es zeitweise sogar ausdrücklich untersagt, mit betroffenen Hilfesuchenden über Themen wie Abtreibung oder sogar die "Pille danach" zu sprechen.
Erst Anfang 2014 hatte Papst Franziskus die ablehnende Position der Katholischen Kirche in dieser Frage bekräftigt. "Häufig werden menschliche Wesen wie nicht mehr benötigte Gebrauchsgegenstände entsorgt", sagte das Kirchenoberhaupt. "Allein schon der Gedanke, dass Kinder als Abtreibungsopfer niemals das Licht der Welt erblicken werden, lässt mich schaudern."
Zugleich warb Papst Franziskus allerdings auch für Reformen innerhalb der Kirche auf allen Ebenen. In einem vielbeachteten Interview sagte er, die Kirche müsse ihre "Besessenheit" bei Themen wie Abtreibung, Empfängnisverhütung und Homosexualität ablegen. Ob die neuen Freiräume bei der Beichte als Signal für eine bald bevorstehende Öffnung zu verstehen sind, blieb zunächst unklar. Im Inneren des Vatikans dringen starke konservative Kräfte auf eine unveränderte Haltung entlang der seit Jahrzehnten verfochtenen theologischen Linie.
Quelle: ntv.de, Jean-Louis de la Vaissiere, AFP