Selbstzahler-Leistungen untersucht Patienten oft von Angeboten "überrumpelt"
12.07.2016, 14:25 Uhr
Igel steht aber nicht unter Generalverdacht
(Foto: dpa)
Der weit überwiegende Teil der Selbstzahler-Leistungen beim Arzt bringen den Patienten nach Ansicht der Krankenkassen keinen nachweisbaren Nutzen. Der MDS überprüft 41 so genannte individuelle Gesundheitsleistungen - mit ernüchternder Erkenntnis.
Die Krankenkassen beklagen eine mangelnde Aufklärung der Patienten über Nutzen und mögliche Risiken von Selbstzahler-Leistungen. Der Markt der sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen (Igel), die Ärzte ihren Patienten gegen Bezahlung anbieten, boome, erklärte Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDS). "Information und Aufklärung geraten in der Praxis dabei manchmal in den Hintergrund." Ärztevertreter wiesen die Vorwürfe zurück.
Nach Angaben des MDS kennen 82 Prozent der Versicherten individuelle Gesundheitsleistungen. Eine repräsentative Umfrage habe ergeben, dass jeder Zweite (52 Prozent), der Selbstzahlerleistungen in der Arztpraxis angeboten bekomme, diese auch annehme. Drei Viertel der Patienten fühlen sich demnach allerdings nicht ausreichend über mögliche Schäden informiert.
"Für manche Facharztgruppe ist das Igeln zum Volkssport geworden", sagte Pick. "Aus unserer Sicht sind die Ärzte gefordert, über Nutzen und mögliche Risiken der Selbstzahlerleistungen ausführlich aufzuklären." Dafür müssten schriftliche Informationen zur Verfügung gestellt werden. Die Patienten sollten zudem ausreichend Bedenkzeit erhalten und nicht unter Druck gesetzt werden.
Nutzen oft umstritten
Seit 2012 haben die MDS-Experten insgesamt 41 Selbstzahler-Leistungen unter die Lupe genommen. Das Spektrum reicht von Akupunktur in der Schwangerschaft über Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung bis hin zur Bestimmung des Immunglobin G gegen Nahrungsmittel.
"Unsere Bewertungen zeigen, dass vieles, was in den Praxen angeboten wird, der wissenschaftlichen Bewertung nicht Stand hält", erklärte Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs Evidenzbasierte Medizin beim MDS. "Beim überwiegenden Teil können wir nicht von Hinweisen für einen Nutzen, sondern eher von Hinweisen für einen Schaden für den Patienten sprechen."
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte, eine 14-tägige Bedenkzeit zwischen dem Angebot des Arztes und der Leistungserbringung einzuführen. "Offensichtlich geht es den Ärzten bei Igel-Leistungen ums Geldverdienen", erklärte Vorstand Eugen Brysch. "Viel zu häufig werden Patienten überrumpelt von Angeboten, deren Nutzen oft umstritten ist." Brysch rief die Bundesregierung auf, die gesetzlichen Grundlagen für eine verpflichtende Bedenkzeit zu schaffen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wies die Vorwürfe zurück. "Es ist falsch, Igel unter Generalverdacht zu stellen", erklärte der KBV-Vorsitzende Andreas Gassen. Im individuellen Patientenfall könnten diese Leistungen durchaus medizinisch sinnvoll sein. Die Versichertenbefragung der KBV habe für das vergangene Jahr gezeigt, dass individuelle Gesundheitsleistungen von den Patienten selbst verstärkt nachgefragt würden. "Natürlich muss der Patient ausreichend Zeit haben, um über das Angebot entscheiden zu können", fügte Gassen hinzu.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa